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Wozu Die Bundeswehr?

Die einzige gute Nachricht fürs deutsche Befinden kam kürzlich aus dem Verteidigungsministerium. Dessen Ressortchef Deutschland für nicht kriegstüchtig hält. So darf man das verstehen, wenn Boris Pistorius meint, dass das Land wieder in der Lage sein sollte, auf den Schlachtfeldern der Welt seinen Teil beizutragen. Auf dem Land, in der Luft, übers Meer. Doch wenn wir nicht für Kriege tauglich sind, warum schaffen wir dann – nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltspolitik der Ampel – die Bundeswehr nicht einfach ab? Irgendwo, so sieht es aus, müssen wir ja ran ans Eingemachte.

Deutsche Armeen haben ohnehin nicht zum Besten beigetragen. Flankenschutz für Kolonialpolitik. Erster Weltkrieg mit diversen Kriegserklärungen. Zweiter Weltkrieg – imperialistisch-faschistischer Überfall auf Alles, was jenseits der Reichsgrenzen lag, inklusive Antisemitismus und der Ermordung von sechs Millionen Juden. Danach heillos missratene Interventionen. In Afghanistan etwa. Das eine Ausfluss von Herrschaftsdrang, Nazi-Hybris und Vernichtungswillen. Das andere Ausfluss politisch-strategischer Orientierungslosigkeit. Insgesamt kann man froh sein, dass neben der Macht auch das Geld zur Neige ging.

Wenn dem so war und ist, warum sollten wir weitere Millionen & Milliarden ins Militär stecken, vor dem andere entweder existenzielle Ängste haben oder den Kopf schütteln. Während die Klima- und Sozialpolitik den Bach runtergeht. Flüchtlinge im Wortsinn zurück in die Wüste geschickt werden, weil angeblich kein Platz da ist. Oder schlechterdings die Empathie fehlt. Und was sollen wir verteidigen, wenn uns keiner im klassischen Sinn angreift. Wir uns selbst den Garaus machen. Parteien wie die FDP haben. Oder die erstarkende AfD. Die Landesverteidigung findet ja zunehmend im Inneren statt.

Da hilft keine Bundeswehr, Herr Pistorius. Da hilft nur eine Courage abseits des Militärischen. Kopf statt Kugeln. Kopflos, so darf man sagen, wirkt überdies auch das internationale Zusammenspiel der NATO. Wem will die Bundeswehr im Zweifel beistehen? Der Türkei, wo ein Autokrat und Oberantisemit regiert. Den Vereinigten Staaten, die möglicherweise bald wieder von einem gefährlichen Politit-Clown geführt werden? Den Italienern mit einer Neofaschistin an der Spitze. Auch in der Allianz sind ja immer mehr Irrläufer unterwegs, fragwürdige Gestalten. Da möchte man besser nichts von einem Beistandspakt wissen.

Dass in der prekären Haushaltsfalle, die nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern deutsche Regierung sich selbst gestellt hat, nicht zuerst die Bundeswehr als Steinbruch ins Gespräch kommt, typisch. Und ein weitere Hinweis, dass es an Einsicht mangelt, in welches Ressort, in welche Vorhaben Geld zu stecken, sich eigentlich lohnt. Auch ein Mehrwert der Militarisierung deutscher Hilfe für andere Staaten ist nicht erkennbar. Weil sich Konflikte derzeit eher hochschaukeln und zugleich Lösungen via Waffengewalt fraglicher werden. Siehe Ukraine. Wir füttern hungrige Regenten, ohne politisch belastbare Perspektiven.

Überall dort, wo militärisch mittel- oder unmittelbar Einfluss zu nehmen versucht wurde oder wird, ist die politische Lage nicht unbedingt besser geworden. In Afghanistan herrschen die Taliban. In Mali greift der Terror weiter um sich. Derweil fühlt sich Erdogan durch die NATO-Mitgliedschaft der Türkei nicht ansatzweise an demokratische Grundregeln gebunden. Frau Meloni möchte Flüchtlinge gern in den Maghreb zurück bomben. Monsieur Trump läuft sich schon für den nächsten amerikanischen Irrsinn warm. Und Selenskyi scheint mir ein Mann, der sich zunehmend in die vermeintliche Kraft des Krieges verrennt.

Wenn es etwas gibt, was die so genannte Selbstverteidigung nötig macht, dann sind es die Terror-Angriffe von links und rechts, vor denen wir uns schützen müssen – und die immer bedrohlicher werden. In den USA, Frankreich, hierzulande. Schützen müssen wir uns auch vor zunehmenden digitalen Feldzügen. Da freilich helfen keine Kampfflugzeuge, neue Panzer-Generationen und Helme. Aber wie kann das eine Bundesregierung erkennen, die permanent zwischen Panik und Selbstüberschätzung pendelt. Sich andauernd vor anderer Interessen Karren spannen lässt. Und immer wieder die gleichen Fehler macht.

Alles gruselige Aussichten. In die hinein der deutsche Verteidigungsminister reklamiert, Deutschland müsse wieder kriegstüchtig(er) werden. Es bedarf schon eines gehörigen Maßes an Realitätsverlust, in Tagen des finanziellen Niedergangs mit derartigen Parolen hausieren zu gehen. Wer das Drama um Deutschlands pekuniäre Beschaffenheit ernst nimmt und nicht typischen Reflexen a la Lindner folgt, der muss Fantasie entwickeln. Die Welt, die derzeit an allen Ecken und Ende aus den Fugen gerät, braucht dringend Visionen. Abseits von allem, was wir bisher zu denken gewagt haben. Vor allem abseits von Militarismus.

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