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Klarsfeld Baerbock Grüne

Schwer zu sagen, was sich da aufdrängt und zusammenrühren lässt. Und unter welcher Überschrift. Aber Klarsfeld, Baerbock und Grüne. Die haben dieser Tage irgendetwas gemeinsam. Vielleicht könnte man es Verirrung nennen. Das ist weniger hart. Lässt noch ein Türchen offen, um dem Ganzen eine Art ironischer Note abzugewinnen. Möglicherweise aber ist es eher das lodernde Menetekel einer schier nicht enden wollenden Kette politisch gefährlicher Gratwanderungen. Die haben längst ihren Anfang genommen. Das Trekking artet freilich in immer grotestekere Formen aus. Und aus wundern wird erschrecken.

Nehmen wir zunächst den so genannten Nazi-Jäger Serge Klarsfeld. Der hat dieser Tage wissen lassen, dass, wenn es in Frankreich zu einer Stichwahl käme, er eher dem Ressemblement National von Le PEn wählen würde als die Linkspartei La France insoumise. Nun, man muss nicht das Lager der Linken wählen, das – im Streit um den Nahost-, speziell den Gaza-Konflikt – zerbrochen war, sich aber für die Wahlen im Nachbarland wieder zusammenraufen will. Aber anstelle der Linken, ganz auf die Seite der Rechten zu wechseln, und das als ausweislicher Nazi-Gegner, das muss man erstmal verstehen. Oder sich verständlich machen können.

Klarsfeld führt seine – nicht neue – Gegnerschaft zu den Linken darauf zurück, dass sich im linken Spektrum dezidiert antijüdische Tendenzen breit gemacht hätren. Und im Zuge der Positionierung für die Palästinenser im Konflikt mit Israel breit machen würden. Auch andere Parteien werfen der Linken derzeit einen Hang zum Antisemitismus vor. Soweit, so streitbar. Weshalb man daraus aber den Schluss zieht, seine Sympathie der Rechten zu schenken? Le Pen&Co haben der AfD wegen deren schlichter Haltung die kalte Schulter gezeigt. Aber was heißt das schon. Ist das strategisches Kalkül – oder wirklich eine feste Gesinnungsbrandmauer?

Man muss schon mindestens erstaunt sein, wenn ein Nazijäger der französischen Rechten, nur weil sie gegenwärtig nicht schlecht auf Jüdinnen und Juden zu sprechen kommt, schon eine Art Persilschein ausstellt. Weiß Herr Klarsfeld, der ja die faschistischen Auswüchse der Rechten aus eigenem Erleben kennt, nicht, wie wandlungsfähig Demokratie- und Migrationsfeinde sein können? Dass man. auf der Rechten, wenn nicht Jüdinnen und Juden, doch längst neue Feinde ausgemacht hat. Die sich leicht wieder antisemitisch zurückverwandeln können? Und dass Le Pen seit jeher weiß, wie man seinen wahren Geist je nach Bedarf tarnen kann.

Es ist ein Jammer, wie sich einst gerade wegen ihres Eintretens gegen alte Rechte ehrbare Menschen derart naiv ins neurechte Lager schlagen. Naivität ist, und damit zur deutschen Außenministerin, auch ein Markenzeichen von Annalena Baerbock. Jüngstes Beispiel sind die Worte, die ihre ungeminderte Solidarität zur Ukraine speisen sollen. Die Unterstützung für das Land, so Baerbocks vermutlich nicht nur semantische Verunfallung, sei ein Mittel, um den Krieg auch von uns weg halten zu können. Und, so sinngemäß, billiger als uns später auf eigenem Boden verteidigen zu müssen. Da darf man schon ganz genau hinhören.

Denn, wenn man so will, liegt nach dem von Annalena Baerbock Gesprochenen, der tiefere Sinn der Hilfe für die Ukraine nicht etwa darin, den grausamen und völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg samt Toten und verheerender Zerstörung von den Ukrainern selbst fernzuhalten, sondern ihn ja nicht weiter in den Westen herüberschwappen zu lassen. Es geht also nicht zuvorderst um das Leben der Ukrainer, sondern um das von Baerbock und den Menschen in ihrem Land. Über das Wie gehen seit Kriegsbeginn die Meinungen auseinander. Aber die selbstreferenziellen Züge der Argumentation werden deutlicher.

Selbstreferenziell ist denn auch das Stichwort, das den Streit um die Berliner Abgeordnete der Grünen, Tuba Bozkurt, zeichnen kann. Wegen eines Zwischenrufs in der Fragestunde um das vermeintlich islamistische Attentat auf einen Mannheimer Polizisten hatte sich Bozkurt nicht nur vom politischen Gegner Kritik eingefangen, sondern auch von der eigenen Parteispitze. Im Berliner Tagesspiegel sprang jetzt der linker Sympathien gänzlich unverdächtige Historiker und Publizist Michael Wolffsohn der Angegriffenen bei. Inhaltlich und mit wortsinnlicher Kompetenz. Und mit einem Seitenhieb auf deutschseitige Integrationsschwäche.

Die Fälle insgesamt zeigen, wie verquast und teils atemberaubend verlogen mittlerweile die Debatten um Antisemitismus, politischen Anstand und aufrichtige Solidarität geworden sind. Die Begriffe stehen nicht mehr auf intellektuellen Prüfständen, sondern werden je nach politischer Tagesform und Instrumentalisierungswillen interpretiert, eingesetzt, semantisch ausgeschlachtet und im Zweifel zu Fallen von Ein- und Auslassungen in der Politik. Es gehen im hyperventilierenden politischen Tagesgeschäft die Koordinaten schneller verloren als auf Hygiene bedachte Menschen die Unterwäsche wechseln.

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