Kürzlich kam ich auf die Idee Menschen zu googeln, die ich einmal kannte. Menschen aus meiner Zeit nach dem Abitur. Interessante Menschen. Damals und – vermutlich – auch heute. Solche, die schon ehedem Ecken und Kanten hatten, ein bisschen verrückt waren, bestenfalls auch so etwas wie Charisma hatten. Aus denen teils Prominenz erwuchs. Oder die irgendwo mehr oder weniger sichtbar ihr Leben fanden. Ob glücklich, weiß ich nicht.
Jedenfalls fiel mir auf, dass ich nach einer gewissen gemeinsamen Zeit den Kontakt zu ihnen verloren hatte. Ich hatte ihn auch nicht halten wollen. Es sind Menschen, mit denen ich streckenweise Interessen teilte und pflegte. Mit denen ich neben dem Studium jobbte. Und oder oder die Freizeit verbrachte. Mit denen ich meinen Spaß hatte, die ich in ihrer Art bisweilen bewunderte, bisweilen aber auch argwöhnisch betrachtete.
Von denen ich, wie auch immer, nach ein paar Jahren Abschied nahm. Nicht förmlich. Sondern unausgesprochen. Unsere Bekanntschaften oder Freundschaften versickerten in den Wegen, die uns zunehmend oder plötzlich trennten. Wir wandten uns neuen Dingen zu. Und mithin neuen Menschen. Aus der Suche jedes Einzelnen wurde dies und das. Wurden Familien, Berufe, Berufungen. Einzelgänger oder solche, die Gruppen mochten.
Für mich war es stets so, dass ich aufgeschlossen war und dort Anschluss übte, wo ich mich gerade besonders gut aufgehoben fühlte. Aber ich trauerte nicht oder kaum um Menschen, die ich hinter mir ließ. Ich akzeptierte die Wanderschaft. Das landen an immer neuen Ufern. Ich freute mich darüber, wenn ich neue Menschen kennenlernte, weiterkam. In persönlichen Bindungen und dem, was mich zunehmend beruflich band.
Auf diese Weise blieb mir wenig, was hielt. Nicht mehr als eine Handvoll Menschen, die mich bis heute auf die ein oder andere Art und Weise begleiten. Aber mehr als eine Handvoll, die Zeit für Zeit hinzukamen. Alles in Allem ein Kaleidoskop dessen, was man sich wünscht oder was einen flüchten lässt, was einen läutert oder was einen erschreckt. Was aber nach wie vor bleibt, sind Erinnerungen an schöne Momente und Begegnungen.
Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke. Dieses Zitat aus dem Roman „Ansichten eines Clowns“ von Heinrich Böll schwebt seit eh und je, so glaube ich, über meinem Dasein. Einige Augenblicke freilich dauerten Jahre, Jahrzehnte. Das sind natürlich die wundervollsten Augenblicke. Deren Haltbarkeit sich ewig anfühlt. Die mir gezeigt haben, was Vertrauen und Zuneigung bedeuten. Die mich geerdet haben. Über Veränderungen hinaus.
Man darf all diese Augenblicke – die kurzen, vergänglichen, die zur Erinnerung werden, und die, die bleiben – schätzen. Darf sich spiegeln, auch im Schmerzhaften. Man darf Vergänglichkeit anerkennen. Und was im Herzen ist, im Herzen behalten. Man darf neue Augenblicke sammeln; schauen, wohin sie führen. Neue Zuversichten schöpfen. Man darf allem, was berührt, eine Chance geben. Man darf auf sich achten. Und auf andere achtgeben.
Nicht immer gelingt das Achtgeben. Auf sich. Und auf andere. Bisweilen wird man Opfer von Unzulänglichkeiten. Bisweilen ist man selbst unzulänglich. Oder ungnädig. Und nicht immer macht es Sinn, Gräben zuschütten zu wollen. Sie reißen häufig auf, wo es Gründe gibt. Nicht immer macht Versöhnung Sinn. Nicht immer ist der Irrtum ein Irrtum. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen, ließ Theodor W. Adorno einst wissen.
Doch wo es sich richtig anfühlt, fühlt sich, auch wenn Gräben aufgerissen wurden oder aufgerissen sind, Versöhnung gut an. Es fühlt sich gut an, nicht im Falschen das Richtige zu suchen. Oder das Falsche als das Richtige verkaufen zu wollen oder zu verkaufen. Das Auf-Richtige ist schonmal eine gute Basis. Auch wenn Aufrichtigkeit manchmal schwerfällt. Sie ist der Schlüssel zur Tiefe von Freundschaften und Beziehungen.



Hinterlasse einen Kommentar