Deutschland nach vorne bringen: Und was fällt da der schwarz-roten neuen Bundesregierung da ein? Investitions-Booster, sprich Steuerentlastungen für Unternehmen. Der Wert: 46 Milliarden Euro. Also: 46 Milliarden Euro an Steuer-Mindereinnahmen. Die anderswo fehlen. Vor allem in den ohnehin angespannten Kassen der Kommunen. Man muss schon ziemlich neben der Spur sein, darauf zu setzen, dass das die deutsche Wirtschaft in einem Maße ankurbelt, dass die Mindereinnahmen des Staates durch ein Ankurbeln der Unternehmensgeschäfte ausgeglichen werden – und der Staat am Ende damit im Haben landet. Und dass dadurch Arbeitsplätze gesichert werden. Alles, was die ökonomische Erlebniswelt in der Vergangenheit in dieser Hinsicht zu bieten hatte, waren Gewinnsprünge und ein Pampern der Aktionäre. Die Stimmung stieg, betriebswirtschaftlich. Und volkswirtschaftlich?
Was Bundeskanzler Friedrich Merz und sein Vize, Finanzminister Lars Klingbeil bislang aufführen, ist purer Dilettantismus. Also das, was man auch von alten Regierungen kennt. Und das naive Kalkül, dass Pressekonferenzen vor bunten Wänden, das Raushauen von Milliardenbeträgen, großspurige Reden und allerlei Balken-Grafiken so viel Eindruck schinden, dass niemand hinter die löchrigen Fassaden schaut. Wirtschaftsexperten tun das – und warnen vor Illusionen. Aber was sind schon Wirtschaftsexperten gegen Experten im Verkaufen von Hirngespinsten. Die Menschen draußen werden, so dumm sind sie schon immer gewesen, auf Lug und trug hereinfallen. Auf teure Milchmädchen-Rechnungen und heiße Sommermärchen. Bis das Volk merkt, dass es, wieder einmal, reingelegt wurde, geht es in die Parlamentspause. Merz und Klingbeil wünschen schöne Ferien.
Wer lesen, schreiben und rechnen kann, und das ist die große Mehrheit im Land, wird allerdings etwas anderes notieren als untrügerische Zeichen des Aufschwungs. Die Rentenkasse klemmt. Die Pflegekassen leer. Krankenkassen kurz vor der Insolvenz. Angriffe auf Bürgergeldempfänger, die angeblich den Staat plündern. Immer größere Wohnungsnot und ins Nirwana steigende Mieten. Attacken gegen Zivilorganisationen, ohne die freilich viele soziale Aufgaben unerledigt blieben. Und wenn alles nichts hilft, dass gibt es ja noch eine AfD-geschwängerte, den Rechtsstaat beugende Migrationspolitik, die angeblich ausufernder Zuwanderung die Schuld an allem gibt, was schlecht läuft. Besonders an der schwierigen Finanzlage der Städte und Gemeinden. Am Ende kommt Union und SPD der AfD-Sprech ganz gelegen. Vier Wochen im Amt und schwarz-rot hat sich schon entzaubert.
Was wir erleben, ist eine Politik, die Stärke vortäuscht, um Hilflosigkeit zu kaschieren. Eine Politik, die von Anfang an breitbrüstig daherkam. Und auf eine Mischung aus sozialpolitischen Restriktionen und Law-and-Order-Kurs setzte. Entweder in Merz und Klingbeil haben sich zwei gefunden, die daran Gefallen haben. Oder SPD-Chef Klingbeil, dessen fragwürdiges Personal-Management in der eigenen Partei auf dem Umsichscharen von Ja-Sagern fußt, ist selbst zum Ja-Sager geworden. Zum Hanswurst von Friedrich Merz, der weiß, dass er nur einmal die Chance hat, zu zeigen, was er für ein ganzer Kerl ist. Zumal ihm schon Kritik aus dem eigenen Lager im Nacken sitzt, daran, dass er seinen Schuldenkurs im ersten Machtrausch über Bord geworfen hat. Beide Varianten werden Deutschland weder zu einem prosperierenden Staat machen noch zu einem Staat sozialer Verantwortung.
Wie egal das der Koalition ist, zeigt, dass sie sich die Taschen vollstopft, während die, für die sie Politik zu machen vorgibt, darben. Sprich: Nach einer kleinen Aufwärmphase kommt erstmal? Eine Diätenerhöhung. Schon das Wort Diäten ist eine Komplettverarschung. Denn mit dem, was man sonst darunter versteht, Abnehmprogrammen, hat das nichts zu tun. Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer könnte, nähme er seinen Job ernst, genau da mal anfangen: Bei der Kultur bundestäglicher Selbstbereicherung. Die von Union und SPD gepflegt wird wie die Flure im Reichtagsgebäude. Und für die der Berliner Tagesspiegel stellvertretend Krokodilstränen weint: „Was die Öffentlichkeit nicht immer sieht: Abgeordnete arbeiten hart und viel“. Daher vermutlich der Ruf von Parlamentspräsidentin Julia Klöckner, man möge doch ein bisschen mehr Präsenz im Abgeordnetenhaus zeigen.
Meine Kritik klingt wahnsinnig populistisch? Ein bisschen auch nach rechten System-Ressentiments? Wonach das Parlament eine Ansammlung von faulen, auch ohne Mandat gut situierten Damen und Herren ist? Der nicht so sehr kleine Unterschied: Ich schreibe das nicht, um das System, also die Demokratie, die parlamentarische Demokratie, mitsamt ihren vielen öffentlich-rechtlichen Verästelungen auszuhebeln. Sondern um daran zu erinnern, dass sich die Demokratie auf die schnodderige Art und Weise von Politik selbst ins Bein schießt. Und es furchtbar wäre, sie bliebe da völlig schmerzfrei. Mag sein, dass auch Merz und Klingbeil eher politisch-betriebswirtschaftlich denken. Und ihnen kurzfristige Effekthascherei lieber ist als die nachhaltige Festigung gesellschaftlichen Zusammenhalts, gepaart mit Weltoffenheit (schon da unterscheide ich mich eklatant vom rechten Lager).
Auf diese Weise treiben sie, solange die AfD nicht in Folge breiter demokratischer Bewegung oder wahlweise einem Parteiverbot aus der Welt geschafft werden kann, das Land weiter in die Arme blinder Wähler:innen. Die dann erleben müssen, dass das rechte Lager noch weniger mit sozialpolitischer Empathie am Hut hat, Demokratie und Rechtsstaat endgültig ruiniert. Und eine cancel culture betreibt, wie sie selbst Kulturstaatsminister Wolfram Weimer nicht schlimmer beschreiben könnte. Der hat dieser Tage von einem „Tugendterror“ von links und rechts gewarnt. Dann aber vor allem alles, was ihm links ein Dorn im Auge ist, angeprangert. Auch das passt. Denn von seinem Kanzler Merz wissen wir, dass er im Zweifel eher nach rechts als nach links schielt. Ausnahme: Wenn es ihn nicht schnell genug auf den Thron katapultieren kann. Dem Anfang, vielleicht auch schon dem Ende, seiner Regentschaft.

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