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Falken und Tauben

Dieser Tage habe ich nochmal den Film Thirteen Days von 2001 gesehen. Mit Kevin Costner. Es geht um die Kuba-Krise 1962. Damals steuerte die Welt auf einen Atomkrieg zu. USA versus Sowjetunion. Ich spare mir Einzelheiten. Es ging aber im Wesentlichen um eine Frage: Falken oder Tauben. Militär oder Diplomatie. Angriff oder einen, wenngleich militärisch flankierten, Weg der Worte. Aggression oder Abwendung eines nukleraren Desasters. Am Ende setzte sich Kennedy durch. Mit Druck und zugleich Zugeständnissen. Einige inoffiziell. Moskau lenkte ein. Ansonsten wäre die Welt vermutlich endgültig aus den Fugen geraten.

Was folgte war der Kalte Krieg. Das so genannte Gleichgewicht des Schreckens, das den Erdball vor dem Schlimmsten bewahren sollte. Auch hier verkürze ich. Überspringe Konflikte, die das Gleichgewicht immer wieder mal ins Schwanken brachten. Mit dem Scheitern der Diktaturen in Europa (Spanien, Griechenland, Portugal), dem Zerfall der UdSSR, dem Ende der DDR und der deutschen Wiedervereinigung jedenfalls konnte man langsam das Gefühl bekommen, dass sich insgesamt eine friedlichere Welt bauen ließe. Angefeuert von demokratischen Bewegungen, die die Finger in viele gesellschaftlichen Wunden legten.

Seit ein paar Jahren ist es damit vorbei. Nach Aufbruchstimmung in vielen osteuropäischen und westlichen Ländern wachsen meine Zweifel, dass die Tauben die Falken ein für allemal von der politischen Bühne vertrieben haben. Die Konfrontationen nehmen zu, die Bereitschaft, sie friedlich zu lösen, nimmt ab. Stattdessen brechen sich, das ist zu beobachten, wie ein Fluch beseitigt geglaubte Muster der Auseinandersetzung Bahn. Charakteristisch ist ihnen ein neuer alter militärischer Sound. Statt Weltoffenheit sprießen wieder Unversöhnlichkeiten, Intoleranz, Drohgebärden. Statt friedlichem Diskurs wächst die Gewalt.

An welchem Punkt die Zäsur stattgefunden hat, ist schwer auszumachen. Wahrscheinlich waren es eine Reihe von Entwicklungen, Institutionen und Personen, die verantwortlich sind. Islamistische Terroristen. Die NATO. Putin. Trump. Eine längst heillos zerstrittene Europäische Union. Die Vereinten Nationen, über deren Rolle man zunehmend rätseln darf. Wenn sie denn überhaupt noch eine gewichtige Rolle spielt. Vielleicht wurden alte Gräben nur verdeckt, nicht aber zugeschüttet. Vielleicht haben einige nur darauf gewartet, einem friedlicheren Miteinander den Garaus zu machen. Friedlich geht es jedenfalls nicht mehr zu.

Was auffallend ist: Im gleichen Maße, wie es im wahren Wortsinn wieder kriegerischer zugeht, wachsen allenthalben die politischen und kulturellen Chauvinismen. Im gleichen Maße, wie das Militärische wieder zum favorisierten Mittel der Konflikt“bewältigung“ wird, werden Hass und Hetze, Nationalismus und Rassismus, Egoismus und Ausgrenzung wieder zu Probaten Instrumenten gesellschaftlichen Streits. Rechtskonservative und rechte Strömungen verschärfen sich in dem Maße, wie unter Staaten Bajonette aufgepflanzt werden. Die Falken, die vertrieben schienen, schwingen sich erneut gegen die Tauben auf.

Die Falken, das sind diesmal jene, die alle Waffen scharf stellen. Die Waffen, die sich, wie auch immer, gegen die Menschlichkeit richten. Gegen Rechtsstaat und Demokratie. Die Falken sitzen in Regierungen und Parlamenten. Sie kapern soziale Netzwerke und die Köpfe der Menschen, die Wege aus ihrer Not suchen. Die Falken rüsten die Sprache auf. Und stellen sie dann scharf, wenn es darum geht, die Eskalation auf Teufel komm raus zu betreiben. Nach der Sprache werden die Fäuste geschwungen, dann wird das ganze bedrohliche Arsenal ausgepackt. Ohne Rücksicht auf Verluste, noch nicht einmal die eigenen.

Es ist beängstigend, wie schnell das geht. Auch in Europa. Wie schnell sich da gegenwärtig alte Hoffnungen in neues Erschrecken transformieren. Wie schnell plötzlich alles, was einmal zum zivilisatorischen Fortschritt gehörte, über Bord geht. Wie schnell jene kriminalisiert werden, denen der Fortbestand der Welt am Herzen liegt. Und wie schnell jene legitimiert werden, deren Stimmen für lange Zeit zumindest in den Hintergrund gedrängt wurden. Plötzlich weht ein Wind, der früher einen gewaltigen Sturm der Entrüstung geerntet hätte. Auch gegen diesen Klimawandel müsste man sich auf die Straße kleben, zu Abermillionen.

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