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Schon Majestät Beleidigt?

Irgendwie ist es gut und richtig, dass Paragraph 103 des deutschen Strafgesetzbuches abgeschafft wurde – andererseits ist es, finde ich, auch irgendwie ein Jammer. Denn gerade in diesen Tagen hätte ich gern auf die Probe gestellt, was man sich mit einer veritablen Majestätsbeleidigung einbrockt. Und wo diese besondere Form der Beleidigung, die ehedem, sofern sie sich gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten richtet, exklusiv bewertet und bestraft werden konnte, beginnt. Ob etwa, wenn man den Präsidenten eines Staates in Übersee ein Arschloch nennt, das eher eine belastbare wahrheitsgemäße Zustandsbeschreibung ist – oder ein unerlaubter verbaler Angriff mit möglicherweise unangenehmsten Folgen.

Nun ist es so, dass es zwar noch einen besonderen Straftatbestand aus Paragraph 90 des StGB gibt, der sich gegen Verunglimpfungen des Bundespräsidenten richtet. Ansonsten aber, so befand ehedem der deutsche Gesetzgeber, reichten die normalen Strafvorschriften zum Thema Beleidigung für den Ehrenschutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten aus. Ohnehin, das war auch damals so, ist es jeweils Voraussetzung, dass Deutschland diplomatische Beziehungen zu dem Land unterhält, dessen Organe und Vertreter sich beleidigt fühlen. Dass die Rechtsvorschriften auf Gegenseitigkeit beruhen und dass Betroffene bei der Bundesregierung einen Antrag auf Strafverfolgung stellen. Und das dann auch greift.

Aber dieses Konstrukt ist ja nun hinfällig. Und es ist im Prinzip wurscht, ob ich meinen Nachbarn über den Gartenzaun hinweg oder ob ich ein Staatsoberhaupt über den Großen Teich hörbar unflätig beschimpfe. Das nimmt einem, so sag ich mal, jeden Spaß und jede Herausforderung zu schauen, was passieren würde, täte ich Letzteres. Der türkische Präsident Erdogan war der letzte Staatschef, der versuchte, auf Grundlage von Paragraph 103 namentlich den deutschen Satiriker und Moderator Jan Böhmermann zur Räson zu bringen. Der hatte seine Schmähkritik an Erdogan im Öffentlich-Rechtlichen vorgetragen und war am Bosporus in Ungnade gefallen. Nicht so vor Gericht, das das Verfahren einstellte.

Es ist nicht wirklich zu klären, ob der Gesetzgeber, also der Bundestag, den Paragraphen 103 nach der so genannten Böhmermann-Affäre strich, weil er voraussah, dass er statt ausländischer Staatsorgane und -vertreter besser jene schützen müsse, die sich mehr oder weniger satirisch, vor allem aber vielleicht nah an einer nicht abzustreitenden Wahrheit entlang, über ausländische Staatsoberhäupter äußern. Was bedeuten könnte, dass außer einer läppischen Geldstrafe nichts mehr bei Beleidigungen dieser Art zu befürchten ist. Unfreiwillig satirisch ist allerdings mit Blick auf Staatschefs in Übersee, dass sie damit auf die gleiche Stufe wie besagter Zaunnachbar gestellt werden. Was an sich oft völlig stimmig ist.

Im Sinne einer Abrüstung strafrechtlicher Klärungen hitziger Wortgefechte sollte man Beleidigungen vielleicht eh weniger Gewicht geben. Sofern nicht andere Straftatbestände, etwa der der Volksverhetzung oder ähnlich demokratie- oder menschenfeindlicher Couleur berührt werden. Aber Politiker ob bisweilen schräger oder absurder Kursentgleisungen als, nehmen wir an: wahnsinnig oder plemplem in der Birne zu bezeichnen, sollte, gemessen am verheerenden Ausmaß mancher Entscheidungen nicht wirklich vor den Kadi kommen. Möglicherweise müssen Politiker begreifen, dass dem Untertan manchmal keine andere Wahl bleibt, als die zu beleidigen, deren Politik an sich mehr als beleidigend ist.

Was den ein oder anderen Staatspräsidenten, derzeit vor allem auf dem riesigen amerikanischen Kontinent, betrifft, gilt ohnehin das ungeschriebene Gesetz Wie du mir, so ich dir. Denn manche sind ja nicht nur Meister von, mag sein, eher harmlosen Beleidigungen. Sie verstehen es auch, andere wie Sklaven vorzuführen und das Völkerrecht zu brechen, in dem sie die Souveränität anderer Staaten und deren Bewohner:innen über deren Köpfe hinweg beugen wollen, und auch im Innern rechtsstaatlich fragwürdige und demokratiebeleidigende Politikveränderungen in Szene zu setzen. Da wäre, pardon Majestäten, eine Beleidigung in Arschloch-Größenform eher eine schönredende Zustandsbeschreibung.

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