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Die Mediale Treibjagd

Spätestens seit dem 6. November, dem crash der Ampel-Koalition, versuchen die Medien – und zwar nahezu unisono – Bundeskanzler Olaf Scholz in Grund und Boden zu schreiben. Ein bisschen auch FDP-Chef Christian Lindner, nachdem bekannt wurde, dass er das Aus des Dreier-Bündnisses mehr oder weniger akribisch geplant hat. Aber eben vor allem den SPD-Regierungschef. Es gibt genügend Gründe, ihm Fehler anzulasten. Neben politischen auch solche, die in seinem mäßig offenen und überzeugenden Wesen liegen. Darob wächst die Lust, Scholz auch als nächsten potenziellen Kanzler zu demontieren. Mit dem Verweis, dass es deutlich beliebtere Alternativen gibt.

Die Einzige im sozialdemokratischen Lager heißt Boris Pistorius. Im dem Maße, wie Scholz ins Abseits kommentiert wird, macht sich die Medienhorde auf, den möglichen Konkurrenten auf den Schild zu heben. Zumal es in der SPD in der Tat Zweifel gibt, ob sie mit dem alten Kanzler noch irgendwas reißen kann. n-tv, FAZ, Berliner Tagesspiegel: der Drang ist erkennbar, die Zweifel mit zu schüren. Und sei es aus der journalistischen Gier heraus, die eigene Bedeutung durch einen herbeizitierten Fall von Olaf Scholz zu heben. Denn nichts findet die Journaille schöner, als den Sturz eines Spitzenpolitikers herbeizuführen. Das ist das Salz in ihrer oftmals allzu dünnen Suppe.

Vielleicht ist das der Grund, warum n-tv an anderer Stelle als dem Scholz-bashing auch schon wieder Zweifel an einem Kanzlerkandidaten Boris Pistorius übt. Der Scholz, so ist es das bashing-Credo, demnächst als bislang so gut wie gesetzten Bewerber ums höchste Regierungsamt beerben könnte. Ja sollte. Denn nun fällt dem medialen Überfall-Kommando plötzlich ein, was es denn mit Kamala Harris auf sich hatte. Die in den USA auf den letzten Metern Joe Biden als Streiter ums Präsidentenamt ablöste. Und, trotz augenscheinlich bester Voraussetzungen, jämmerlich scheiterte. Ist es also gut, mit eiligen Personalrochaden das angekratzte Image aufzupolieren?

Die Leitartikler samt Entourage in den Redaktionen kommen ob ihrer eigenen Obsessionen ins Trudeln. Und das nicht von ungefähr. Denn auch in Übersee hatte sich die journalistische Begleitmusik der Wahlen sehr um Personen an sich und zu wenig um Inhalte gekümmert. Und nachher die selbstgeschlagenen Wunden geleckt. Es ging um Mentalitäten, Stimmungen. Aber nicht wirklich um Politik. Es ging um Geld und Gehabe. Weniger darum, wohin auch speziell die demokratische Kandidatin das Land zu steuern gedenkt. Es ging um Macht-Theater. Nicht um die Frage nach politischer Substanz. Das Versäumnis droht auch deutschen Medien.

Wäre man um die Lösungen von Problemen, mit denen das Land ringt, bemüht, würde man die Hahnen-Kämpfe den Gefiederten überlassen. Und sich darauf konzentrieren, welche politischen Kräfte denn mit welchen Programmen in der Lage sind, Krisen und Kriege inner- und außerhalb deutscher Grenzen zu einem zufrieden stellenden Ende zu bringen. Wichtiger jedoch scheint, wer wann geschlagen am Boden liegt. Ungeachtet inhaltlicher Ambitionen. Es zählt die Figur, die Politiker machen und ob die politische Frisur sitzt. Was sich darunter verbirgt, da will niemand nachschauen – und schon gar nicht selbst Farbe bekennen. Viel zu anstregend!

So kommt es, dass die Medien mindestens ebenso so viele Säue durchs Dorf treiben, wie die Parteien und ihre Führungsriegen. Und dass in Talkshows Moderatorinnen und Moderatoren, die eigentlich Klarheit in die Ställe bringen sollten, an populistischer Dreckschleuderei nicht zu überbieten sind. Politiker, welcher Couleur auch immer, müssen sich bisweilen regelrecht gegen Aufforderungen wehren, nun endlich mal dem Gegner weniger in der Sache, als vielmehr emotional einzuschänken. Man will die Peitschen pfeifen hören, um hernach die Striemen zu zählen. Punkte werden nach Säbelrasseln und verräterischen Dolchstößen vergeben.

Nun wartet die mediale Welt darauf, wie sich das mittlerweile wettbürofähige Gezerre um die SPD-Kanzlerkandidatur entscheidet. Und ob es etwas genützt hat, den einen zum Fraß vorzuwerfen, den um den anderen, wissend um die tönernen Füße, auf denen auch er steht, auf den Schild zu heben. Diejenigen aber, die Wählen, müssen sich selbst mühsam einen Überblick verschaffen, wer denn wirklich und leibhaftig für welche politischen Perspektiven steht. Das ein oder andere lässt sich im Nebel der Personalschlammschlachten erkennen. Für klare Sicht aber hat niemand gesorgt. Auch und erst nicht die so genannte vierte Gewalt im Land.

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