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Die Selbstgestellte Falle

Dem Medienforscher Thomas Hestermann kann gar nicht genug Dank entgegengebracht werden. Für seine eindringliche Sicht auf das, was sich in Deutschland zur Gewaltberichterstattung für ein Bild zeichnen lässt. Dass sich nämlich die Presselandschaft, anders als es die AfD in die Welt setzen möchte, nicht von einer eigenen links-versifften Blase, sondern von genau jenen Rechtspopulisten und Rechtsextremen an der Leine führen lässt, die zumindest etablierten Medien von Haus aus feindlich gesinnt sind.
Bilanz einer entsprechenden Studie: In rund 94 % aller Fälle, in denen in Medien bei einem Gewaltdelikt die Herkunft des Verdächtigen erwähnt wird, handelt es sich bei dem oder der jeweiligen Verdächtigen um einen Ausländer oder eine Ausländerin.

Das entspräche, so die Erkenntnis, die sich Hestermann und seiner Leipziger Kollegin Elisa Hoven offenbart, fast haarscharf dem, was sich aus Pressemitteilungen von Bundesverband und Landesverbänden sowie Bundestagsfraktion und Landtagsfraktionen der AfD ablesen ließe. Dort seien zu 95 % Herkunftshinweise bei Gewalttaten dann opportun, wenn es sich bei den Tatverdächtigen um Ausländer:innen drehe.
Hestermann nennt es verblüffend, dass etablierte deutsche Medien also Gewaltkriminalität bezüglich der Herkunft Tatverdächtiger nahezu genauso einordnen wie die AfD. Die treibe den Journalismus, auch den aus der Mitte oder links der Mitte heraus, quasi vor sich her.

Ein bisschen krude klingt Hestermanns Ausführung, wonach der Druck auf Medien wachse, dem im rechten Milieu gepflegten Narrativ, Medien würden gern die Wahrheit verschweigen, auf fragwürdig dienerische Weise gerecht zu werden. Gewiss ist es keine Neuigkeit, dass – nicht nur seitens der AfD – immer wieder Druck, politischer Druck, auf Medien ausgeübt wird. Nur ihr Selbstbildnis von der vierten Gewalt im Staat ließe es durchaus zu, sich eben nicht unter Druck setzen zu lassen.
Resilienz sollte auch bei der Gewaltberichterstattung zur unbedingten Grundausrüstung jeder Journalistin und jedes Journalisten gehören.

Hestermann hat deshalb Recht, wenn er sagt, dass Journalismus in dieser Hinsicht schlicht unprofessionell daherkäme. Denn gemessen daran, dass bei anderen Gewalttaten, die nicht Ausländern zugeschrieben werden, dies nicht explizit erwähnt werde, bei ausländischen Tatverdächtigen im Gegenzug freilich schon, stellt sich wie von selbst die Frage, ob sich Medien hier nicht gedankenlos oder, schlimmer, vorsätzlich vor den Karren ausgewiesen ausländerfeindlicher Politik spannen lassen. Und, wenn man sie fragt, keinen belastbaren Grund dafür nennen können; außer dem, dass man zu feige ist, sich hier wirklich integer zu verhalten. Und statt dessen rechten Kräften nachgibt, die im Zweifel zu nicht mehr im Stande sind, als auf ihrer eingeübten Medienschelte zu beharren.

Dass Thomas Hestermann aus seiner Kritik dann ein bisschen die Luft rausnimmt, in dem er dem Journalismus Angst zuschreibt, aus der heraus negative Emotionen (Ausländerfeindlichkeit etwa) bedient würden, könnte schon wieder als Teil, hier nicht nur journalistischer Ängste gewertet werden. Zwar können Journalist:innen auch aus deutschen Medien berichten, wie sehr sie – beispielsweise von Vorgesetzten – in die Pflicht auch unverhältnismäßiger Berichterstattung genommen werden.
Doch Angst ist in einer Branche, in der sich Mitarbeiter:innen gern mit besonderer Courage brüsten, ein nachgeordnetes Argument.
Es dient weder als guter primärer Grund für eine oft zweifelhafte Berichterstattung noch überzeugt es als sekundärer Grund, aus Mangel an eigenem Rückgrat Ängste, wo immer sie erkennbar werden, irgendwie entschuldigen zu wollen.
Denn noch leben wir nicht in einer Trump’schen Welt, in der Medien, wenn sie nicht spuren, um ihre Existenz fürchten müssen. Oder?

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