Der ukrainische Präsident fordert immer mehr Waffen von den USA und Europa. Und immer schwereres Gerät, um den kriegerischen Verbrechen Russlands entgegenzuwirken. Die schwerste rhetorische Waffe hat Wolodymyr Selenskyi nun selbst ins Feld geführt. Putin gleich Hitler. So wie der deutsche Diktator werde auch Putin neben der Ukraine andere Staaten angreifen. Und übermorgen womöglich die ganze Welt. Es hatte gedauert, bis der Westen ehedem begriff, was Hitler vorhatte. Und dass er es ernst meinte mit der, am liebsten vollständigen, Arisierung des Erdballs. Deutschland über alles…
Damit das nicht noch einmal geschehe, so Selenskyi, müssten die im Geiste mit der Ukraine Verbündeten, schneller realisieren, was Putin vorhabe. Und die Ukraine weiter und rascher und gewaltiger aufrüsten, bevor die Welt komplett in russische Hände falle. Der Vergleich Putins mit Hitler, so das offenbare Kalkül des Oberbefehlshabers in Kiew, sollte auch den letzten, der noch Zweifel an der Notwendigkeit immenser ukrainischer Schlagkraft hat, aufrütteln. Putin gleich Hitler, wer will da noch von Verhandlungen träumen?
Die Rhetorik Selenskyis entfernt sich immer weiter von dem Gedanken, der Krieg, den Russland angezettelt hat, lasse sich noch über Gespräche zu einem wie auch immer gearteten Stillstand bringen. Und weil Selenskyi daran nicht glaubt oder glauben will, sollen es auch die anderen, die durchaus wohlwollend die Verteidigungslinien und Abwehrangriffe der Ukraine stärken, nicht glauben. Putin gleich Hitler, das ist eine Formel, die keine politischen Spielräume lässt. Die die vernichtende Kapitulation will.
Putin gleich Hitler, das ist, so viel Wahrheit und Klarheit muss sein, ein Totschlagsargument. Will heißen: Entweder nimmt man den Vergleich ernst. Dann muss der Kreml in Folge seiner Absicht, er sei auf Welteroberung aus, in Schutt und Asche gelegt werden. So wie den Alliierten mit Nazi-Deutschland nichts anderes übrig blieb. Oder man muss sich vorhalten lassen, die Ukraine ans Messer eines zweiten Hitler geliefert zu haben. Das aber kann sich der Westen nicht leisten, weder politisch noch moralisch.
Es gäbe eventuell aber noch eine dritte Möglichkeit. Nämlich Selenskyi beiseite zu nehmen und ihn darauf hinzuweisen, dass solche Vergleiche immer hinken. Auch und besonders im Falle von Putin gleich Hitler. Und dass es weder in den Reden noch im Handeln derzeit einen Hinweis darauf gibt, dass sich Putin etwa Polen oder Lettland, schon gar nicht die ganze Welt einverleiben will. Das ändert nichts an seiner strafverfolgungswürdigen Aggression. Es ist aber Grund, mit Blick auf Tod und Zerstörung einen kühlen Kopf zu bewahren.
Das klingt sehr nüchtern und wenig empathisch. Aber vielleicht ist es ja empathischer, weltkriegähnliche Droh-Szenarien auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Statt sich, von wem auch immer, in weitere militärische Eskalation treiben zu lassen. Der Klügere gibt nach, ist ein dummer Spruch. Und man muss auch nicht auch noch die linke Backe hinhalten, wenn einem auf die rechte geschlagen wird. Vielleicht aber gibt es intelligentere Mechanismen als dem einen den anderen Nationalismus entgegenzusetzen.
Wer Droh-Szenarien a la Selenskyi für bare Münze nimmt, muss die Kehrseite dieser Münze betrachten. Wenn Selenskyi mit der Warnung Putin gleich Hitler und einem durch den Kreml beabsichtigten Weltkrieg aufbegehrt, warum sollte dann der Westen seinerseits waffenklirrende Antriebskraft für einen möglichen Weltkrieg sein? Wenn ein Weltkrieg der worst-case ist, dann ist er es, von wem er auch immer ausgeht. Es gilt also, alles zu tun, damit es nicht dazu kommt. Das allein muss Maßstab des Handels bleiben.

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