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Woche 48/49/2025

Krieg & Frieden, nicht nach Tolstoi. Sondern nach SIPRI. Das Institut in Stockholm, das sich um Friedensforschung kümmert, meldet neue Zahlen zur Rüstungswirtschaft. Danach sind, welch Wunder, die Einnahmen der 26 größten europäischen Rüstungskonzerne im vergangenen Jahr um 13 Prozent gestiegen. Auf umgerechnet 130 Milliarden Euro. Überdurchschnittlich stark wuchsen, Wunder zwei, die Einnahmen deutscher Unternehmen. Bei Rheinmetall waren es, laut SIPRI vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, plus 53 Prozent. Bei Hensoldt waren es 18, bei ThyssenKrupp immerhin noch 12 Prozent. Das Geschäft mit dem Krieg, das andere Friedenshilfe nennen, blühte. Auch in den USA. Die Steigerung war dort geringer, aber das Land bringt immer noch die Hälfte der Einnahmen der 100 weltweit größten Rüstungskonzerne zusammen. Auch in Russland wurden die Geschäfte kräftig angekurbelt.

Wie Krieg & Frieden mit dem Auf und Ab der Bilanzen in der Rüstungs-Branche zusammenhängen, bringt Ingar Solty im „Freitag“ nahe. Danach könnte sich nach dem Kriegs-Auf nun ein Friedens-Ab in die Geschäftstüchtigkeit mischen. Der „Freitag“-Beitrag, der fragt, ob nach der „Champagnerlaune bei Rheinmetall & Co“ nun eine Art „Friedensangst“ um sich greife, zeigt, „wie verkommen dieses System ist“. Indem jetzt, da US-Präsident Trump zumindest einen Hauch von Waffenruhe-Fantasien lostritt, die Aktienkurse der Rüstungskonzerne an der Börse fallen. Der von Rheinmetall verlor, so Solty, um vier Prozent. So eng liegen Euphorie und Ernüchterung bisweilen beisammen. Noch ist nicht ausgemacht, ob das was wird mit Trumps Vorstößen. Die wiederum ihm erträgliche Geschäfte ermöglichen. Rheinmetall steht weiter gut da. Die Dynamik freilich steht für zweifelhafte Aktionärsmoral.

Die dürfte, nimmt man Soltys Zahlen, wegen der vier Prozent aber nicht völlig am Boden liegen. Denn die Aktien sind, so im „Freitag“, seit der „Zeitenwende“-Erklärung von Ex-KanzlersOlaf Scholz, bis zum Oktober dieses Jahres durch die Decke gegangen. Ob Rheinmetall oder Hensoldt – der Aktien-Boom schien keine Grenzen nach oben zu kennen. Wo man hinschaute, war, so Solty, von „Wachstumsperspektiven, wie wir sie noch nie erlebt haben“ und von einer „Wunderwelt“ die Rede. In der „Welt“ seien Tipps gegeben worden für Aktien, „die jetzt Vollgas“ geben. Nun sei unter anderem der „Börsen-Express“ umgeschwenkt. Auf: „Friedensangst schockt Anleger“. Soweit ist die von der Bundesregierung beschworene „Kriegstüchtigkeit“ also gediehen. Dass man Angst vor Frieden haben soll? Wie Krieg und Profit Moral ruinieren, hat Bertolt Brecht schon in „Mutter Courage“ beschrieben.

Gestern noch hatte ich in meinem Beitrag zum Gründungskongress der neuen AfD-Jugend den fragwürdigen Hang des deutschen Verbandes der Familienunternehmer eingeflochten, der sich nach dem Willen seiner Präsidentin Marie-Christine Ostermann ruhig auch mal die Rechten ins Haus holen kann. Zum zwanglosen Austausch wirtschaftpolitischer Meinungen. Ihre Aussagen haben nicht gerade den Zusammenhalt des Verbandes gestärkt. Unternehmen suchten das Weite. Eine öffentliche Debatte tobte und geriet zum Bumerang. Nun ist die Verbandsspitze zurückgerudert. „Wir müssen andere Wege der Auseinandersetzung finden, wie wir der AfD kritisch begegnen und gleichzeitig deutlich machen können, wofür wir stehen“, so Ostermann. Es sei mit der Einladung an die AfD, die den Streit ausgelöst hatte, „das Gegenteil von dem passiert, was wir wollten“. Ach wirklich?

