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Solidarität Und Anmaßung

Wo hört Kritik auf und beginnt Anmaßung. Das muss gefragt werden dürfen in einer Debatte, die mehr und mehr Facetten annimmt. In der Debatte nämlich um das, was sich derzeit in Israel, Gaza und dem Westjordanland abspielt. Auch, und das erlaube ich mir allem antideutschen Unsinn zum Trotz, in der wie nie zuvor entflammten Antisemitismusdebatte. Die wichtig ist, weil es wie kaum zuvor um das Existenzrecht Israels geht. Um das Existenzrecht der Juden in dieser Welt. Das auf Grund des Hamas-Terrors und seiner unerträglichen und politisch verheerenden Ausläufer wieder einmal brutal angegriffen wird und ins Wanken gerät.

Das muss gefragt werden dürfen in einer Debatte, in der es auch um die Frage geht, wie denk-totalitär sich Menschen positionieren (sollten). Und was denn – auch und gerade unter dem Eindruck des unerträglichen Terrors der Hamas, aber nicht der Palästinenser – in Debatten dem Existenzrecht Israels und der Juden überall auf der Welt dienlich ist. Und wo sich Menschen in einer Art und Weise in Stellung bringen, die einem Diktat gleicht. Einem Diktat der Worte, das anderen verbietet, zu reden, anwesend zu sein. Und sie in einen Antisemitismusverdacht rückt, sobald sie auch nur die Palästinenser erwähnen. Und in ihnen Menschen sehen.

Einer, der die Grenze zwischen Kritik und Anmaßung aus dem Auge verloren hat, ist Eliyah Havemann. Dem die FAZ dankenswerter Weise, weil alle Positionen, so finde ich, sichtbar werden dürfen und sollten, Platz eingeräumt hat. Der dem US-amerikanischen Senator Bernie Sanders abspricht, ernsthaft für das Leben und die Existenz der Juden zu sein. Weil er in seinem Statement vom 11. Oktober das Leid betont, das der Hamas-Terror für Palästinenser und Israelis bedeutet. Weil er der Hamas vorwirft, auch die Sache der Palästinenser zu Tode zu bomben. Und zugleich Israel nahelegt, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

Darf Havemann das? Sanders einen Standpunkt absprechen, der nicht so ohne Weiteres als antiisraelisch und damit möglicherweise als antijüdisch gelten kann? Er darf das, natürlich. Und er darf auch erbost sein. Und er darf seinen drastischen Unmut über Sanders äußern. Und seinen Unmut, dass anlässlich der Vorstellung von Sanders‘ neuem Buch die SPD-Vorsitzende Esken zugegen sein wollte. Was sie dann nicht mehr war. Das spürbare Timbre allerdings, mit dem Havemann unterwegs ist, die Unterstellungen, die Havemann übt, bieten ihrerseits, sei es auch verbal, den Israelis nicht den Schutz(raum), den sie verdient haben.

Manche Debattenbeiträge, auch der von Eliyah Havemann, polarisieren Realitäten in dem Maße, wie sie einer zweifelhaften Polarisierung Einhalt gebieten wollen. Jeder kleine Ansatz, davon zu sprechen, dass der Terror einer Seite, nämlich der Hamas, das Leid der Juden, aber auch der Palästinenser ins Unermessliche vergrößert, wird schon als Angriff auf die Integrität jüdischer Existenz gewertet und verurteilt. Das legt nahe, dass ein Friedensschluss, bei dem es um die Unversehrtheit der Juden in Israel geht, undenkbar ist. Weil der selbstverständlich auch die Unversehrtheit der Palästinenser zum Inhalt haben muss.

Wer den Juden in Israel (und anderswo) beistehen will, kommt am Beistand für die Palästinenser nicht vorbei. Nicht daran vorbei, die extremistischen Lager auf beiden Seiten ein für alle Mal in die Schranken zu weisen. Dazu bedarf es nicht eines ideologischen Ablasshandels. Dazu bedarf es lediglich der Bereitschaft, die einander wohlgesinnten und Kräfte zu bündeln, an einen Tisch zu setzen. Ohne Unterstellungen. Ohne den perfiden Glauben, die eine Seite wolle die andere unter ihre Ausschließlichkeit zwingen. Sondern im Vertrauen darauf, dass man es gut miteinander meint. Das es Interessen gibt, die miteinander vereinbar sind.

Was Eliyah Havemann betreibt ist, leider, Blaupause für viele. Mit dieser Blaupause könnte man auch Olaf Scholz diskreditieren. Und vieoe andere Politiker, denen man wohl kaum Antisemitismus unterstellen will, wenn sie sich dieser Tage zu Juden und Palästinensern äußern. Auch die Autorin Adania Shibli wird auf eine derart perfide Art und Weise in die antisemitische Ecke gestellt, dass es jedem Demokraten graust. Warum die Buchmesse-Verantwortlichen mitgezogen haben, ist aus Sicht intellektuellen Handelns nicht erklärbar. Nur aus Sicht einer Angst, die geschürt wird, um jeden, der nicht Havemann-like tickt, bloßzustellen.

Man würde Eliyah Havemann mal gern in der Diskussion mit dem Philosophen Omri Boehm, israelischer Jude und deutscher Staatsangehöriger, erleben. Wenn Omri Boehm ihm erklärt, dass jüdisch sein auch demokratisch sein bedeuten muss. Dass es ideal(er) wäre einen Staat zu haben, in dem Juden und Palästinenser unter Regeln der Menschlichkeit und demokratischen Respekts zusammenleben. Also einen Staat Israel, keinen jüdischen Staat Israel, der impliziert, dass andere darin maximal ein Gastrecht haben. Einen Staat, der Juden eine sichere Heimat bietet, für immer, und zugleich Sicherheit für jene, die nicht jüdisch sind.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/was-bernie-sanders-verkennt-juden-zu-toeten-ist-kein-freiheitskampf-19246737.html?premium=0x84be9f6f202c24fa7e8022bd0d0611ef4c554604dc7bf60f97b97ffac5037c98

https://www.deutschlandfunk.de/israel-eine-utopie-philosoph-omri-boehm-uebt-kritik-an-100.html

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