Die Wege des Herrn sind unergründlich. Und sollen es offenbar auch bleiben. Das ist schon immer das Credo der Katholischen Kirche gewesen. Worum es auch immer ging. Bis es nicht mehr haltbar war und ist. Das galt und gilt für sexuellen Missbrauch durch Gottes Personal auf Erden. Dem erst dann, mit teils freilich nur verhaltenem Aufklärungswillen, kirchen- und strafrechtlich beizukommen versucht wurde, als es keinen anderen Weg mehr gab.
Das gilt, und nicht erst neuerdings, auch für Aufsehen erregende Vorkommnisse, die am Heiligen Abend im Freiburger Münster zu dem führten, was manche einen Eklat nennen. Um so dem gemeinen Kirchenvolk Schuld zuzuschieben. Und Schuld, das weiß man, ist im katholischen Kirchen-Kanon die Höchststrafe.
Minutenlange Ovationen bekundeten Solidarität mit dem langjährigen und viel beachteten Chorleiter Boris Böhmann. Der von seinem konfessionellen Arbeitgeber gefeuert wurde. Aus Gründen, mit denen die zuständige Erzdiözese nicht rausrücken will. Nur so wenig lässt sie wissen:
Es gehe nicht um sexuellen Missbrauch oder Übergriffigkeiten.
Welches die Gründe sind, das soll zunächst Sache des Herrn und seiner Jünger auf Erden bleiben, so sieht es aus. Dahinein Licht zu bringen, scheint schwierig.
Man kann also nur spekulieren, woher die Unruhe im Gemeindevolk kommt. Die neben den Ovationen an Weihnachten im Dom zu Freiburg für den an diesem Abend noch den Domchor dirigierenden Boris Böhmann zum Abschalten des katholischen Streamings der Solidaritätsaktion im göttlichen Kanal k-tv führte.
Wenn man ein bisschen recherchiert, bekommt man so etwas wie eine Ahnung.
Danach könnte die Kündigung, die aus Arbeitgeber-Sicht bislang öffentlich abstrakt mit Dissonanzen begründet wird, mit handfesten Auseinandersetzungen zusammenhängen, die auch die Kirche – oder besser die Kirchen – immer wieder weltlich umtreibt.
Kompetenz-Streitigkeiten, möglicherweise flankiert durch Finanz-Konflikte. Gepaart mit – hier auf der Gegenseite – Befürchtungen, die Musik könnte bei Allem auf der Strecke bleiben. Für die sich Boris Böhmann auf Erden stets stark machte.
Wie dem auch sei. Boris Böhmann muss wohl endgültig gehen. Da halfen keine Petitionen und nicht die Jus. Keine prominenten Einsprüche. Der Karren im Reich des Herrn steckt fest.
Das Alles mag nach einer Provinz-Angelegenheit klingen. Ist es aber mitnichten. Denn Gott lässt auf Erden nicht nur über das von seinen Stellvertretern zu verkündende Wort entscheiden.
Er lässt die Ceo-s der Diözesen auch über Dinge befinden, von denen sie eher weniger bis manchmal gar nichts verstehen: Die Musik.
In diesen Tagen lief in der ARD ein in einiger Hinsicht sehenwerter Film über den Komponisten Johann-Sebastian Bach. Bekanntlich der Komponist des Weihnachtsoratoriums. Ein Werk, vor dem selbst ein Atheist niederknien muss. Ein Weihnachtswunder, wie es im Titel hieß.
Um so mehr, als sich Bach ehedem gegen die kirchlichen Obrigkeiten zu Leipzig durchsetzen musste. Die kaum Schimmer von Musik hatten – dafür Ängste, das Andächtige könnte durch sie Schaden nehmen. Das Gegenteil war der Fall.
Bach und seine Unterstützer waren bohrend genug, sich durchzusetzen. Böhmann soll klein beigeben, obschon die Schar seiner Befürworter hunderte Menschen groß ist.
Auf dem Weg durch das Dickicht kirchenmusikalischer (und damit zusammenhängender) Konflikte wird man unter anderem auf einen anderen Menschen in Freiburg aufmerksam, der von fragwürdigen Erfahrungen berichtet. Anton Stingl jun., 1988 bis 2015 als so genannter A-Kirchenmusiker Leiter der Choralschola Freiburg.
Er breitet in seinem Blog allerlei Erzählungen aus, die zeigen, dass Kirchenmusiker sich seit jeher die Zähne an der musikalischen Unbeflecktheit der kirchlichen Nomenklatura ausbeißen mussten. Und dass Kompetenz in musikalischer Hinsicht nicht selten durch inkompetente Kirchenleute niedergebügelt wurde – und, wie man jetzt in Freiburg zusehen muss, wird.
Die Erzdiözese Freiburg hat sich anscheinend fest vorgenommen, in Treue zu Gott, ihren Schäflein einmal mehr zu zeigen, wer das Sagen und Singen hat.
Und wenn sich die Kirche einmal verrennt, das wird auch hier deutlich, dann ist sie – auch entgegen der im Sinne Gottes friedlichen Weihnachtsbotschaft – nicht bereit umzukehren.
300 Kinder, Jugendliche und Erwachsene zählen die Chöre, die ihren Domkapellmeister Boris Böhmann verlieren dürften. So ist in der Petition von Domchor, Domkapelle, Domsingknaben und Choralschola Freiburg zu lesen.
Sie verlieren einen professionellen und passionierten Meister. Der die Musik in der Diözese rücksichtsvoll und engagiert bereichert habe.
Und der nun, auch darauf wird hingewiesen, zusehen soll, wie er sieben Jahre vor Erreichen seines Rentenalters in existenzielle Not gerate.
Vielleicht hat die Erzdiözese ja noch irgendetwas in petto, was die Schuld, die sie dem Chorleiter und – wegen des Aufruhrs an Heiligabend im Dom zu Freiburg – der Gemeinde wegen der gestörten live-TV-Übertragung gibt, nicht auf die Kirchenoberen zurückwirft.
Bis dato sieht es aber eher danach aus, als würde die nicht nur bekannte, sondern geschichtlich auch berüchtigte Rechthaberei der katholischen Kirche ein weiteres Abbild auf Erden bekommen. Und das Gerangel um das Weihnachtsoratorium 290 Jahre später ein Nachspiel haben.
Kleiner, mag sein. Aber genauso typisch.
Nur dass Böhmann nicht Bach heißt.

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