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Schwer Zu Formulieren

ich hatte einen Beitrag in der FAZ gelesen. Darin wunderte es einen Redakteur, weswegen sich die Menschen offenbar schwertun, sich per Zeichen, etwa dem Zeigen der Flagge, mit Israel und dem Leid der Menschen dort zu solidarisieren. Anders als mit der Ukraine und den Opfern dort – Toten und Lebenden. Ich hatte versucht, in einem Beitrag zu erklären, warum mir Solidarität via Fahnen und Flaggen schwer fällt. Und darüber zu schreiben, warum mir die Menschen am Herzen liegen. Die Juden in Israel, weil Juden in der Geschichte des Antisemitismus‘ und Hasses seit Jahrhunderten um ihr Leben, ihre Existenz fürchten mussten – und müssen. Die Palästinenser, weil auch ihr jahrzehntelanges Schicksal nicht so einfach zu verkraften ist.

Parallel dazu sah ich eine vierteilige Serie auf ARTE zum Antisemitismus. Eine Serie, die seine Entstehungsgeschichte aufbereitet. Die zeigt, wie sehr sich Antisemitismus seit Jahrhunderten durch die Gesellschaften dieser Welt zieht. Und dass Juden seit Jahrhunderten Opfer einer beispiellosen Hetze und beispielloser Vernichtungszüge sind. Vernichtungszüge des Christentums und Vernichtungszüge unter dem Dach des Islam. Vor diesem Hintergrund und angesichts eindrücklicher Bilder, Erzählungen und Gesprächspartner fiel es mir mehr als schwer, meiner Ansicht, dass zur Solidarität nicht unbedingt Fahnen respektive Flaggen gehören, Ausdruck zu verleihen. Einen Beitrag dazu habe ich wieder nachdenklich gelöscht.

Denn es scheint mir fast unmöglich, in diesen Tagen allen Aspekten des Terrors, Horrors, des Kriegs im Nahen Osten Aufmerksamkeit zu geben. Der Platz zwischen den Stühlen, wie ich es empfand, schien mir zu ungemütlich. Gemütliche Plätze gibt es ohnehin nicht vor dem Hintergrund dessen, was da gerade geschieht. Nur soviel ist bei mir übrig geblieben als Standpunkt, den ich mir gestatte: Ich verachte jede Form von Gewalt, Unterdrückung, Missachtung, Respektlosigkeit unter Menschen. Ich verachte den Terror der Hamas. Und ich verachte es, Palästinensern nicht endlich einen eigenen Staat zu geben, einen Lebensraum, den sie abseits von Extremismus verdient haben. Ich wünsche mir friedliche Nachbarschaft zwischen Israelis und Palästinensern.

Als ich vor einiger Zeit in Tel Aviv, Haifa und Nazareth war, habe ich den Eindruck gewonnen, dass eine solche Nachbarschaft möglich ist. Auf den Wiesen am Meer grillten arabische Familien, tobten jüdische Kinder. An den langen Tischen der Restaurants vor den Hafenhallen in Jaffa saßen die Menschen entspannt beieinander – Menschen mit unterschiedlichen Religionen, Biografien, vielleicht auch mit unterschiedlichen Sichtweisen auf das, was den Nahen Osten bis in die Gegenwart hinein belastet. Ich kann mir vorstellen, dass diese Menschen jetzt gleichermaßen Angst vor dem haben, was in Israel, in Gaza und im Westjordanland gerade an Schrecklichem geschieht. Und dass sie wollen, dass all das endlich aufhört, für immer.

Ich frage mich, ob Fahnen und Flaggen der Angst der Menschen, den Verlusten und den Zerstörungen, ob Fahnen und Flaggen der Sehnsucht nach einem friedlichen Zusammenleben oder nach einer friedlichen Nachbarschaft gerecht werden. Ob es nicht reicht, Menschen zu zeigen, Juden und Palästinenser, die abseits radikaler Bestrebungen aus ihren Reihen, gleichsam verwundbar sind. Ich mag die Neigung zur Sippenhaft nicht – weder im Negativen noch im Positiven. Ich mag sie nicht, wenn wir uns Israel anschauen, und ich mag sie nicht, wenn wir uns Gaza und Westjordanland ansehen. Wenn ich den Menschen nicht zutraue, einen Weg aus der Spirale der Gewalt zu finden, habe ich ihr Vertrauen nicht verdient. Das ist mein Flagge zeigen!

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