Ich kenne das ja selbst, wie das ist, als Journalist. Kommentator. Kolumnist. Da hat man sich jahre- oder jahrzehntelang die Seele aus dem Leib geschrieben. Und es hört nicht auf. Man fühlt sich gedrängt und gemüßigt dranzubleiben. Und immer wieder Neues vom Zaun zu brechen. Nur so kann ich mir den Un- auf der Schwelle zum Stumpfsinn erklären, der zunehmend auch Sascha Lobo und seine Spiegel-Kolumnen erfasst. Das tragischerweise in der Antisemitismus-Debatte. Wo den Sascha leider alle guten Geister verlassen. An ihre Stelle tritt der Faketivismus. Womit der Sascha eine besondere Prägung des (woken) Antisemitismus meint. Bei der sich alle bedienten, die jegliche Form von Diskriminierung geißelten – bis auf die Diskriminierung von Jüdinnen und Juden.
Und weil der Sascha ein Mann ist, schwillt ihm da so richtig der Hahnenkamm. Was liegt dem näher als sich in der Antisemitismus-Debatte an den Feminist:innen abzuarbeiten. Weil der Sascha so richtig in Fahrt ist, setzt er irgendwelchem Social-Media-Kram was entgegen?: Social-Media-Kram. Wonach nämlich Angesprochene kein Herz mit den Frauen-Opfern der Hamas, dafür ein Herz für die Hamas hätten. Woher nimmt er das, der Sascha? Aus dem Discount-Regal, wonach Hinweise auf ALLE Opfer in Israel und Gaza irgendetwas vom brutalen Hamas-Terror rechtfertigen? Nee, Sascha. Das ist, ich wälze mich jetzt schon im Staub, billiger Keks, den man sich dieser Tage bei den Lidldudl-Ketten falscher Antisemtismus-Bekämpfer in den Einkaufskorb stapeln kann.
Hat der kluge Sascha, der die Stinkblumen in den Gärten linker Aktivisten beklagt, schon mal mit offenen Augen in den eigenen Garten geschaut? Und an den Blüten seiner eigenen Bigotterie gerochen? Die besagt, dass die ganzen Aktivist:innen, würden nicht israelische Frauen von palästinensischen Extremisten, sondern umgekehrt palästinensische Frauen von jüdischen Siedlern malträtiert, Seen von Tränen vergießen täten. Das ist, sorry, eine Herabwürdigung sowohl der einen wie der anderen Frauen. Aber klar, wer Billigangebote sucht, neigt zum Rechnen und Aufrechnen. Es gibt Linke, die tun das. Es gibt Saschas, die tun das. Und es gibt – dem Abraham von Christen, Muslimen und Juden sei Dank – viele, die tun das nicht. Das aber ist nicht en vogue.
Statt dessen wächst etwas heran, was auf seine Weise en woke ist und zum Himmel stinkt: Das, was der Sascha genüsslich wie dümmlich tut, natürlich darauf hinzuweisen, dass das, was es links an Bigotterie gibt, auch rechts an Bigotterie existiert. Womit die alte wie plumpe Theorie belebt wird, dass links irgendwie gleich rechts ist. Allemal beim Antisemitismus. Und die Wohlfühlzone offenbar dort liegt, wo man sich mit dem Mittelmaß gemein machen und auch aktuell unangreifbar machen kann. Auch wenn dabei ein paar kleine Wahrheiten unter den Tisch fallen. Bei den einen die eine, bei den anderen die andere eben. Bloß nicht die Scheuklappen verlieren. Denn abseits des politisch bequemen Parcours könnte es zwar aufrichtig, aber ungemütlich werden.
Es gibt ein Wörtchen, das die mediokre journalistische Angriffslust von Sascha Lobo mehr entlarvt als jede weitere Zeile seiner verkorksten Kolumnne. Das Wörtchen Überfall. Er schreibt vom Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober, der lautstarke Aktivist:innen als Faketivist:innen offenbart habe. Habe ich richtig gelesen: Der, der unter anderem Feminist:innen vorwirft, das brutale Verbrechen der Hamas zu verharmlosen, nennt den Terror einen Überfall. Hat der Sascha vor lauter Irrungen und Wirrungen die Debatte über dieses Wörtchen, was so viel sagt, nicht verfolgt? Ich würde, wenn ich der Spiegel wäre, mal drüber nachdenken, ob nicht der ein oder andere noch frische Geist ins Kolumnen-Team getauscht werden könnte. Der Sascha baut ab!

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