Die Verbandspräsidentin Ostermann sitzt nicht ohne Grund im Beirat der, wie die „taz“ schreibt, „rechten Denkfabrik Republik 21 (R21)“. Die sich, wie es heißt, gegen eine Brandmauer zur AfD ausspricht. „R21“ beschreibt sich selbst als „Ideenschmiede, die neue bürgerliche Politik entwickeln, stärken und begründen will“. Leiter der „Denkfabrik R21“ ist Andreas Rödder, Mitglied der CDU, der gerne derlei Sätze bietet: „Ein Homosexueller lebt heute (…) unendlich viel freier als vor 35 Jahren. Eine biodeutsche Vollzeitmutter muss sich heute aber für ihren Lebensentwurf rechtfertigen“. Oder: „Konservative verteidigen heute nur das Neue von gestern“. Was nicht gerade nach modernem Konservativismus klingt, den Rödder hochhebt. Man kann also durchaus argwöhnen, dass der Rückzieher von Ostermann nicht integrer Einsicht, sondern eher der Abwanderung von Verbandsmitgliedern geschuldet ist.

Von der „Denkfabrik R21“ ist es nicht weit zur Förderpraxis der Bundesregierung. Die Union hatte nach der jüngsten Bundestagswahl gefordert, doch mal Nichtregierungsorganisationen (NGOs) daraufhin zu überprüfen, ob sie denn tatsächlich öffentliche Finanzhilfe verdient hätten. Was immer daraus wird, soviel scheint so gut wie festzustehen: „R21“ soll künftig mit 500.000 statt mit 250.000 € jährlich bedacht werden. Aus dem Etat des Kanzleramts, wie die „Welt“ berichtet. Und als „Projektförderung“ auf vier Jahre begrenzt. Just dann steht die nächste ordentliche Bundestagswahl an. Bis dahin wird sich möglicherweise der Rödder-Gedanken durchgesetzt haben, dass man das mit der Brandmauer zur AfD besser sein lässt. Vielleicht setzt ja Beirats-Frau Ostermann auch nochmal in Sachen AfD-Einladungen nach. Für mich geht dessen ungeachtet „Rossmann“ vor „dm“. Strafe muss sein.

Vielleicht muss man aber gar nicht mehr so lange warten, bis das Land der AfD und Brandmauergegnern „gehört“. Die „Junge Gruppe“ in der Union nämlich hat signalisiert, dass sie beim „Nein“ zum Rentenpaket der schwarz-roten Koalition bleibt. Eine entsprechende Erklärung soll dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegen. Damit wäre eine Mehrheit im Bundestag für das Paket mehr denn je gefährdet. Sollte die Bundesregierung darüber auseinanderbrechen, kommen entweder eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen in Frage. Wie die ausgehen würden, mag man sich lieber nicht, sollte man sich aber ausmalen. Ich sehe da schon, wie Rechte und Rechtskonservative mit den Hufen scharren. Und links davon ein teils hasenfüßiges Lager, das nicht zusammenfindet. Dann würde sich rächen, dass es die SPD nie ernsthaft erwogen hat, ein linkes Bündnis inklusive Linkspartei zu schmieden.

Doch Rache ist nichts, was Geschehenes gutmachen kann. Im Gegenteil: Schlechtes wird damit doppelt sichtbar. Und für Bitten um Begnadigung ist es dann zu spät. Auch wenn die gerade im Kommen sind. Das jüngste Gnadengesuch hat Israels Ministerpräsident Netanyahu gesendet. An seinen Präsidenten Jitzchak Herzog. Wenn ich den Berliner „Tagesspiegel“ auch häufiger kritisiere als lobe. Dem Kommentator, der da fordert: „Bleiben Sie standhaft, Herr Herzog“, kann ich nur beipflichten. Wäre noch schöner, wenn sich der Verdacht der Korruption, zumal mit Blick auf die Justiz strangulierende Pläne, gegen die zigtausende Israelis auf die Straße gegangen sind, mit Hinweisen auf die militärische und politische Lage in Luft auflösen ließe. Die Bibel-Abwandlung „Gnade, wem Gnade gebührt“, deutet auf Verdienst. Auf Barmherzigkeit, die weitergegeben wird. Ich erübrige mir Fragen dazu.

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