by

Tristano & Paxton

Ich weiß nicht, wie lange es her ist. Ich schätze mal 10 Jahre. Da sah ich auf arte oder 3sat eine Doku über Francesco Tristano. Der Pianist dürfte damals Ende 20 gewesen sein. Ich hatte ihn schon aus dem Blick verloren, fast. Bis ich entdeckte, dass er jetzt in Berlin, im Kühlhaus auftreten würde. Er tritt nicht oft in Deutschland auf.
Tristano ist ein Virtuose, was die Mixtur zwischen Klassik und Jazz und andere Spielarten seines Oevres angeht. Dazu zählen vornehmlich auch Ausflüge in die Welt des Techno. Bisweilen sind die Übergänge fließend, der Musiker setzt sich selbst ungern Grenzen.
Genau dieses Grenzenlose beherrscht der Bach-verliebte 43jährige.
Der in Berlin die folgende Anekdote erzählte: Er sei, so Tristano, als Siebenjähriger, in den Klavierunterricht gekommen. Und gefragt worden, was er spielen möchte. Bach, so sagte er. Aber es gibt doch viele andere wunderbare Komponisten, so der Lehrer. Ich möchte nur Bach spielen. Bach und meine eigene Musik. Habe er, der Schüler, geantwortet. Ich nehme ihm mal ab, dass er damals schon eine Vorstellung von dem hatte, was er mit eigener Musik meinte.
Immer wieder habe der Lehrer auf ihn eingeredet, erzählt Tristano.
Und immer wieder habe er beteuert. Nur Bach, Bach und meine eigene Musik.
Franceso Tristano ist seinen Beteuerungen treu geblieben.
Ich dachte, wie vielleicht andere auch, Tristano, der müsse aus Italien kommen.
Aber er ist in Luxemburg geboren. Und heißt eigentlich Francesco Tristano Schlimé.

Mit fünf saß er zum ersten Mal am Klavier. Mit 13, so ist zu lesen, gab er sein erstes Konzert. Es war der Auftakt zu einer beispiellosen Karriere. Bei der Johann Sebastian Bach stets eine hervorstehende Rolle spielte.
Kein Wunder, dass Francesco Tristano, wie jeder Bach-Interpret, auch die Goldberg-Variationen einspielte. Seine Wege aber führten ihn weit hinaus, so etwa zu dem sehr viel älteren Pianisten Luciano Berio. Der lang vor Tristano – über Pfade serieller Musik – Erkundungsreisen in die elektronische Klangwelt unternommen hatte.
Im Kühlhaus in Berlin, ein allemal wegen seiner industriellen Anmutung geeigneter Ort, ließ der Luxemburger einen Umriss seines mittlerweile umfangreichen Werks erkennen. Dabei wechselte die Ernsthaftigkeit der Klassik mit durchaus ironisierenden Tönen seiner eigenen teils bewusst eher gefälligen Kompositionen. Die Freude darüber war Tristano anzusehen.

Freude, ja Spaß war auch Merkmal des zweiten Konzert-Teils an diesem Abend. Mit dem Posaunisten Alex Paxton, von dem ich zuvor nie gehört hatte.
Er war mit seinem Trio als ein ein bisschen durchgeknallter Komponist und Musiker angekündigt worden. Und damit wurde denn nicht zu viel versprochen.
Alex Paxton, in eine Art bunten Schlafanzug geschlüpft, entlockte sich und seinen beiden Mitspielern Klänge, die irgendwie an Asia-Sound und zeitweises Rummel-Getöse erinnerten. Im Spiel jeder für sich auf höchstem Niveau. Im Zusammenspiel konnte man nicht immer genau ausmachen, ob die Drei nach strenger Komposition unterwegs waren oder einfach mal so, eingetaktet in lockere Harmonien, spielten, was ihre Instrumente hergaben.
Die Melange war nicht jedes Menschen im Publikum, weswegen sich die Reihen im Laufe des musikalischen Paxton-Irrsinns ein wenig lichteten.
Wer, wie wir, blieb, gewöhnte sich freilich schnell an die wunderbar komplexen Stücke, fand schnell Gefallen und aus dem Gefallen wuchs quasi eine Art lustiger Rausch.
Der, so konstatierten wir, zu Hause vom Sofa aus, eventuell ausgebremst würde. Hier aber, an diesem Abend, konnten wir uns am Ende kaum satt hören.


Alex Paxton
jedenfalls geht uns nicht mehr aus den Ohren. Er spielte schon im eher spießigen Umfeld der Elbphilharmonie in Hamburg.
Wo in der Ankündigung des Konzerts humorvoll von einem magischen Klang-Kram die Rede war. Von Comic-Sound und Geräuschkunst. Von im Positiven überdrehter Musik. Hinreißend und unentrinnbar. Auf der Webseite der Elbphiharmonie wird ein Kritiker der New York Times mit den Worten zitiert: Das ist der bestgelaunte Sound, den ich je gehört habe.
Und ein Kulturredakteur des Guardian habe geschrieben: Diese Musik bringt knallbunte Freude; mit wahnsinniger Energie und unbändigem Humor, und dennoch ernst.
Dem ist nichts, aber auch gar nicht mehr hinzuzufügen!

Hinterlasse einen Kommentar