Gerade noch fragte ich mich, ob ich nicht mit meinem Beitrag Unser Trump Light zum Bundeskanzler in spe Friedrich Merz überzogen haben könnte. Und ihn nicht ein bisschen zu nah an den autoritär bis irrsinnig regierenden US-Präsidenten herangerückt habe. Und sei es nur in vagen Wesenszügen. Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob das nicht zu harmlos war. Denn was die kleine Anfrage von Merz, CSU-Mann Dobrindt und Unions-Fraktion unter dem Titel Politische Neutralität staatliche geförderter Organisationen losgetreten hat, ist nichts anderes als ein unerhörter Angriff auf die deutsche Zivilgesellschaft.
Auf, wenn es stimmt, was Medien berichten, 32 Seiten werden 551 Fragen zu Organisationen wie BUND, Greenpeace, Omas gegen Rechts, Coorectiv Foodwatch, Animal Rights Watch, Deutsche Umwelthilfe, Netzwerk Recherche, Amadeus-Antonio-Stiftung etc. gestellt mit der Stoßrichtung (so bei Omas gegen Rechts) wie groß der Anteil der finanziellen Mittel dieser Organisationen sei, der aus staatlichen Förderprogrammen stammt. Und ob es etwa direkte Verbindungen zu bestimmten politischen Akteuren gebe. Das Ziel, so ist nicht schwer zu erkennen, ist es, das Engagement der Organisationen finanziell trocken zu legen. Jüngster Dorn im Auge der Union: Die breiten Proteste gegen Rechts, auch gegen den in Kauf genommenen Schulterschluss eines Friedrich Merz mit der rechten AfD in Sachen verschärftem Migrationskurs.
Ich sage es gleich vorab: Für mich wäre das der Punkt, an dem ich als SPD sehr ernsthaft darüber nachdenken würde, inwieweit es politisch Sinn macht, mit dem Parteien-Duo aus CDU und CSU über eine Koalition zu verhandeln. Einzelfälle, in denen Organisationen auf ihre Gemeinnützigkeit hin überprüft wurden, gab es schon. Eine derartige Generalattacke noch nicht. Die Union führt die Abgabenordnung ins Feld, wonach eine Körperschaft gemeinnützig sei, wenn sie gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolge und dabei nicht parteipolitisch agiere. Die Proteste gegen rechts, unter anderem gegen die Merz’sche Abschottungspolitik gegen Schutzsuchende, waren aber nicht parteipolitisch, sondern parteiisch. Und das sind, mit Verlaub, zwei gänzlich verschiedenen paar Schuhe. Das mag semantische Feinheit sein, aber genau darauf kommt es an. Aber für Feinheiten ist Merz, das hat man ja schon mehrfach erleben müssen, nicht zuständig.
Umso verständlicher – und wichtiger – ist es, dass sich betroffene Organsationen, aber auch Die Linke oder die Grünen im Bundestag, gegen das zur Wehr setzen, was da per Anfrage im Parlament ohne weiteres als Frontalangriff auf das demokratische Wesen unserer Republik gewertet werden darf. Diese Anfrage ist ein Angriff auf die freie Zivilgesellschaft in Deutschland, so der Grünen-Europapolitiker Sergey Lagodinski laut ntv. Ein ganz schlechtes Omen für die kommenden voer Jahre nach dem Wahltag. Eine gezielte Diskreditierung von Akteuren der demokratischen Zivilgesellschaft (Attac). Übergriffig, ließ Sven Giegold, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen, laut ntv wissen. Von einem Einschüchterungsversuch ist die rede. Von Methoden, die an den ungarischen Regierungschef Victor Orbán erinnerten und an andere autoritäte Regime. Die Linke sieht das genauso und findet das Vorgehen äußerst besorgniserregend.
Das sind angesichts des Vorstoßes, den Merz, Dobrindt und die Union unternehmen, zweifellos angemessene Reaktionen. Angesichts dessen, was gerade an politischem Druck von Übersee nach Deutschland rüberweht, und an Zuspruch des Trump-Günstlings Elon Musk für die deutsche Rechte, explizit die AfD, sind aus meiner Sicht weitaus schärfere Gedanken erlaubt. Die Maßlosigkeit, mit der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den USA gebeugt werden, sollte nicht auch nur ansatzweise zur Blaupause für Maßlosigkeiten werden, die sich hierzulande herausgenommen werden. Die kleine Anfrage freilich, die auf Antworten aus ist, mit der Absicht, Organisationen in ihrem, auch politischen, Engagement einzuschränken, lässt befürchten, dass dem Mann, der neuer Bundeskanzler werden soll, schon vor seinem Amtsantritt die Koordinaten des Anstands flöten gehen.
Hatte man seinen Angriff gegen grüne und linke Spinner vielleicht, mit viel Nachsicht, noch als einen seiner üblichen verbalen Ausfälle betrachten können, so ist das, was jetzt auf dem Tisch liegt, und zwar schwarz auf weiß, etwas, was sich nicht mehr so einfach als Verunglückung abtun lässt – sei es als sprachliche oder hintersinnige politische Verunglückung. Hinter der kleinen Anfrage verbirgt sich der Anfang einer Politik, die sich im Trump-Style gegen alle richtet, die Merz & Co das politische Leben und Agieren schwer, zumindest aber nicht leicht machen könnten. Die neue starke Kraft im Land will, so wird offenbar, möglichst ungestört ihre politischen Ambitionen verfolgen können. Und verfolgt, wenn es sein muss, jene, die den Ambitionen nicht zustimmen; sie teils sogar für gefährlich halten.
Das freilich ist das Wesen von gewaltfreier Demokratie: Aktion und Reaktion. Ob im Parlament oder auf der Straße. Wer versucht, diesem Binsenwerk unserer Gesellschaft weiter und immer heftiger in die Speichen zu treten, darf sich nicht wundern, wenn er weiter an demokratischer Reputation verliert. Merz, der auch hier ungeschminkte Bierdeckel-Mentalität zeigt, rückt mit dem, was er tut, näher an Verhältnisse heran, die in diesem Land niemand will, außer womöglich die AfD. Das lässt allerdings seine Schwüre, mit der Rechten nicht zusammenarbeiten zu wollen, eher verblassen, als dass man sie ihm wirklich abnehmen könnte. So könnten am Ende verheerenderweise die Recht haben, die ihm unterstellen, im Zweifel seien seine Abgrenzungssprüche gegen Rechts nur Kosmetik.

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