…Ceo, wir fahrn nach Lodz!? Nun, so plump ist das nicht. Was mir durch den Kopf geht. Und, gut, doch irgendwie billig. Aber es muss raus. Warum, so frage ich mich, habe ich nicht auch eine dieser Karrieren gemacht, die derart ausgewählt klingen, dass einen allein der Sound des Jobs adelt. Da wechseln junge Leute in Unternehmen, Start-ups & Co, dass einem schwindelig wird. Vom Freelancer, bestenfalls digital Nomad , mit bisweilen noch überschaubarem Salär, dafür, wenn alles stimmt, Sonne satt, geht es schnurstracks nach möglichst weit oben.
Schon Freelancer klingt viel besser als freier Mitarbeiter. Ohne Absicherung. Nur seiner, ihrer selbst sicher. Dass es wird. Alles. Bis man sich auf einer der Plattformen wiederfindet, in dem neues Führungspersonal gefeiert wird. Und manchmal auch schneller entlassen, als der Vertrag für das jeweilige berufliche Dasein in einer Klarsichthülle steckt. Klarsichthülle? Wer sowas hat, taugt schon nicht (mehr) zum großen Wurf. Zum Traumziel. Entscheidend ist, dass der Name im www rumgereicht wird. Wenn’s geht, mit faltenlosem Konterfei.
Ich erwische mich dabei, dass ich selbst schaue, inwieweit ich wenigstens irgendwelche, auch noch so verwischte Spuren im Internet hinterlassen habe. Am ehesten habe ich den Drang dazu, wenn ich mal gerade wieder darüber sinniere, was ich als Pensionär so machen könnte. Und mir, außer gut essen und trinken, reisen und mir tranceartig Kultur reinziehen, nicht wirklich Aufbauendes einfällt. Dann googele ich Vor- und Nachnahmen. Alt und neu. Und triumphiere, wenn noch nicht Alles verloren (gegegangen zu sein) scheint. Auch Fotos nicht.
Gut, so sehe ich heute nicht mehr aus. Aber das verkrafte ich gerade noch. Noch! Denn je länger ich mir überlege, was ich hätte anstellen können, sollen, müssen, um mir mehr Beachtung zu gönnen. Und vielleicht ein echter Ceo zu werden. Und was ich anstellen könnte, um das Ganze noch irgendwie zu reißen. Desto mehr Zeit vergeht. Nagt an meiner Seele und physischer Verfasstheit. Die Stunden vergehen. Tage. Wochen. Monate. Jahre (das spüre ich voraus). Und wenn mir nicht etwas Aufsehenerregendes einfällt, wird das nichts mehr.
Ich hatte mal einen Kollegen, älter als ich. Der hatte sich eigens dort beworben, wo wir fortan unser Schicksal teilten, weil an seinem nicht schlecht bezahlten Platz die Arbeit erst am Mittag begann. Wenn ich ihn vorher erreichen wollte, saß er stets in der Badewanne. Dass sein Traumjob – wie jeder andere Job auch – einem gewissen Wandel unterliegen würde? Nahm er erst spät wahr. Blieb aber entspannt. Er erzählte, dass ihn mal ein Freund an einem freien Tag anrief und fragte, was er so mache. Nichts, so mein Kollege relaxt. Das war sein Naturell.
Ich habe zu dem Menschen keinen Kontakt mehr. Kann mir aber vorstellen, dass ihn auch weiter die Ceos dieser Welt nicht die Bohne interessieren. Seine Karriere war die Nichtkarriere. Die Ruhe. Die intellektuelle Einkehr ohne Burnout und all den Quatsch. Den sich viele Ceos quasi als Accessoire zulegen. Um in irgendeiner Klinik auf den Anruf eines Headhunters zu warten. Und die unheilbar krank werden, wenn kein Anruf kommt. Obschon sie sich doch mit einem selbstauferlegten 18-Stunden-Tag auf diesen Moment hinverzehrt haben.
Mag sein, dass aus diesen Zeilen der pure Neid spricht. Das herauszufinden, wäre Sache eines Psychotherapeuten. Aber ich habe keinen Hang zum Woody-Allensken. Werde es also nie wirklich herausfinden. Wenn es nicht Neid ist, dann Verzagtheit. Weil ich im Grunde eigentlich nie auf das Treppchen, auch nicht das unterste einer Ceo-Karriere wollte. Könnte ich nochmal wählen, ich würde lieber als selbstbestimmter Künstler verarmen, als mich Ceos unterordnen zu müssen. Denen ich machtmäßig nie das Wasser gereicht habe.
Und trotzdem hatte ich eine Menge Stress. Gottseidank kein Bournout. Dafür reichte mein prima Gehalt am Ende dann doch nicht. Dafür hatte ich nach getaner Arbeit damit zu tun, meinen Träumen hinterherzuweinen. Maler, Musiker, Schauspieler. Irgendwas mit Sinn. Aber nicht jeden Tag die Welt zu den Menschen zu bringen, aber diese Welt nicht menschlicher machen zu können. Und mir darob noch sagen zu lassen, dass ich mit meinen politisch-moralischen Idealen bleiben könne, wo der Pfeffer wächst. Ich empfand das als rassistisch.
Zu dieser Zeit gab es noch keine Debatte um koloniale Aneignung oder Postkolonialismus. Sonst wären solche Anfeindungen im Personalrat gelandet. So wabere ich also durch den Alltag. Und versuche herauszufinden, was noch geht. Ohne Ceo-Titel. Aufpasser im Museum? Blockflöte in der Fußgängerzone? Nächtlicher Graffiti-Sprayer mit Pali-Tuch? Moment, soeben vibriert mein Handy. Ob ich Lust hätte auf Facility Manager…ist das sowas wie Ceo? Dann mach ich’s. Aber nur mit Wikipedia-Eintrag und faltenfreiem Foto!!!!

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