Keine Toleranz für Judenhass. War dieser Tage die Ansage in Gedenken an die Pogromnacht unter der deutschen Nazi-Herrschaft vor 85 Jahren. Eine Ansage auch mit Blick auf die wachsende Zahl antisemitischer Attacken in Deutschland, Europa, der Welt. Auf die Israelfeindlichkeit, die sich dieser Tage auf den Straßen breitmacht. Bei Palästinenser-Demos. Durch Schmierereien an Synagogen. Viele Juden hierzulande haben, so ließ sich deutlich vernehmen, wieder Angst. Vor Ressentiments, Ausgrenzung, körperlicher Bedrohung, ausufernder Gewalt. Im Land der Holocaust-Täter. In dem Land, aus dem viele Juden ehedem kaum lebend mehr rauskamen.
Die besondere Mahnung, in diesen Tagen, ist richtig. Sie ist, das darf man für viele sagen, erdumspannend gemeint – und zugleich ist sie zu kurz gegriffen. Keine Toleranz für Hass. Wäre die bessere Ansage gewesen. Denn der aufflammende Hass gegen das Jüdische und den Staat Israel ist Teil einer neuen Hass-Kultur, die sich, mal offen, mal subtil, mehr und mehr in Gesellschaft und Politik breit macht. Hass wird wieder hoffähig. Als religiös motivierter Hass, als Hass auf andere Ethnien, als Hass auf Diversität und Gendern, als Hass auf Ausländer, Flüchtlinge, als Hass auf das, was man nicht kennt und nicht kennen will. Als Hass auf alles Fremde und Andere, auf alle Fremden und Anderen.
Es kommt nicht von ungefähr. Und es ist nicht Zufall, dass mit dem wieder aufflammenden Hass im Nahen Osten, mit dem aus seinen Verstecken kriechenden Antisemitismus in Deutschland, der neue striktere Kurs gegen Migranten einhergeht. Die AfD macht im Bundestag vor, wie das geht. Diese Brücke zu schlagen. Wie es geht, gleichzeitig gegen Antisemitismus und gegen Ausländer zu sein. Sich für die jüdischen Mitbürger und gleichzeitig gegen Flüchtlinge in Stellung zu bringen. Und Hass gegen Hass zu stellen. Den einen Hass gegen Juden zu verurteilen. Und zugleich einen neuen Popanz ins Feld zu führen. Den Flüchtling, der auf seine Weise raffgierig sei.
Man braucht also nur das Objekt seines Hasses auszutauschen. Die ungeheuerlichen Vorwürfe, die ehemals dazu führten, dass sechs Millionen Juden ermordet wurden, können in modifizierter Form stehen bleiben. Dazu noch ein bisschen Überfremdungsgeheul, Ausnutzung unseres ohnehin belasteten Sozialstaats, biografische Flucht-Lügen, nomadisierende Unterschlupf-Mentalität unter dem Mantel der Schutzsuche. Fertig angerührt ist die Backmischung der Rechten. Und irgendwie schmeckt der Kuchen auch denen, die Juden schützen (wollen) – und zugleich eine Verschärfung der Migrationspolitik betreiben, die geeignet ist, den Judenhass subtil umzulenken.
Denn wer derartige Geschütze gegen Migranten auffährt wie es derzeit die Bundesregierung tut, unter der ächzenden Begleitmusik der Kommunen, impliziert, dass viele, die vor den Toren Europas stehen, gar kein Recht auf unseren Schutz haben. Dass sie Schmarotzer sind. Dass sie versuchen, aus gefälschter Not an unserem Wohlstand, unserer Demokratie teilzuhaben. Da ist es dann nicht so wahnsinnig weit, zu denken, wer zu unrecht Hilfe bei uns sucht, darf auch ruhig, wenn es der Abwehr der Flüchtlingsströme dient, ein bisschen gehasst werden, auch ein bisschen mehr. Und wen man hasst, den darf man ruhig auch Lagern überlassen, in Tunesien oder so.
Wer dieser Tage kompromisslos für Null Toleranz gegen Judenhass Position bezieht, sollte der Glaubwürdigkeit halber zugleich Null Toleranz gegen Hass insgesamt Position beziehen. Andernfalls muss er sich, irgendwann vielleicht, vielleicht aber auch im Sinne von Nie wieder ist jetzt!, den Vorwurf gefallen lassen, Hass zu teilen. Judenhass entspringt nicht einer Grenzziehung. Er ist Ausdruck einer Gesellschaft, eines Menschseins, die Hass insgesamt als denkbare Haltung dem oder den Anderen gegenüber zulässig oder gar gewollt toleriert. Wie sollten uns gegen einen solchen Hass stellen, wo immer er auftaucht, und damit auch und dieser Tage gegen Judenhass.

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