by

Gestatten Euer Merkwürden

Ich bin nun wahrlich nicht Freund der aufflammenden europäischen und auch deutschen Agenda, wonach vor aller Diplomatie die Rede von der Notwendigkeit neuer Kriegstüchtigkeit kommt. Den Fokus auf Aufrüstung und zunehmende Militarisierung westeuropäischer Außenpolitik zu richten, ist aus meiner Sicht kein gangbarer Weg, um Frieden zu schaffen und zu sichern. Das betrifft auch und insbesondere den Krieg und Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Der, wenn weiter von allen Seiten auf Waffen und Sieg gesetzt wird, zu keinem Ende kommen wird. Zu einem guten Ende von Tod und Zerstörung schon gar nicht.

Wenn aber Journalisten wie der Freitag-Autor Lutz Herden sich daran reiben, dass der Alterspräsident des deutschen Bundestages, Gregor Gysi, in seiner Ansprache vor dem Parlament mit keinem Wort die nicht zu leugnenden Intiativen der Trump-Administration, den Ukraine-Krieg zu benden, erwähnt habe. Obschon diese Initiative ein Beleg dafür sei, dass Gysis Bekenntnis zur Diplomatie mit Leben erfüllt werde. Und Herden hinzufragt, ob es da etwa, ich füge ein Nur ein, einfach die Falschen seien, die das Richtige tun. Dann frage ich mich, wie verdreht das Denken eigentlich sein muss, bei aller Liebe zum Frieden Trump derart auf den Leim zu gehen.

Oder nein: Das Denken ist nicht verdreht. Es folgt einer Logik, die – und das ist der Haken – derart die ja tatsächlichen Versäumnisse und, von mir aus, auch Provokationen des Westens mit dem Handeln Russlands, der ukrainischen Gegenwehr und der bisherigen Aussichtslosigkeit für einen friedlichen Weg aus dem Krieg verknüpft, dass die Synapsen mit Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika geradewegs durchbrennen. Oder will uns Lutz Herden ernsthaft weißmachen, hinter der Trump’schen Initiative stünde auch nur im Leisesten Integrität? Wer das wähnt, der tut selbst den Diplomatie-Willigen nicht ansatzweise einen Gefallen.

Man muss keine intellektuelle Leuchte sein, um zu durchschauen, worum es dem US-Präsidenten bei seinem auf Gespräche setzenden Kurs geht. Er selbst hat es nur allzu offen deutlich gemacht: Es geht um die Aufteilung von ausbeutbaren Ressourcen, darum, keine einzige Milliarde mehr in die Ukraine zu investieren, wenn dabei nicht ein größerer Gewinn für die USA herausspringt. Und es geht um die Aufteilung von Macht. Auch und insbesondere auf Kosten von Westeuropa. Dafür ist er bereit, dem Kreml all seine Wünsche zu erfüllen und die Ukraine sukzessive in den wirtschaftlichen und ökonomischen Ruin zu treiben.

Auch ich bin kein Freund davon, weiter auf militärische Lösungen zu setzen. Denn es wird sie nicht geben. An Verhandlungen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin, das sehe auch ich so, wird kein Weg vorbei führen. Und es wird Kompromisse geben müssen. Auch solche, die der Ukraine und ihrem Präsidenten Wolodymyr Selenskyi nicht gefallen. Und über die sich der Kreml freut. Wer allerdings mit dem Ansatz in Gespräche geht, die Ukraine über zB Gebietsabtretungen hinaus komplett und in jeder Hinsicht um des eigenen Vorteils Willen zu schächten, der ist nicht Diplomat, sondern Metzger. Der ist der Falsche, der das Falsche tut.

Es ist nicht irrtierend, wenn sich in der ehemaligen DDR sozialisierte Journalisten wie Lutz Herden aufopferungsvoll für den Frieden einsetzen. Und nicht verwunderlich, wenn er für Freitag-Kommentare schonmal Lob von BSW-Chefin Sarah Wagenknecht bekommen hat. Verwunderlich ist, dass der letzte Abteilungsleiter Nachrichten beim Deutschen Fernsehfunk (Ex-DDR), der in einem Kommentar der Aktuellen Kamera im Oktober 1989 vor dem Einfluss ausländischer Kräfte auf den Fortbestand seines Landes gewarnt hat, heute die Diplomatie eines Autokraten wie Trump lobt. Und dessen Absichten unter den Tisch kehrt.

Der Freitag-Autor, der zu Recht den durchaus Russland provozierenden NATO-Kurs anführt, um nicht nur einseitig Licht in Krieg und Konflikt zu bringen. Und der ganz sicher Recht damit hat, dass sich geachtet dessen, was die USA derzeit unternehmen, Europa um eine eigenes neues System der Sicherheit zusammen mit Russland kümmern muss. Aber damit einerseits bei Russland Milde walten zu lassen und andererseits so zu tun, als würde Trump nichts weiter wollen, als Ruhe zu schaffen und die Europäer endlich mit der Nase auf ihre ureigenen Friedensaufgaben zu stoßen: Das ist dann ein bisschen viel der USA-Verharmlosung.

Es ist nicht zu übersehen, wie derzeit der Hang und Drang bei manchen herrscht, begründetes Schlechtreden einer zunehmenden Militarisierung der europäischen Innen- und Außenpolitik mit dem Schönreden einer vemeintlich um Frieden bemühten US-amerikanischen Politik unter Trump zu koppeln. Der in den Augen weniger Washington-freundlicher Beobachter der Falsche sei, aber das Richtige tue. Quasi der Falsche im Richtigen sei. Wenn es aber, so eine Adorno-Anleihe, nichts Richtiges im Falschen gibt, kann denn der Falsche etwas richtig machen? Ich fürchte, Lutz Herden, das wird nicht funktionieren. Und funktioniert nicht.

Insofern wird der Gysi-Gedanken der Diplomatie mit Blick auf den Russland-Ukraine-Krieg (und -Konflikt) leider nicht mit Leben erfüllt. Auch wenn dies Herden im Freitag nahe legen möchte. Denn Diplomatie setzt, bei allem Willen zu Kompromissen, vielleicht sogar mit Schräglage, voraus, dass alle Seiten eingebunden werden. Donald Trump freilich möchte einen Friedensschluss allein für sich verbuchen. Im wahren Sinn: durch mittelbare finanzielle Gutschriften. Aber auch durch eine Macht-Verabredung mit Putin. Ob das das Richtige ist? Bislang jedenfalls sind Trumps Bemühungen richtig-gehend ins Leere gelaufen.

Hinterlasse einen Kommentar