Eigentlich wollte ich hier nur Etwas über die Retrospektive schreiben, die der Gropiusbau der 92jährigen Künstlerin Yoko Ono widmet (für später Lesende gewidmet hat). Eine Künstlerin, die ich in den 1960er Jahren noch gar nicht kannte. Und die ich, wie Viele, erst im Kontext mit ihren Kunstaktionen wahrnahm, die sie gemeinsam mit Alt-Beatle John Lennon, kreierte – dann später auch als Plastic Ono Band, ebenfalls unter anderen mit ihrem damaligen Ehemann Lennon. Besucht habe ich die Ausstellung unter dem Titel Music of the Mind in Berlin am Freitag.
Vor allem war ich, vor dem Hintergrund komplexer Krisen und Kriege, angetan davon, wie damals einfache Botschaften wie das breit plakatierte WAR IS OVER – if you want it! in den USA eine millionenfache und jahrelange Welle von Protesten gegen den Vietnamkrieg begleitete. Der im April 1975 mit den legendären Bildern vom Flucht-Hubschrauber auf dem Dach der US-Botschaft im damaligen Saigon ein fast ikonisch festgehaltenes Ende fand. Ich überlegte, wie traumhaft es wäre, wenn man auch den Ukraine-Krieg so beenden könnte.

Derart enthusiastisch also wollte ich mich an diesen Text setzen – und anknüpfen. Und – unabhängig davon, ob jemand wie Wladimir Putin derart zur Räson zu bringen wäre – dafür plädieren, dass wir, statt uns in komplexen Analysen und Konsequenzen zu verlieren, einfach ebenfalls millionenfach und, wenn nötig, mit langem Atem sagen: WAR IS OVER – if you want it. Statt WAR HAPPENS – Let’s arm ourselves to the teeth. Ich weiß: Das ist wahnsinnig naiv. Vor allem wäre in Analogie ja auch das zivile Russland für breiten Protest gefragt.
Da freilich kann man, so sieht es aus, lange warten. Europa setzt weiter und verstärkt auf Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit. US-Autokrat Donald Trump, der es in einer psychiatrisch anmutenden Mischung aus Naivität, Gorilla-Sound und Abzocke (ukrainische Rohstoffe) weltherrschaftlich versucht, ist bislang nicht weit gekommen. Und auch gesellschafliche Organisationen können sich nicht drauf einigen, ob Frieden eher mit oder eher ohne Waffen machbar ist. Millionenproteste und Hubschrauber nirgendwo.
Das ist das eine. Dann las ich heute, am Sonntag (4. Mai) die Süddeutsche Zeitung – und mir wurde eine andere Seite der Gropius-Ausstellung beschrieben. Die insofern etwas mit den vorhergehenden Zeilen zu tun hat, weil mir darin bewusst wird, warum das mit millionenfachen Protesten und Hubschraubern nichts werden kann. Ich mach es kurz: Weil die Menschen zu blöd sind. Das ist ein bisschen pauschal formuliert? Genau. Und genau so pauschal wage ich das hier mal zu verteidigen. Und bin froh, dass ich das Dank der SZ tun kann.
Die berichtete nämlich, dass am Wochenende von der Künstlerin Peach eine Yoko-Ono-Performance nachgespielt wurde, die Ono das erste Mal Mitte der 1960er Jahre in Japan aufführte. Dabei sitzt Yoko Ono einfach da, angezogen – und das Publikum kann sich, mit einer Schere, Stücke aus ihrer (ehedem schwarzen) Kleidung schneiden. Bis zur Nacktheit, wenn es sein muss. Was heute viele feministisch interpretieren, Ono aber nach eigenen Worten buddhistisch meinte. Als ein Akt von Geben und Nehmen.
Yoko Ono, von der man noch weiß, dass sie ihre Weiße-Bett-Performance mit John Lennon als Friedensperformance initiierte und in die Welt trug, tat, malte, schrieb Vieles im Zeichen offensiver Friedfertigkeit. Und war bei aller Radikalität eine Künstlerin friedfertigen Miteinanders. Und nicht etwa fragwürdiger Übergriffigkeit. Dass bei einer der geschilderten Performance-Auftritte ein Mann ihr nicht nur per Schere, sondern auch sie küssend nahe kam, hm, ein Depp, würde ich sagen. Der was falsch verstanden hatte.
Wenn es stimmt, was die Süddeutsche jetzt schreibt, muss es bei der von Peach (in pink!) nachgestellten Yoko-Ono-Performance ein ganzes Herr von Deppinnen, vor allem aber Deppen gegeben haben. Meister der offenen Übergriffigkeit, so den Schilderungen nach zu urteilen. Die ihr Kappen aufsetzten, eigene Klamotten umhängten, ihr auch sonst in einer Weise nicht nur mental, sondern physisch auf den Leib rückten. Ich mag, ja liebe vielleicht sogar Berlin, aber das wäre, behaupte ich, in keiner anderen deutschen Großstadt passiert.
Aber in Berlin nimmt man bisweilen, ob als Einheimischer oder als Tourist, die Rede von Joseph Beuys, jeder Mensch sei im Grunde eine Künstlerin oder ein Künstler, gerne mal allzu wörtlich. Es muss eine Art kinderzoologisches Selbstdarstellungsbedürfnis gewesen sein, das die SZ da in ähnlicher Wortwahl beschrieb. Mag sein, in der Hoffnung, auf diese Weise am nächsten Tag auf einem Tagesspiegel-Foto ganz groß rauszukommen. Und es scheint die Mitmach-Menschen nichts davon abzuhalten, sich zu ausgesprochenen Idioten zu machen.
Womit ich dann wieder beim Thema Krieg und Frieden bin. Solange es derart viele Berliner und Touristen schaffen, sich derart bescheuert in Szene zu setzen, habe ich nur wenig Hoffnung, dass sich den komplexen Krisen und Kriegen eine einfache Botschaft entgegensetzen lässt, die zugleich in ihrer Einfachheit und von mir aus Naivität auch irgendwie intelligent ist. Wie etwa WAR IS OVER – if you want it. Wenn demnächst Millionen kriegstüchtig sind statt gegen den Krieg auf die Straße zu gehen, so beweist das nur, wie richtig ich liege. SHIT HAPPENS – and nobody is able to think about!
Es lebe Yoko Ono.

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