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Schlaf Ist Politisch

Es gab Zeiten, da habe ich ausgesprochen gut geschlafen. Gut meint tief und fest. Und ausreichend lang. Ich wachte auf und fühlte mich gerüstet für den Tag. Versehen mit ausreichend Energie. Ein Café schwarz und ex. Ein Blick in den Spiegel. Und es konnte losgehen. Die Zeiten scheinen vorbei. Dass das mit dem Alter zu tun haben kann, mag sein. Ich fürchte eher, es ist die Weltlage, die mir zu schaffen macht. Sie lässt einem keine Ruhe. Weder tags noch nachts. Sie wühlt auf. Ohne Aussicht auf Besserung.

Der Schauspieler Jan Josef Liefers berichtete dieser Tage im Berliner Tagesspiegel auch von zunehmender Schlaflosigkeit. Führte dies allerdings auf wechselnde Arbeitszeiten, Stress, ständiges Reisen und dauernd in einem anderen Hotel auf einer schlechten Matratze (liegen) zurück. Aber er sprach von Symptomen, die auch ich mehr und mehr kennenlerne: Das Nervenkostüm wird dünner und ich merke es auch an meiner physischen Belastbarkeit. Während ich sinniere, ob es zwischen etwa ständigem Reisen und dem vor- oder mittnächtlichen Scannen von Krisen und Kriegen einen Zusammenhang geben könnte, auch letzteres beschreibt ja nichts weniger als schauerliche Ausflüge, zumindest in Gedanken, kommt von Experten so etwas wie Entwarnung. 

Getrennt von der Frau schlafen, hält der Schlafmediziner Ingo Fietze, ebenfalls in dem Berliner Medium, für eine Möglichkeit, Schlafstörungen ein Schnippchen zu schlagen. Und Binsen wie keinen Alkohol und keine Drogen vorm Zubettgehen könnten ebenfalls für gesünderen Schlaf sorgen. Eine Pizza für Untergewichtige, so Fietze, sei ebenfalls nicht schädlich, wenn man Opulenz brauche, um ins Reich der Träume zu fallen. Auch eine Fernsehserie oder ähnliches könne helfen. Je langweiliger, so lässt sich heraushören, desto eher (da sehe ich angesichts der TV-Programme null Schwierigeiten). Hauptsache man verpasse nicht den Slot ins nächste Einschlaffenster. Ob das auch gegen Schlafprobleme hilft, die von Krisen und Kriegen herrühren, ich weiß nicht.

Gewiss scheint, dass Schlafprobleme – wenn man alles liest, was so geschrieben wird, ist das bei Schlafzeiten unter sieben Stunden der Fall – auf Dauer der Gesundheit schaden oder schaden können. Insomnie nennt sich das Dilemma mit für viele erhebliche Auswirkungen auf den Alltag. Schlechte Laune ist das noch das Geringste, was einem selbst und anderen blühen kann, wenn man nicht mehr die Augen zukriegt, obwohl es dringend nötig wäre. Hat das schonmal jemand Donald Trumo, Wladimir Putin und Benjamin Netanyahu gesagt. Oder Friedrich Merz und Alice Weidel. Dass sie für die Schlafprobleme und gesundheitliche Auswirkungen für Millionen Menschen verantwortlich sind?


Vielleicht wäre es ja mal an der Zeit, politische Auswüchse mit all ihren verheerenden Verästelungen auch mal – außer via Toten, Zerstörung und Ausländerfeindlichkeit etc – über Schlafaspekte und deren Folgen abzubilden. Könnte ja sein, dass von dieser Seite her an Menschen, denen die Weltlage sonst eher egal ist, weil sie nicht oder nur sehr weit am Rande betroffen scheinen, heranzukommen ist. Das Private ist politisch – und umgekehrt, lautet ein alter Sponti-Spruch. Und der Schlaf ist unter dieser Prämisse, so behaupte ich, auch politisch. Das heißt nicht, dass ich jetzt nachts, wenn ich mal wieder grübele und nicht den Weg zurück in den Schlaf finde, mich anziehen und Protestbanner aufrollen werde. Aber ich überlege schon, ob Schlaf nicht zu einem universellen Grundrecht werden sollte. Und dass, wer es verletzt, vor ein internationales Tribunal gezerrt gehört. Dann hätte ich wenigstens aus der Schlaflosigkeit einen übers Private hinaus gehenden Nutzen gezogen. Und die Schlaflosigkeit wäre was wert!

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