Man fragt sich angesichts der vielen Talk-Formate, was denn diese Gespräche überhaupt taugen. Ob mit mehreren um einen eckigen oder zu zweit um einen runden Tisch: Worin liegt der vermeintliche Mehrwert solch ja nicht billig produzierter Polit-Unterhaltung? Im Grunde kann es da nur zwei Antworten geben. Entweder der Zuschauer hat seinen Spaß an Provokation, ausrastenden Gästen und ausgiebigem verbalen Krawall. Oder er wartet inständig darauf, dass irgendetwas aus den Köpfen und Mündern des einen oder der anderen purzelt, was nicht schon längst bekannt ist – oder was man sich ohnehin ohne größere Anstrengungen hat denken können.
Wenn man alles zusammennimmt, was da in den vergangenen Jahrzehnten und jüngst zu sehen gewesen ist, dann erweisen sich die Talks aller Sender weder auf der Zoff- noch auf der Erkenntnisgewinn-Ebene als sonderlich ergiebig. Irgendwie kriegen sich Streithähne am Ende immer wieder doch noch ein (und trinken hernach vermutlich zusammen ein Glas Wein). Und wo man hartnäckig nachhaken, konfrontieren und aus der Reserve locken müsste, huscht meist ein Lächeln des illustren Scheiterns über die Gesichter der Moderatoren und eine weichgespülte Teflon-Geste über die der Gäste. Mit Ach und Krach wetzen fleißige Nebendarsteller das Manko aus.
In der Regel wird denen in Talk-Shows eine Stimme gegeben, die schon ausreichend Gelegenheiten haben, sich mehr oder weniger vernehmbar zu äußern. Politikern, die einem irgendwie nicht ganz unbekannt sind. Die sich quer durch die Medienlandschaft ihre Plätzchen und Plätze gesichert haben. Und die, wenn überhaupt, angreifbar werden durch Sätze, die sie oft im Affekt rausposaunen. Um froh zu sein, wenn sie niemand gehört hat, weil sie in Nebenräumen fielen. Und die allerhand zu tun haben, wenn sie doch jemand vernommen hat und sich daraus ein Skandal entwickelt oder etwas, was andere dafür halten. Und das Herumrudern beginnt.
In Talk-Shows gehen diese Politiker wohlwissend, dass ein (bestenfalls) Millionen-Publikum auf Ausreißer wartet. Da heißt es, auch wenn Streit lockt, die Contenance bewahren. Sich lieber mal vornehm verstecken, wenn Leitplanken bei Themen-Rallyes verloren gehen könnten. Und weil Unklarheiten und Ausflüchte zum täglichen Politiker-Geschäft gehören, fällt das den Gästen meist gar nicht schwer. Dann hat der Moderator mit dem Abspann das Einsehen, dass es mit dem großen Scoop wieder mal nicht geklappt hat. Körperhaltungen rücken in den Fokus statt entlarvter Geisteshaltungen. Nun, besser als gar nichts. Man freut sich über jedes Echo.
Das Dilemma der Polit-Talks, die auch weiche Inhalte streifen, nämlich zwischen Aufsehen, Hineinschauen in die Köpfe der Gäste, sie aus ihren sicheren Gefilden locken, ohne sie zu grillen, ist Machern und Moderatoren bewusst. Und verfliegt oft, wenn das Rotlicht leuchtet. Es ist nur die Frage, warum denn das Ganze. Warum verschleudert man wertvolle Sendestunden, wenn es weder kracht noch wirkliche Aha-Erlebnisse gibt. Selbst ausgebuffte Voyeuristen kommen kaum auf ihre Kosten. Vielen bleiben Krawatten und Frisuren mehr im Gedächtnis, als das gesprochene Wort. Und so wundert es, dass Moderatoren das tatsächlich jahrelang mitmachen und aushalten.
Anders als vielleicht im Hardtalk, wie man ihn von der BBC kennt, haben Politiker und andere Weise nichts in deutschen Talkshows zu befürchten. Und können sich beruhigt zurücklehnen. Oft ist es für intellektuelle Flankierer in den Runden eher gegenseitiges namedropping, das Auftauchen aus den Senken sachkundiger Landschaften. Die Politiker:innen wissen, dass je nach Promigrad auch klügere Mitspieler wieder dorthin verschwinden, woher sie gekommen sind. Dass im Sieb des Talks mediokre Klümpchen zurückbleiben, die am nächsten Tag als souveräne Wehrhaftigkeit gedeutet werden mögen. Das Talk-Team schaut dann schon aufs nächste willkommen daheim.

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