Es ist nicht einfach, Bücher zu finden, die in Istrien spielen. Jedenfalls nicht, wenn es um deutschsprachige Literatur geht. Ein Freund half mir auf die Sprünge. Und die haben – hier – zwei Namen: Silvija Hinzmann (Der Duft des Oleanders), Richard Swartz (Ein Haus in Istrien). Die beiden Bücher – und Autoren – sind, um es gleich vorweg zu sagen, nicht vergleichbar. Im Genre nicht. Das eine Krimi. Das andere ein, was die Krimis von Silvija Hinzmann nicht schmälern soll, hintergründiger Roman. Der hat zwar auch etwas krimieskes, ist aber vor allem eine tief in der Historie der kroatischen Halbinsel verwobenes Buch, eine Wahnsinnsgeschichte, hinter der sich mehr als dieser fette Mond von Istrien steckt.

Was beide Bücher gemeinsam haben: Ich fühle mich, mittlerweile, ein stückweit in den Geschichten zuhause. In den Bildern, den Orten, den Beschreibungen von Leuten und Landschaft. Das macht den Krimi wie den Roman in vielerlei Hinsicht attraktiv. Ich mag es, meine Umgebung im Geschriebenen und Geschilderten wiederzuerkennen. Die Bücher reflektieren, was ich erlebe und zu erkennen glaube. Und sie schenken mir Erkenntnisse über das neue Leben, in das ich hier in Istrien eingetaucht bin.
Immer wieder, das gebe ich zu, frage ich mich, ob ich hier richtig bin. Ob ich mich hier auf die Dauer aufgehoben fühlen kann. Ich, der ich die kroatische Sprache nicht verstehe und nicht spreche. Ich, der ich ohne Mirjana Mijic an meiner Seite aufgeschmissen wäre. Der überlegt, wenigstens Italienisch zu lernen, das hier neben kroatisch nahezu gleichberechtigt existiert und gepflegt wird. Zweite Amtssprache ist, auf Verkehrsschildern neben den kroatischen Namen der Orte steht. Der Istrien freilich schon aus der Kindheit kennt.
Das war (und ist) denn auch der Grund, weshalb es mich, uns, hierhin verschlagen hat. Mirjana, weil sie Kroatin ist und Kroatien liebt. Mich, weil ich irgendwie eine Affinität zu Istrien habe (und die Kvarner-Region). Ohne dass ich sie beschreiben könnte. Ich war mit meinen Eltern oft in Vrsar, dann auf Losinj. Auch später, als Student. Bin viel durch die Welt gereist. Und nun hier gelandet. Ein Haus gekauft. In Bale. Einem bezaubernden Ort. Der im Sommer aufblüht. Den Winter verschläft. Der schöne Seiten hat und Kehrseiten.
Diese Ambivalenzen beginne ich zu erkunden. Bisweilen staunend. Dann wieder kopfschüttelnd. Und diese Ambivalenzen spiegeln sich, zurück zu den beiden Büchern, auch bei Swartz und Hinzmann; jeweils auf ihre Weise. Die Charaktere, die auftauchen, wirken auf mich bekannt. Ich schmunzele. Lerne hinzu. Komme durch beide Bücher dem näher, was mir schon ein bisschen nahe ist. Beide Bücher helfen mir, meine Sympathien zu vertiefen und – ja – die schwierigen Seiten nicht schwerer zu nehmen, als sie sich bei mir einschleichen.
Der Roman von Swartz handelt von der Besessenheit eines Mannes, der sich in ein Haus in Istrien verguckt hat. Der um jeden Preis dieses Haus haben will. Ein Fremder, wie ich. Es ist eine Ehe- und Liebesgeschichte. Eine Geschichte von Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit. Komisch. Kurios. Verstörend. Anziehend. Richard Swartz ist heute 77. Schwede. Lebt mit seiner Frau, der kroatischen Schriftstellerin Slavenka Drakulić, in Stockholm, Wien, auch in Istrien. In Sovinjak. Er weiß, worüber er schreibt. Und das in jeder Zeile spannend.

Spannend geht es auch in den Istrien-Krimis von Silvija Hinzmann zu. Ihr Protagonist ist Joe Prohaska. Ein Ex-Polizist aus Stuttgart mit deutsch-kroatischen Wurzeln. Der in Kloštar nahe Rovinj, wenige Kilometer von Vrsar entfernt, ein Haus gekauft hat. Und der stets aufs Neue in Verbrechen verwickelt wird. Mal als Ratgeber der örtlichen Polizei, mal als unfreiwilliger Helfer bei den Ermittlungen. Mal als jemand, der nach einer Schussverletzung seinen Beruf an den Nagel hängel wollte, und es dann doch nicht lassen kann….
Auch ich kann es nicht lassen, mich immer wieder in die Kriminalfälle hineinzugraben. Denn auch dort spielen Menschen eine Rolle, die nicht fern sind von denen, die ich hier sehe, erlebe. Auch sie, Kunstfiguren und doch wieder nicht, weiten meinen Blick. Und immer kippt das Szenario. Vom Wunsch, einfach das Leben zu genießen, zum Schicksal, in etwas hineingezogen zu werden. Das man so nicht wollte. Dem man sich aber auch nicht entziehen kann. Auch hier sind wieder diese Ambivalenzen zu spüren, die Istrien prägen.
Beide Bücher, so kann man es, ohne sie direkt zu vergleichen, beschreiben, werfen auf ihre Art und Weise Licht auf ein Land, das sich heute mehr denn je im Umbruch befindet. Einen Landstrich mit bewegender Geschichte. Dessen Bewohner und ihre Wesenszüge ohne diese Geschichte nicht zu verstehen sind. Die verhaftet sind in dem, was ihre Vorfahren erlebt, erduldet, angestellt haben. Die einerseits alten, fragwürdigen Traditionen verhaftet sind. Sich andererseits im Aufbruch befinden. In eine europäische Welt, die bislang nicht die ihre war.

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