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Menus Für Hedonisten

Medienportale geben immer wieder vor, nicht nur, aber vor allem fürs Verstehen der Welt da zu sein. Und die Restaurants-Tipps? Da verstehe einer die Welt! Kaum ein Medium, das nicht eine Häppchen-Ecke hat. Neue Fresstempel in mehr oder weniger entfernter Nachbarschaft. Kaum ein Medium freilich auch, dass die Kassenlage der Menschen, über die anderswo berichtet wird, wirklich ernst nimmt. Besitzen Sie einen dieser Mega-SUVs, haben Sie Geld für tägliche Taxi-Sausen oder gehen ihnen horrenden Parkgebühren 24/7 am Arsch vorbei? Dann sind sie im 200€-Menu-Tempel, der Ihnen etwa auf der Genuss-Seite des Tagespiegel Berlin serviert wird, genau richtig. Aber bitte beim Trinkgeld knausern. Reicht ja, wenn das Spül-Personal am Ende die Teller ableckt.

Konsistenz ist dabei nicht unbedingt konsistent im Sinne von folgerichtig. So wird da schonmal ein Restaurant in der Abteilung Die besten Restaurants für den Frühling empfohlen, das unter der Einzelwertung mit Pauken und Trompeten durchfällt. Wie mit einer panasiatischen Brasserie geschehen, die – weil neben der kulinarischen auch die food-architektonische Raffinesse Eingang findet – allerdings eher aussieht wie ein aufgepumpter Intercity-Hotel-Speisesaal. Eine andere Lokalität, die den abgewandelten Namen eines französischen Malers trägt, bietet ein omnivores (für Allesfresser, so habe ich gegoogelt) oder veganes Menu für 224 € an. Die Weinbegleitung kostet nochmal 124 € mit, 93 € ohne Alkohol. Dafür ist gefiltertes Wasser im Preis inbegriffen. Whow, ein Sparhammer!

Dieser Tipp läuft unter Die besten Restaurants am letzten Tag der Woche. Für die meisten in der Hauptstadt reichlich fließender Abgeordneten-Diäten nicht mal ein Tipp für den letzten Tag des Monats oder Jahres. Wenn, dann für den ersten Tag. Der restliche Zeitraum geht auf Kredit. Und am Ende ab in Richtung Privatinsolvenz. Das alles findet man freilich nicht nur in der Metropole Berlin, sondern auch anderswo. Garniert mit Mitleid. Immer wieder wird in diesem Sinne auf schwere Zeiten verwiesen, die die Gastro-Welt durchmache. Eine Art Long-Covid. Während Restaurant-Besitzer, die eher auf moderat oder gar günstig und dennoch gut setzten, in der heißen Corona-Phase zu Tausenden dicht machen mussten, haben Edel-Schuppen-Betreiber den Schwung des Untergangs mitgenommen. Um unbesiegbare Hedonisten-Geister verschwörungsmäßig anzufüttern.

Eigentlich war Corona ja pillepalle. Und deswegen die Massenschließung von Restaurationen genauso falsch wie Impfdiktatur und die Wahrung menschenunwürdiger Abstände mit Hinweis, man könne ja Catering. Aber um heute nochmal die digitalen Speisekarten pekuniär auf Vordermann zu bringen, war das Ganze dann doch nicht so schlecht., möchte man meinen. Medien, je Merz-höriger, desto furchtloser, als auch die FAZ, schwimmen auf der Welle fangfrisch hochgepreister Wildfische munter mit. Zwischen dem Leid in Gaza oder der Ukraine und dem Sportteil macht sich ein bisschen kulinarische Entspannung gut. Wer spendet, so der steuerlich absetzbare Glücksfall, darf sich in Trüffelland verlieren. Mediale Soli-Aktionen mit dem Hinweis, dass man statt kreditkartenbezogene Sorglosigkeit zu pflegen, dem Staat mit einer Reichensteuer beispringen möge: Nirgends.

Das wäre ja auch noch schöner! Zumal die medialen Genuss-Abteilungen auch im Journalismus die einzigen Ressorts sind, in denen man noch ein bisschen Freude bei allem Schmutz und Schrecken rund um den Globus haben kann. In Restaurants, die richtig viel auf sich halten und stets gern besucht, befressen und befunden werden, tauchen, wie herrlich!, dem ganzen Spaß zur Hilfe denn auch keine Preise unter Menus auf. Die Hoffnung, alles geht unter, nur der grenzenlose Ausbeuterinstinkt nicht, hält Ausbeuter hinter Tischen und Theken ja gerade etikettenlos bei exzellenter Laune. Da macht es dann am Ende auch nichts mehr aus, wenn man seinen oberfetten Porsche gar nicht erst versucht dort zu parken, wo man vorausbezahlen muss. Das Schönste ist, wenn der Abend mit einem Bußgeldzettel abgerundet wird, den man einfach betrunken hinterm Scheibenwischer ´kleben lässt.

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