Es liegen wahrhaftig Welten zwischen Deutschland und Frankreich. Seinem Präsidenten Macron, wie derzeit kritische Beobachter nicht müde werden, zu betonen. Und dem ach so spröden Vis-à-vis Bundeskanzler Scholz. Dass die Medien sich so sehr auf Differenzen fixieren, liegt vor allem an dem Keil, der in der Ukraine-Politik beider Länder steckt. Hie die Zurückhaltung, dort eine Perspektive, die westliche Truppen in der Ukraine und eine Verlagerung des Kampfgeschehens von der Ukraine auch auf russisches Territorium mit westliche Waffen nicht ausschließt.
Insofern ist Macron jetzt nicht mein Lieblingspart in Debatten. Bei einem Thema freilich würde ich ihm, wenn es erlaubt wäre, geradezu um den Hals fallen. Macron hob bei seiner Deutschland-Visite nämlich nicht nur am Rande, sondern deutlich vernehmlich hervor, wie sehr aus seiner Sicht eine Allianz gegen rechts in Europa nötig ist. Der Widerspruch gegen jene, die die Demokratie und Europa engreifen. Es sei, so Macron, auch seine Sache, die Idee des Rassemblement National zu demontieren, die Idee also der Partei der erstarkenden Rechtspopulistin Le Pen.
Man erlebe einen existenziellen Moment in Europa, warnte Macron. Eine Faszination für den Autoritarismus. Der Präsident hält nicht mit seiner Sorge zurück: Ich glaube wirklich, dass Europa sterben kann, so seine Angst. Man kann von Macron insgesamt halten, was man will. In dieser Frage klingt seine Eindeutigkeit, wer wirklich am Ast von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sägt, unwiderruflich. Er teilt seine Position mit denen, die Rechtsextreme nicht für eine unangenehme Sottise im politischen Geschehen halten, sondern für eine reelle Gefahr.
Welch Unterschied an diesem Tag, da Macron sich Sorgen um ein rechtes oder rechtsextremes Europa machte, zu der ARD-Sendung Caren Miosga. Die sich erdreistete, beim Sylt-Video mit widerlichsten Hassreden, das öffentlich wurde, vor allem darauf hinzuweisen, wie sehr diesen miesen Deutschland-den-Deutschen- und Ausländer-raus!-Rufern jetzt ihrerseits Anfeindungen aus dem Netzt entgegenschlügen. Ist DAS im ernst die Sorge, die man sich machen muss? Darüber hinaus blieb Rechts so gut wie unangesprochen in der Sendung.
Stattdessen wurde die Gefahr, auch die Terror-Gefahr, von links in den Vordergrund des Gesprächs mit der deutschen Innenminister Nancy Faeser gerückt. Weder war von der AfD die Rede, noch von Bedrohungen Europas durch rechts und rechtsextreme Strömungen, die in Deutschland ihren Widerhall finden. Unterstützt von Moskau und Peking, wie man inzwischen weiß. Faeser selbst war es, die auf das verstörende rechte aggressive Potenzial in Deutschland hinweisen musste. Sonst wäre das vermutlich komplett unter den Teppich gekehrt worden.
Das Sendekonzept, so war offensichtlich, war darauf aus, sich vor allem an kruden Kalifat-Fantasien abzuarbeiten, an Hörsaal-Besetzungen durch pro-palästinensische Gruppen – die zugegeben in ihrer krassesten Form furchteinjagend sind. Und anmassend, was die von ihnen geglaubte Erpressbarkeit deutscher Akademiker-Schmieden betrifft. Die Debatte freilich haben auch Andere aufgeheizt, die von der deutschen Staatsräson abweichende Diskurse hinsichtlich der fragwürdigen Politik Israels ausschalten wollen und auf Meinungsfreiheit pfeifen.
Überdies allerdings geraten in Debatten, auch im TV, die Koordinaten völlig ins Rutschen. Dem nüchternen Abwiegen dessen, was besprochen werden muss oder kann, steht eine Phalanx der Bekenntnis-Dogmatiker gegenüber. Da gibt es keine intellektuellen Räume mehr, da gibt es bisweilen nur noch stickige Kammern, in die alle gesteckt werden, die Fragen an die Welt haben, wo andere nur einseitige und eintönige Antworten kennen. Wer Diskurse von ihren Rändern her beurteilt, steht, das sollte er wissen, selbst ziemlich weit am Rand.
Das wiederum ist ebenfalls furcheinflössend. Ich kann mich noch erinnern, wie in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts in breiten Debatten die Fetzen flogen. Vielleicht war es die damals allgemein bestehende Hoffnung, dass sich die Welt, die auch heftige Diskurse zuließ, Unkenrufen zum Trotz absehbar ins Gute wenden würde. Das Ende der RAF etwa war Beweis. Die Grünen zeigten, dass aus Radikalem Pragmatisches werden kann. Dass sich das Blatt wendet, ist nicht einem Zuviel, sondern einem Mangel an Debatte geschuldet.
Mag sein, dass sich das deutsche Bürgertum, die so genannte Mitte, ausgerechnet hat, dass aus diesem Trend ein auf ewig ignoranter Mainstream entwickeln würde – und dass die Zeit aufreibender Debatten für immer vorüber wäre. Dazu aber ist die Weltlage zu sehr aus dem Ruder gelaufen. Die Gesellschaft(en) steht vor der Frage, ob man dessen geachtet Diskurse zulässt oder unterdrückt. Ob man sich stellen muss oder darin gefällt, andere zu stellen. Und ob man immer die Richtigen besonders ins Visier nimmt. Oder Ablenkungsmanöver pflegt.
Der französische Präsident Macron hat sich bei seiner Deutschland-Visite dazu klar positioniert. Im Gastland selbst scheint man sich einen Platz zwischen den Stühlen warmhalten zu wollen. Wenn das auch für die gilt, die AfD sind oder wählen, dann dürfte man auf dem Holzweg sein. Der Verweis auf linke oder linksradikale Ränder kann nicht davon ablenken, was Macron erkennt: Dass die größte Gefahr für Demokratie, Rechtsstaat und Europa von der Rechten ausgeht. Es wäre gut, wenn diese Erkenntnis auch Freunde in Politik und TV-Show gewänne.

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