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Papst Jesus& Kufiya

Wahrheit ist auch das, was der Wahrheit sehr nahe kommt.
So oder ähnlich hat es mal ein berühmter Reporter mit der Bitte um Nachsicht für die ein oder andere Unschärfe in seiner Arbeit formuliert.
Gemessen daran, hat es diesen Jesus ziemlich bis so gut wie sicher gegeben. An dessen ziemlich wahrscheinlich gewesener Person sich bisweilen viel entzündet. Zuletzt auch der Konflikt darüber, ob es sonderlich glücklich war, dass der Papst an einer Krippe betete, in der die Jesusfigur auf einem Palästinensertuch lag. Der Kufiya.
Um was zu demonstrieren? Antisemitische Solidarität?
Zumal ihm Palästinenser die Krippe mit der Kufiya zum Geschenk gemacht haben.
Oder war es nur Gedankenlosigkeit?
Dumme Geschichtslosigkeit?
Von welcher Geschichte ist dann aber die Rede?
Von fast wahrer Geschichte, recht spekulativer Geschichte, oral history, frühzeitlicher TikTok-Saga?
Jesus war Jude. Texteten nahezu alle nach Gewissheit heischenden Medien.
Und das, was der Vatikan-Vorsteher da vollbrachte, eine unerhörte Provokation!
Doch es sei dann doch mal, mit Verlaub, gefragt: Gab es diesen Jesus wirklich, zu 100%?
Und wenn das nicht wirklich so ganz und gar und ohne jeglichen Restzweifel mit dem unverrückbaren Siegel ehrbarer Historiker klipp und klar ist, warum der Glaubensstreit und infolge des Glaubensstreits der politische Streit darüber, auf welches Tuch das Christuskind gebettet ist? Knapp vor dem christlichen Weihnachtsfest in einer Krippe unter den Augen von Papst Franziskus im einstmals römischen Reich, das Jesus, wenn das Erzählte nicht trügt, ans Kreuz genagelt hatte.

Was die Jesus-Forschungen betrifft, konfessionell getragene oder beeinflusste oder abseits der Theologie das, was die konfessionsunabhängige Wissenschaft so alles herausbekommen hat, könnte man sich an die Strafverfolgung anlehnen.
Danach baut sich die Ergründung der Jesus-Geschichte auf einer Fülle ernst zu nehmender Indizien auf.
Zwar wächst die Fülle mit allerlei Entdeckungen. Und betrachtet man die Bibel-Texte nicht als ein riesiges ausschließlich manipulatives Social-media-Projekt der Nach-Christus-Ära kommt zu den weitgehenden Forschungen noch eine Art wohlwollender und im Kern belastbarer Mund-zu-Mund-Propaganda. Die freilich ganze Herden von Jüngersjüngern inklusive deren Schäfchen in Glaubens- und Eroberungskriege, ja auch verheerende, als Missionsreisen getarnte Vernichtungsfeldzüge und in Beichtstühle getrieben hat.
Aber die Frage, ob es diesen Jesus jemals so richtig in echt gab und vor allem, wenn ja, wie er wohl gestrickt gewesen sein mag, ist bislang nicht restlos und damit ohne jeden Funken von Wenn und Aber beantwortet worden.
Auf diese, nennen wir es mal FantasyStories (ohne deswegen ins Lager der Jesus-Mystiker gesteckt werden zu wollen), haben allerdings Christen, Jüdinnen und Juden sowie Muslime ihre jeweiligen Häuser der Wahrheit gebaut.
Und je mehr und länger sie bauten, desto wahrer schienen diese Wahrheiten zu werden.
Und desto mehr taugten Wahrheiten dazu, anderen ihre Wahrheit streitig zu machen. Und sie mitsamt anderen, weniger konfessionellen Gründen aufzupeppen.
Konflikte und Kriege zu entfachen. Terror zu verbreiten. Land einzunehmen, Menschen zu vertreiben, auch umzubringen.
Religion ist Opium fürs Volk. So sei hier ausnahmesweise mal ein Mann zitiert, der in den politischen Wirren der Gegenwart nicht mehr auftaucht: Karl Marx.
Allerdings hier mit umgekehrter Wirkungskraft.
Statt zu beruhigen, Ängste, Anspannung zu nehmen und negative Gefühle zu dämpfen, Zufriedenheit und Euphorie auszulösen, muss irgendjemand im Laufe der Glaubensgeschichte etwas beigemischt haben, was ins Gegenteil führt.

Die Art und Weise jedenfalls, wie, angeheizt durch die aktuelle Antisemitismus-Debatte, Scharen von Journalisten dem Papst verbal ans Leder wollten, ist nicht weniger als Beweis. Nicht nur Indiz.
Und des Papstes irdische Verfehlung Anlass, alte Ressentiments zwischen Christen und Judentum nochmal aufs Gedeihlichste anzuheizen.
Nach dem Motto: Da haben wir es doch!
Der alte christlich befeuerte Antisemitismus, der sich mit den Palästinensern verbündet.
Gegen den jüdischen Jesus!
War ja klar, nach den Gaza-Appellen des Vatikan, sich doch nicht ins unendliche Leid zu verrennen und in einer Abwehr ausufernder Gewalt innezuhalten.
Man hätte, den angenommen jüdischen Jesus in der Krippe, auf katholischem Terrain, gebettet auf eine Kufiya, auch als friedensszenarisch deuten können.
Und selbst wenn die Überbringer, also die Palästinenser, damit wiedermal ihr Anrecht auf ein eigenes Jesus-Narrativ demonstrieren wollten, der als Provokation verrissenen Papst-Schau eine ironische, über den Dingen schwebende, Note verleihen können.
Dass der Papst das nicht selbst so sah, oder interpretierte, oder mit einer solchen Note der absehbaren Empörung die Luft nahm, ist wem oder was auch immer geschuldet.
Dem Druck von außen womöglich, ja wahrscheinlich sogar.
So wahrscheinlich wie es Jesus gab, und dass er, wenn es ihn gab, Jude war.
Aber spielt das eine Rolle, wenn nach einem Frieden gesucht werden sollte?
Wäre es da nicht wichtiger, dass Jesus ein Mensch war?
Einer, der für Menschlichkeit und Gerechtigkeit sogar auf die Barrikaden ging.

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