Liebe Blog-Besucher. Ich entschuldige mich schon vorab, dass ich mal eine andere Sichtweise bemühe, als die, mir Russland, den Kreml und Putin in Sachen Ukraine vorzunehmen. Dass ich den Blick, nur mal ganz kurz und dann ganz lange Zeit nicht mehr (versprochen!), auf Selenskyi lenke. Der ja auch – oder etwa nicht? – ein Kriegsherr ist. Der zumindest überall, wo er auftritt, nicht um Friedenstauben, sondern um klirrendes Kampfgeschirr bittet. Ich habe mal gelernt, dass man sich mit keiner Sache gemein machen soll, nicht einmal mit einer guten (Hanss-Joachim Friedrichs, ehemals Tagesthemen-Moderator). Um nicht den Absprung zu verpassen, wenn das mit der guten Sache mal aus dem Ruder zu laufen droht. Das tue ich hiermit. Verteufele und verurteile Putin, den ich zur Hölle wünsche, und den Kreml. Ohne Selenskyi, pardon, zu schonen.
In dem Land, in dem ich gerade etliche Zeit meines Lebens verbringe, fahren wahnsinnig viele SUVs rum. Viele dieser frisch gewaschenen und hochglanzpolierten SUVs tragen ukrainische Kennzeichen. Hinter den Lenkrädern kleben zumeist Männer zwischen 30 und 50 Jahren. Die eigentlich, so sieht es ihr Präsident Selenskyi, für ihr Land Krieg führen müssten. Nun, würde ein Ex-Kollege von mir sagen, der unverbrüchlich an der Seite der Ukraine steht: Auch reichere Ukrainer haben das Recht auf Flucht (mit ihren Angehörigen).
Das ist wohl richtig. Andererseits: Wenn schon wir so unverbrüchlich an der Seite der Ukraine stehen (sollen), warum tun es dann nicht die Untertanen von Selenskyi? Dieser Tage ist, etwa bei ntv, zu lesen, dass die ukrainischen Behörden hunderte Rekrutierungsbüros durchkämmt haben. Um jene dingfest zu machen, die sich dem Dienst an der Waffe zu entziehen versuchen. Via Korruption und gefälschten Attesten. Die sie zum Beispiel als Menschen mit Behinderungen ausweisen. Während ihre Landsleute verwundet und getötet werden.
Das ist ja eine schöne Solidarität. Könnte man meinen. Sich, weil man ausreichend Geld hat, aus dem Staub des gerechten Krieges zu machen. Man könnte aber auch, wohlwollend, denken: Vielleicht haben ja die, die das Geld haben, auch ein bisschen Bildung genießen dürfen, und besitzen Verstand. Und mithin Verständnis für ein gewisses Maß an Unverständnis, dass es zwar eine von Selenskyi großangelegte Kriegsagenda gibt. Aber so gar keine Friedensagenda. Und dass es deswegen besser ist, die Heimat erstmal zu meiden.
Zumal auch innerhalb der Ukraine, nachlesbar, die Kritik an Selenskyi und seinen Leuten wächst. Daran, dass sie das Land mit unvermindertem Durchhaltewillen auf die Schlachtfelder treiben. Und so gar keine Lust auf Verhandlungen, Kompromisse, internationale Vermittlungen haben. Und daran, dass das Ganze zunehmend durch ein Zerbröseln von Rechtsstaat und Demokratie in der Ukraine flankiert wird. Natürlich nur für diese schreckliche Zeit jetzt, so die, die das tun. Nur für diesen Moment, der eine gewisse Härte fordert.

Kritiker freilich haben die Befürchtung, dass Selenskyi aus dem Werben für immer schlagkräftigere Waffen. Und für das auf Eis legen rechtsstaatlicher und demokratischer Gepflogenheiten. Dass jener Selenskyi, der Luft nach oben ausschließlich in internationaler Kampfbereitschaft sieht, eines Tages Gefallen an diesen autokratischen Zügen finden könnte. Mit dem Argument, dass nach dem Krieg (falls das je der Fall sein sollte) immer vor dem Krieg ist. Und dass es deshalb am Besten sei, man ließe alles so wie es jetzt ist.
Kritiker in der Ukraine selbst sind mittlerweile diejenigen, die anders als die übrige westlich-demokratische Welt, ein bisschen vorsichtiger geworden sind mit dem Fähnchen schwenken. Die den Aggressoren Putin mitsamt seinen verbrecherischen Großmachtsfantasien zu Recht vom Erdball gefegt sehen wollen. Die sich aber zugleich nicht zum Spielball eines Mannes machen lassen möchten, der von Beginn an so gar keinen Hang zu einer Lösung des Konflikts außerhalb eines kriegerischen Sieges erkennbar machte.
Womit wir wieder bei den SUVs und den Anti-Korruptions-Razzien wären. Ich, der ich anfangs noch etwas verwirrt auf die ukrainischen Männer zwischen 30 und 50 hinter ihren Lenkrädern schaute. Weil ich ihnen bösartig unterstellte, sie würden sich verdrücken, während ihr Restvolk das letzte Hemd und Blut für ihren Stolz gäben. Ich bin nun gnädiger. Weil auch ich, mit den Kritikern in der Ukraine, die Befürchtung hege, Selenskyi (und mit ihm die Bidens und Baerbocks) könnten sich allmählich irgendwie verrennen.
Und selbst den kleinsten und unfairsten Korridor für einen Weg aus dieser Zerstörung, Vernichtung, dem tausendfachen Tod nicht nur von Soldatinnen und Soldaten, auch von alten Menschen, Frauen und Kindern übersehen. Vielleicht wäre ja so ein völlig unfairer Weg besser als ewiger Krieg. Als das Ausmerzen ukrainischer (und, ja, auch russischer Kulturen, denen der Krieg nicht immanent ist) ins Uferlose zu treiben. Für diesen Gedanken sind mittlerweile auch die SUV-Fahrer gut, denen ich begegne. Irgendwie mag ich sie gerade.

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