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Olympia Athleten Politik

Die Debatte über eine Teilnahme russischer und belarusischer Athleten an Welt-Sportereignissen trägt zwiespältige Züge. Dabei wäre mehr Klarheit über das zweifelhafte Zusammenspiel von Sport und Politik vonnöten.

Ich bin kein Freund von Bach. Jedenfalls nicht vom IOC-Bach. Gleichwohl ist der shitstorm, der derzeit auf ihn einprasselt, Bullshit. Sportler aus Russland und belarusische Athleten sollen mit Einschränkungen auf die internationale Bühne zurückkehren dürfen, empfiehlt der Olympia-Boss. Nicht Soldaten mit Hang zum Hochsprung oder 400-Meter-Lauf, zum Fechten sowieso nicht, zu militant. Keine Sportler mit Verbindungen zu Militär und Sicherheitspparat. Keine, die den Krieg gegen die Ukraine auch nur ansatzweise unterstützen. Klare Regeln.

Vielleicht wollen die Sportler aus Russland und Belarus das aber auch gar nicht. Martialisch ihren Diktatoren Platz auf einem Treppchen geben. Sich quasi stellvertretend die Medaillen umhängen lassen. Vielleicht sind sie insgeheim ja sogar gegen den Diktator. Und gegen den Krieg gegen die Ukraine. Weiß niemand. Nur Präsident Selenskyi in Kiew hat da so eine Ahnung. Alle Russen lieben Putin. Alle Belarusen Lukaschenko. Die haben keine Angst, die Sportler. Die feuern ihre Diktatoren am liebsten systemgläubig an.

Selenskyi weiß auch schon eine Antwort, sollte der Deutsche Bach sich durchsetzen, Dann bleiben die ukrainischen Sportler zu Hause. Gefragt hat sie Selenskyi nicht. Ob sie sich, wie angeblich die Russen und Belarusen, zum Büttel der Politik lassen machen wollen. Gefragt hat sie niemand, ob sie die olympische Idee ausnahmsweise mal mehr mögen, als Panzer und Kampfflugzeuge. Ob es in dieser Zeit auch noch friedfertige Botschaften geben könnte. Statt den Krieg auf Aschebahnen zu tragen. Wo es schon genug Asche gibt daheim.

Andersherum: Wenn russische und belarusische Athleten ihren Herr- und Heerschaften gern in den Hintern kriechen würden. Und deswegen Kriegspartei sind. Und also nichts zu suchen haben etwa bei Olympischen Spielen. Warum sollen dann überhaupt Anhänger von Kriegsparteien unter der olympischen Flamme wetteifern dürfen? Warum lässt man den Krieg nicht ganz draußen? Wie sicher ist man sich, dass die Spiele nicht, von welcher Seite auch immer, gegen die Olympia-Idee politisch instrumentalisiert werden?

Das wäre doch mal was: Alle Kriegsparteien ausschließen. Alle Sportler aus Autokratien und Diktaturen vor die Tür setzen. Also auch keine chinesischen Athleten. Keine beispielsweise aus der Türkei. Wer sagt denn, dass die nicht Freunde der Unterdrückung der Uiguren sind – oder es gut finden, dass Erdogan tausende Menschen unter totalitärem Putsch-Verdacht inhaftiert? Ist Krieg nur, wenn Blut fließt und Städte zerstört werden? Werden da nicht Menschenrechte und Leben ausgelöscht? Sind Sportler von dort automatisch friedfertig?

Was allen, die über Olympia debattieren, fehlt: Konsequenz. Seit jeher. Entweder sind internationale Wettbewerbe wie Olympische Spiele per se unpolitisch. Dann darf jedem Athleten unterstellt werden, dass er nur aus sportlichen Gründen teilnimmt. Oder sie werden in politisches Kalkül gezogen. Dann ist jeder Sportler ein Protagonist des Systems, in dem er lebt. Entsprechend winkt ihnen die Liebe des IOC entgegen. Und der Regierungen, die sich hier einmischen. Oder es drohen Sanktionen, es droht der Ausschluss. Ohne Wenn und Aber.

Nun könnte man einwenden, es gab schon Schlimmeres, als russische und belarusische Sportler in Sippenhaft zu nehmen. Die Spiele etwa 1936, von Nazis organisiert. Selbst da freilich wurden politische Zweifel in den Wind geschlagen. Man könnte aber auch argumentieren, dass Olympische Spiele am besten überhaupt nicht fragwürdig sind. Dass sie am besten überhaupt nicht politisiert werden. Ich weiß, das klingt ein bisschen naiv. Aber was, wenn nicht ein Funken Hoffnung, soll denn das Erbe des antiken Wettkampfs schützen?

Man könnte sich darauf verständigen, dass nur Staaten Olympia-Gastgeber sein dürfen, die lupenreine Demokratien sind. Also Völkerrecht und Menschenrechte achten. Drinnen wie draußen. Ohne Interpretationsspielräume. Dann würde die Schar der Nationen, die Olympischen Spiele aussrichten, ziemlich ausgewählt. Gut so. Und die Athleten, die dorthin fahren würden, würden schon damit ein Statement abgeben. Man könnte die Sportler abseits nationaler Zugehörigkeiten ernstnehmen.

Letzter Einwand dagegen: die Sportler lassen sich von den Systemen sponsern (weswegen das IOC ja hier ins Schwimmen gerät). Das gilt dann allerdings auch für so sämtliche Staaten. Die meisten Athleten können gar nicht aus eigener Kraft zu Hochleistungen kommen. Jedenfalls nicht Kraft eigener finanzieller Verhältnisse. Dort hilft die Kreml-Armee, da das chinesische Militär oder die Bundeswehr. Wer Sportlern daraus einen Strick drehen will, kann es. Oder er gesteht allen großzügig zu, das nicht in die Waagschale zu legen.

Vielleicht ist es aber auch so, dass für alle Zeiten der Sport politisch ist und Politik Sport bleibt. Dann wiederum könnte man konsequenterweise Olympia dichtmachen. Könnte das IOC Insolvenz anmelden. Das wäre der andere Weg, um aus den Verlogenheiten der reklamierten olympischen Idee herauszufinden, die mittlerweile von allen möglichen Richtungen in den Dreck gezogen wurde und wird. Irgendwie jedenfalls wäre es der Aufrichtigkeit dienlich, wenn Sportler wüssten, woran sie sind, wenn sie jahrelang trainieren.

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