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Opfer Der Sprache

George Orwell war es, der in 1984 schilderte, wie das Wahrheitsministerium Begriffe aus der Sprache streicht, die das Denken zeichnen. US-Präsident Donald Trump, der in seinem Land weiter die Gleise einer zunehmenden Autokratie legt, nimmt sich 21 Jahre später zum Vorbild, was bei Orwell als gruselige Vision daherkommt. Früher war von Sprachpäpsten die Rede, die Sprache auf ihnen missliebige Wörter abklopften. Das war Feuilleton. Und Meinungssache, mit der sich an Literatur herangemacht wurde. Trump ist Sprachdiktator. Und tötet (auch) über Begriffsverbote alles, was eine Demokratie mitsamt wertvoller Sprache ausmacht.

Wenn ich früher im Fitness-Club unter der Dusche stand, bekam ich häufiger mit, wie sich Sprache und Denken fatal verknüpfen können. Sprüche, die nicht zu der menschenwürdigen und offenen Welt passen, wie ich sie mir vorstelle, gingen mit einem Sprachschatz einher, der erschreckend verengt war. So verengt, wie das, was sich hinter Gesagtem auftat. Was da neben mir prassselte, war eine Flut rassistischen, homophoben, frauenfeindlichen Wortschatzes. Mit wenigen Begriffen wurde sich rechts einshamponiert. Und ich dachte, wer so spricht, sollte mir niemals sagen dürfen, was ich zu tun und zu lassen habe.

US-Präsident Donald Trump ist ebenfalls jemand, von dem ich mir niemals sagen lassen wollte, was ich zu tun und zu lassen habe. Genau das macht er gerade in seinem Land – und drüber hinaus. Er sagt den Menschen, was sie zu tun und zu lassen haben. Sonst gebe es große, große Probleme, würde ihnen die Hölle heiß gemacht. Damit geht er weiter als meine Duschnachbarn im Fitness-Club. Die großmäulig waren, aber, so dachte ich, nicht ohne weiteres gefährlich für andere. Trump ist gefährlich, er ist gemeingefährlich. Und was mit seinen Sprachdekreten einhergeht, ist nichts weiter als primitive, dumme Herrschaft.

Die Sprache, die Trump für sich und die Welt einsetzt, die Sprachverbote, die er in seinem Sinne ausspricht, die Sprache, die er gegenüber anderen als Instrument der Einschüchterung benutzt, sind Hinweise auf den gesellschaftskulturellen Zustand, in dem er sich befindet. Gepaart mit seiner vor Unwissenheit strotzenden Wirtschaftspolitik, die sein Land, das er sich aufschwingen sehen wollte, in den Abgrund treibt. Der Präsident der Vereinigten Staaten pflegt den Jargon der Gosse. Und gefällt sch darin. Er glaubt, dass sein primitiver Narzissmus, für den er stets die passenden Worte findet, anderen Respekt abtrotzt.

Doch die haben keinen Respekt. Allenfalls Angst, unter die Räder dieses Polit- und Sprachmonsters zu geraten. Denn unabhängig von der präsidialen Begriffsdreckschleuderei sind die USA, jedenfalls noch, eine weltwirtschaftliche und weltpolitische Größe. Man hört weg, sieht aber hin, was angerichtet wird und zu werden droht. Man versucht, sich in aller Lächerlichkeit, die Trump hergibt, neue Orientierung zu verschaffen. Und angesichts der Sprache, an der sich Trump vergreift, nicht in die Defensive zu geraten. Oder es ihm in Ausdrücken gleich zu tun. Man versucht, auch sprachlich die Contenance zu wahren.

Vielleicht ist das ein Weg: Auch über die Sprache, die man der Sprache des US-Präsidenten entgegensetzt, den Unterschied zwischen zivilisiertem und unzivilisiertem Gebaren und damit den Unterschied zwischen zivilisierter und unzivilisierter Politik deutlich zu machen. Vielleicht wäre es auch ein Weg, zu sagen, wenn sie, Mr. President, zu einer halbwegs akzeptablen Sprache, der Sprache des Respekts finden, könnte man irgendwie noch miteinander reden. Solange sie aber so sprechen, wie sie sprechen, ist ein Gespräch mit ihnen nicht möglich. Denn Gespräche sollten aus den Niederungen von Politik hinausführen.

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