Gedanken zum Leben nach dem Arbeitsleben. Soviel vorweg: Alle Ehre den Ehrenämtern. Dass für soziales Engagement aber nichts bezahlt wird, ist nichts weniger als ein gesellschaftspolitischer Skandal. Will man uns für dumm verkaufen?

Ich hatte mal einen Kollegen.
Der wurde in einer Kette freier Tage von einem Freund angerufen.
Der Freund fragte:
„Was machst du so?“
„Nichts“, die Antwort.
„Nichts?“
„Ja, nichts. Ich mache nichts.“
Der Kollege spürte, wie sich am anderen Ende innere Empörung aufbaute.
Schockiertheit, Unverständnis.
Fassungslosigkeit.
Warum eigentlich?

Ich bin dieser Frage nicht nachgegangen, als mein Jobende nahte.
Vielmehr sah ich in die fahlen, grauen Gesichter derer, die vor mir gingen.
Und, wie man so sagt, im Nu abbauten.
Nur das nicht. Auf keinen Fall.
Dachte ich mir.
Du fällst nicht in dieses Loch.
Du suchst dir eine Aufgabe.
Eine Herausforderung.
Bloß nicht diese unbeackerte Leere.
Dieses ungefüllte Dasein.
Dabei lauerte mir allerdings erneut diese Frage auf:
Warum eigentlich?
Warum eigentlich nicht nichtstun?

Von wegen.
Heerscharen von Medizinern warnen.
Schmeißen Studien auf den Markt.
Danach steht auf Nichtstun die Todesstrafe.
Wer nichts tut, stirbt früher.
Schlimmstenfalls sofort.
Eine schlimmere Drohung gibt es nicht.
Und so werden Lösungen en passant mitgeliefert.
Allem voran das Ehrenamt.
Soziale Beweglichkeit. In jeder Hinsicht.
Kleiner Haken: Zum Nulltarif.
Wem das nicht passt?
Wird Opfer einer anderen Geißel.

Millionen alter Menschen rätseln.
Fallen wie Heuschreckenschwärme über Sudoku her.
Wenigstens den Kopf in Schuss halten.
Wahlweise Gespräche bei ausgedehntem Lunch.
Kamerad, weißt du noch?
Museum per Senioren-Ticket.
Fitnesskurse gegen Muskelschwund.
Malworkshops, Busfahrten ins Grüne.
Clown bei Kindergeburtstagen.
Und, falls die Frage kommt, was man mache:
Immer eine gute Antwort parat haben.
Nichtstun ist eine schlechte Antwort.
Die schlechteste.

Ich übe mich gerade darin, mich aus dieser Falle zu befreien.
Gar nicht so einfach.
Denn ich verbringe viel Zeit in einem kroatischen Dorf.
Dort stricken und häkeln Alte nahezu geschlossen gegen die schlechteste Antwort an.
Nach Weihnachten ist vor Weihnachten.
Dazwischen Ostern, Pfingsten, andere Feste.
Wir haben eine Aufgabe!
Eine Herausforderung, hurra!
Unser Dorf soll schöner werden.
Wir lassen uns nicht hängen!
Wer nicht strickt und häkelt, wird blöd.
Wer will das schon?
Also, wir nicht!

Irgendwie spornt das an.
So oder so.
Jeden Tag, oft auch nachts, denke ich über Aufgaben nach.
Über Herausforderungen.
Was ich so wert wäre, wenn ich einfach die Füße hochlege.
Welches die Währung für Respekt ist.
Ob Hamsterrad ewig sein mag.
Schluss mit lustig ist, wenn man kein Ehrenamt will.
Oder sich sonstwie die Beine ausreißt.
Und wenn ja, warum Rentner:innen nicht anständig dafür bezahlt werden.
Ob alles für lau die Altersparole ist.
Während der Staat unsere Millionen verpulvert
Für dämliche Projekte.
Etwa fürs Basteln neuer Panzer.
Oder als Steuersubventionen für Millionen-Unternehmen.

Neulich kam mir eine Idee.
Mein unstillbarer Alterswahnsinn.
Revoluzzertum 60+!
Was wäre, wenn wir alle Ehrenämter hinschmeißen?
Workshops, Fitnesskurse, Lunches, Busfahrten:
Einfach boykottieren!
Kein Geld, keine Lust.
Auch nicht auf Beschäftigungstherapie.
Nicht auf Senioren-Teller.
Und nicht auf Heizkissen-Geschwafel.
Was wäre, wenn wir die Sudoku-Verlage ausbluten?
All den Hokuspokus.
Um Aufgaben, Herausforderungen.
Wenn wir drauf pfeifen.
Auf den Segen von Politik und Wirtschaft.
Samt der Wissenschaft.

Trinken wir stattdessen was.
Legen uns in die Hängematten.
Gehen im Meer baden.
Sonnen uns an Stränden und auf Felsen.
Kochen lecker zu Hause.
Schauen ansonsten in Luft, lesen.
Malen uns Träume an den Himmel.
Machen Nickerchen.
Bleiben vor allem entspannt.
Und sterben ein bisschen früher.
Bis auf Weiteres.
Bis mal Kohle fließt für die Kohlen.
Die wir aus dem Feuer holen sollen.
Bis uns die Kräfte endgültig ausgehen.
Scheiß auf die Ehrennadel vom Bundespräsidenten!
Der noch nicht mal das Grab bezahlt.
In die Kiste geht es sowieso.