Es gibt zwei Felder des linken Mainstreams, auf denen Dinge wachsen, die mir nicht sonderlich schmecken. Da ist zum Einen die schier durch die Decke gehende Euphorie über den Wahlerfolg der Linkspartei. Und zum Anderen allerlei Versuche, das Problem der AfD auf destruktive Art zwischen Ost und West (Deutschland) hin und her zu schieben. Beide Felder werden gerade mit allerlei Realitätsklitterung gedüngt. Auf beiden Feldern sitzen Meinungsmacher auf Traktoren, die Hoffnung und Zuversicht säen (das betrifft Die Linke) oder gen-manipulierte Sichtweisen (das trifft das Verhältnis Ost/West), die jeweils dazu geeignet sind, die Blicke auf das, was wirklich möglich ist, oder auf das, was sich rechts an ausbaufähigem Bodensatz festigt, zu verstellen.
Fangen wir mit dem Erfolg der Linkspartei an. Er ist insofern kein Wunder, also auch nicht wundersam, als sich die Partei als einzige ernsthaft dafür stark gemacht hat, soziale Notwendigkeiten, Klimaschutz, Demokratie undsoweiter zu einer überzeugenden linken Programmatik zusammen zu führen. Mit überzeugenden Politiker:innen an der Spitze – wie Jan van Aken, Ines Schwerdtner und Heidi Reichinneck -, die alle Register gezogen haben, um der nach rechts driftenden Mitte (CDU/CSU, aber auch SPD, die FDP ist Abschreibungsobjekt) etwas substanziell Drängendes abseits der Konzentration auf Migrations- und Verteidigungspolitik entgegen zu setzen. Dass das Stimmen brachte, stimmt optimistisch.
Die Linke hat aber auch vom Erschrecken über den Rechtsdrall der Mitte profitiert, bis hin zum mehr als fragwürdigen Kurs eines wohl künftigen Kanzler Friedrich Merz. Erschrecken freilich ist eine Momentaufnahme, und auch der Wahlerfolg, der erzielt wurde, ist zunächst einmal ein temporärer. Es wird sich zeigen (müssen), ob die politische Linie und der Wille zum Widerstand gegen eine Politik der sozialpolitischen Arroganz und Ignoranz, gegen Migrations- bis hin zu Demokratiefeindlichkeit nachhaltig trägt. Und ob die Jungen, die sich für Die Linke entschieden haben, bei ihrer Haltung bleiben (nach den 18-24jährigen, die der Linkspartei Auftrieb geben, sieht es eher so aus, als würde die AfD weit vor der Linke punkten).
Es bleibt zu hoffen, dass sich die bei SPD und Grünen, die sich nicht mit Mitte-Opportunismus oder staatsmännisch orientierter Positionierung zufrieden geben wollen, Die Linke in der Breite und Tiefe ihrer Politik befeuern. Bestenfalls auch mitgliedermäßig. Dass Die Linke also eine Art Sammelbecken für Linksliberale und Linke wird. Und damit eine weiter wachsende Alternative bietet. Ob freilich noch nicht geklärte Fragen, die es auch bei den Linken gibt, und die Geschichte der Linkspartei selbst, die bei SPD und Grünen immer wieder für ideologische Vorbehalte gesorgt hat, dafür stehen, gerade Die Linke als Sammlungsbewegung auszubauen, sei dahingestellt. Das Projekt bedürfte einer Menge Anstrengung und Offenheit.
Vielleicht wäre es im Sinne einer linken Sammlungsbewegung, die auch zu Wahlen antritt, besser, eine neue Partei aus der Taufe zu heben. Eine, die nicht von Geschichte und Geschichten, von Querelen (etwa um die BSW-Gründerin Wagenknecht) und auch Verknöchertheiten belastet ist. Die den neuen Schwung der Linken (unter o.g. Köpfen) mitnimmt, sich aber auch insofern Abtrünnigen aus anderen Lagern anbietet, in dem sie nicht ein Dach über einem alten Haus zimmert, sondern ein neues Haus baut. Auch bei dieser Vision ist es nicht unbedingt sicher, dass sich dort die Leute einfinden, derer es bedarf, um aus dem momentanen einen dauerhaften Erfolg links des Mitte zu machen. Denn das muss das Ziel sein.
Zumindest würde mit einer neuen Sammlungspartei Vielen die Chance geboten, eben nicht so etwas wie politisches Asyl zu suchen, sondern wirklich zukunftsträchtig mitzumischen. Das beträfe auch gerade die jungen Menschen, die jetzt Kraft aus ihrer Stimmabgabe für Die Linke geschöpft haben. Andernfalls bleibt, bei allem Hype um den Aufstieg der Linken aus einem Tal der Tränen, so darf man sagen, womöglich nicht mehr als eine Erinnerung wie an das Knistern beim Beginn einer großen Liebe. Das aber wäre fatal, wenn der Rausch aus dem, was möglich ist, mittelfristig zu Ernüchterung zusammenschnurrte. Man könnte sich, statt auch bei der Linken, ans Alte anzuknüpfen, ja mal überlegen, ob es nicht noch mutiger ginge.
Bleibt noch das zweite Feld des Mainstreams: Das Verhältnis zwischen Ost und West (Deutschland). Da fällt mir ein, was dieser Tage auf Facebook der fast schon vergessene ehemals ostdeutsche Polit-Barde Wolf Biermann sagte und worüber sich eine entlarvende Diskussion entspann. Ich gehöre nicht zu den Weltveränderern, die immer nur die Welt verändern wollen, aber sich selbst nicht. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass mir einige Lieder gelungen sind. Er sei, so sagt er über sich selbst, kein ideologischer Klugscheißer, der immer alles besser wusste. Doch, das war er. Aber ein erfrischender, bissiger, aufrechter Klugscheißer. Das war damals, als er noch in der DDR lebte. Und die Honecker-Republik von links anklampfte.
Inzwischen machen viele, die ihm und seinen Texten huldigten, einen Bogen um ihn. Weil er politisch nicht mehr wirklich links zu verorten ist. Und irgendwie schwammig in seinen Aussagen wirkt. Interessant sind freilich die Kommentare, die der Post bei Facebook geerntet hat. In einem Post 296 an der Zahl. Da wird über ihn, der einst nach einem Konzert ausgebürgert wurde, wie über den übelsten Verräter hergezogen. Als Verräter an linken Idealen, aber auch als Verräter ostdeutscher Identität, welche es ja gegeben hat und gibt. Weswegen nicht erst neuerdings jeder, der im Westen gelandet ist, wie auch immer, aus mancher ostdeutscher Sicht nicht einer von uns ist. Das Ost-Verhältnis bleibt angespannt.
Insofern irritiert mich derzeit die breite Gegenbewegung, die in vielen Medien im Gange ist. Nach der nicht ist, was nicht sein darf. Bei diesem Mainstream wird alles eingeebnet, was sich nach wie vor zwischen Ost und West schieben könnte. Einerseits aus dem hehren Motiv heraus, einen Schulterschluss beispielsweise im Kampf gegen rechts herzustellen. Dann wieder, um die nach wie vor drastischen Unterschiede vor allem auch in der Zustimmung für die Politik der AfD kleinzureden. Die hitzigen Kommentare und Debatten und die Tatsache, dass das Thema einen große Stellenwert einnimmt, zeigt, wie sehr tief noch Gräben klaffen – die allerdings nicht nur im Westen immer wieder neu und noch tiefer ausgehoben und gepflegt werden.

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