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Privates Und Politisches

Das „Private ist politisch“. Hm. Weit ausgelegt ja, eng ausgelegt – nicht immer. Vor allem taucht stets die Frage auf, inwieweit denn das Private, das politisch ist, auch unbedingt öffentlich sein oder öffentlich gemacht werden sollte oder gar muss. Bei Kai Wegner, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, ist zwar noch nicht wirklich klar, ob er was mit einer seiner Senatorinnen hat. Aber so wie es die Spatzen von den Hauptstadtdächern pfeifen, dürfte da mehr als nur was dran sein. Und wenn dem so ist, dann ist das nichts, was Kai Wegner hinterm Berg halten kann. Denn in einer derartigen regierungspolitischen Konstellation wäre es unabdingbar, dass 1. die Öffentlichkeit Bescheid wissen muss, und dass 2. das nicht geht und ein Amt kostet.

Der Politikberater Bela Anda, ehemals Sprecher der Bundesregierung, der weiß, wovon er redet, meint, Kai Wegner müsste wohl nicht den Hut nehmen, wohl aber betreffende Senatorin ihren Platz räumen. Alles andere wäre verwunderlich. Und widerspräche der Transparenz, die Politiker so gerne bemühen, wenn es um mögliche Interessenpolitik geht, die allemal auch Personen berührt. Beziehungen am Arbeitsplatz würden zwar vielfach geduldet, doch wenn sie in höhere Etagen reichen, greift bei großen Unternehmen in der Regel ein strenger Verflechtungsindex. Der Berliner Senat ist nun kein Profit-Konzern im klassischen Sinne, aber es gibt auch politischen Profit, der winken kann. Und das ist genauso schlimm.

Der Kai, möchte man meinen, 1972 zur Welt gekommen, hat vom Privaten, das politisch ist, diesem Spruch, der Anfang der 1970er Jahre das Licht der Welt erblickte und seitdem nicht nur ein Spruch ist, via Gnade der späten Geburt nicht viel mitbekommen. Die Diskussion darüber ploppte freilich in den Folgejahrzehnten immer wieder auf. Mal ironisch aufgespießt. Mal mit Hinweis auf den harten Sinneskern ernst genommen und in alle möglichen Compliance-Regeln mehr oder weniger direkt eingeflochten. Dies eingedenk, sollte Kai Wegner wissen, was er tut oder nicht tut. In jedem Fall täte er gut daran, zu sagen, was Beziehungssache ist. Und mit wem. Um gegebenenfalls Schaden von der Berliner Regierung abzuwenden, wofür er ja antrat.

Andererseits würde es nicht wundern, wenn auch bei ihm – wie bei vielen Politikern im In- und Ausland, mit kleinerer oder größerer Reichweite – eine Art Unschuldslammverhalten auftritt. Oder gar die Vorstellung bestünde, eine Beziehung zwischen Regierungschef und einfachem Regierungsmitglied sei nicht anstößig. Sondern würde im Zweifelsfall dem Regieren einen gewissen Schwung verleihen. Weil Politik mit Liebe gewürzt ja eher besser als schlechter sein dürfte. Er weicher, als ungnädiger. Was Wegner, der ein bisschen als Hardliner gilt, ja durchaus einen netten Anstrich verliehe. Aber aller schöner Anstrich, davon können Malermeister ein Lied singen, hilft nicht, wenn es irgendwo blättert oder nicht deckt.

Insofern gilt zwar, dass das Private durchaus politisch sein kann. Aber wehe dem, der glaubt, das Politische sei, in diesen Sphären politischen Handelns und politischer Verantwortung, privat. Gerade in Zeiten, in der die Politik wegen allerlei Verfehlungen auf breiter Front in Misskredit gerät, mal, weil sie im Kern versagt, mal, weil etwa plagiathafte Doktorarbeiten ein schlechtes Licht auf das intellektuelle Selbst werfen, sollte man sich bewusst sein, dass Unterdenteppichkehren keine besonders gewiefte Strategie ist. Sondern eine Disziplin, die sich meist schnell selbst zum Opfer macht. Wie immer das ausgeht, sollte Kai Wegner nochmal ein bisschen in alten Sprüchen stöbern, die, nur weil links angehaucht, nicht falsch sein müssen.

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