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Nur EinBisschen Drecksarbeit

Schaut man frühmorgens auf sein Handy, ist Eines gewiss: Irgendwo oben auf den Online-Seiten der Medien steht der Name Trump. Donald Trump. Man kann noch fast schlafwandlerisch drauf tippen, dass sich der US-Präsident in seiner Hybris schon wieder ein neues Szenario zurechtgelegt hat, mit dem er der Welt zeigen möchte, wo der Hammer hängt. Die Welt, das ist für ihn mal Russland, mal die Ukraine, mal Israel. Oder der Iran. Den ruft er, so es in den Minuten, in denen ich diese Zeilen schreibe, nicht anders kommt, im Konflikt mit Israel zur „Kapitulation“ auf. Und zwar sofort. Jetzt gleich. Bedingungslos. Sonst? Kurz zuvor hatte Trump noch auf Nichteinmischung der USA plädiert. Jedenfalls nicht auf Seiten Israels. Nun will er notfalls auch dem Ayatollah ans Leder. Man wisse, wo der „Oberste Führer“ stecke. Dann der stets parate Weiße-Haus-Spruch: „Unsere Geduld geht zur Neige“.

Nun, den Spruch hat Trump schon mehrfach hinausgerufen. Ohne dass sich irgendwo auch nur ein Grashalm bewegt hätte. Russland, Ukraine. Überall wollte der US-Autokrat mit diesem Spruch Feinden, aber auch Freunden, die sich seinem kurzzeitigen Diktat nicht fügen woll(t)en, Respekt einflößen. Aber wie das so ist mit Drohungen, deren Halbwertzeit sich als äußerst gering erwiesen hat, sie kümmern die Adressaten nicht (mehr). Und by the way, weiß man nicht immer, ob das gut oder schlecht ist. Im Zweifel dazwischen, würde ich sagen. Darauf, dass nicht alles für bare Münze gehalten wird, was man so im Zuge politischen Aufbrausens von sich gibt, setzt, so könnte man meinen, auch Neu-Bundeskanzler Friedrich Merz. Der, wahrscheinlich lobend gemeint, die Angriffe Israels auf den Iran die „Drecksarbeit“ genannt hat, die ja irgendwer, so klingt es, nunmal erledigen müsse.

Und zwar „für uns alle“. Ich weiß nicht, wen er damit meint. Mich etwa kann er nicht gemeint haben. Aber, wer weiß, vielleicht hat Merz ja Zugang zu „allen“, für die er zu sprechen denkt. Jedenfalls redete er im ZDF weiter frei von der Leber. Und durchaus mit Nähe zur Wahrheit. „Tod und Zerstörung“ habe der Iran danach „über die Welt gebracht, mit Anschlägen, mit Mord und Totschlag, mit Hisbollah, mit Hamas“. Ohne „das Regime in Teheran“, so Merz, wäre der Anschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 „niemals möglich gewesen“. Er habe daher „größten Respekt“ vor der israelischen Armee. Wäre sie nicht da mit ihrem Mut, „hätten wir (…) möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen und dann möglicherweise noch mit einer Atomwaffe in der Hand“. Das Alles mag stimmen. An der völkerrechtlichen Problematik ändert dies allerdings nichts.

Die Frage ist nämlich, und sie wird dankenswerter Weise auch in solchen Medien wie der FAZ erörtert, inwieweit es 1. eine ganz akute, also unmittelbar bevorstehende Gefahr für Israel, dem der Iran das Existenzrecht streitig macht, gibt. Und inwieweit es 2. daher berechtigt ist, dass Israel unter Führung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu den Iran mitsamt führenden Militärs, Wissenschaftlern und Atomanlagen angreift. Dabei zivile Opfer in Kauf nimmt. Und einen Krieg riskiert, der zu einem verheerenden Flächenbrand im Nahen Osten führen kann. Den die USA nicht wollen, die Europäer nicht wollen. Und der andere Krisen- und Kriegsgeschehnisse überdeckt, die sich ebenfalls gerade beunruhigend immer mehr ausweiten. Ist ja vielleicht egal, mag Merz finden. Eben „Drecksarbeit“. Wer glaubt, da blieben die Hände sauber, irrt sich. Beim Aufräumen fällt halt Schmutz an.

Wer Finanzstrategien auf dem Bierdeckel skizzieren kann, der kann auch mal kurz die eventuell lichterloh brennende Welt im Nahen Osten ordnen lassen, als würde man mit dem Kehrwisch ein bisschen Bohrkrümel wegschaffen. Die „Drecksarbeit“ machen, das passt zum alltäglichen Pulverdampf, den Trump aus Washington aufsteigen lässt. Ihn und Merz und Netanyahu treibt die Hoffnung, dass mit der „Drecksarbeit“ nicht nur das Atomprogramm des Iran, sondern gleich das ganze Mullah-System der Unterdrückung beiseite geräumt wird. Ob mit dieser Intension noch Verhandlungsangebote, die an das Terror-Regime gerichtet werden, verfangen? Unwahrscheinlich. Denn die Mullahs sind ähnlich unnachgiebig gestrickt wie die, die sie wegfegen wollen. Deswegen sind Mahnungen auch von der iranischen Opposition, wonach Krieg eher eine Diktatur stärke, durchaus ernst zu nehmen.

Daniela Sepehri, Bloggerin und Journalistin, macht im Berliner Freitag darauf aufmerksam. Die Deutsch-Iranerin weiß, wovon sie spricht. Sepehri mahnt, „militärischen Aktionismus“ nicht mit „politischem Realitätssinn“ zu verwechseln. Das Regime in Teheran gehe angesichts der israelischen Angriffe erst Recht gegen Regime-Kritiker vor. Die sind nun weder vor den israelischen Angriffen noch vor dem iranischen Sicherheits-Apparat geschützt. Und würden beiderseits instrumentalisiert. Wer jetzt sage, es ginge auch um den Sturz eines Regimes, das Terror zur Regierungspolitik mache, müsse sich fragen lassen, wo er denn die vergangenen über 40 Jahre lang war, in denen Oppositionelle im Iran für ihre Freiheit gekämpft haben – und dafür bitter bestraft wurden. Dabei hätte der Westen sie unterstützen können. Stattdessen habe er sich, so sinngemäß, weithin als zahnloser Tiger erwiesen.

Es ist in der Tat zu befürchten, dass es bei den Angriffen auf den Iran zwar um den Schutz Israels geht oder gehen mag, auch darum, dass jene „ausgelöscht“ werden, wie es von israelischer Seite hieß, die den Staat Netanyahus gern ganz von der Landkarte gelöscht sähen. Aber nur zuletzt dürfte es darum gehen, jenen Kräften den Rücken zu stärken, die anschließend friedlich den Iran neu gestalten könnten. Mit der Opposition in dem Land hatte der Westen noch nie wirklich viel am Hut. Es ging ihm darum, die Mullahs und ihre Macht im Zaum zu halten, ohne wirtschaftliche Verbindungen aufzugeben. Es war stets ein Waagnis (sic!) zwischen politisch-strategischen und ökonomischen Interessen. Solange die Mullahs nur nach innen Angst schürten, sah man kein Grund zum Handeln. Mit Israels Offensive ist die Büchse der Pandora geöffnet, das Pulverfass nicht mehr zu schließen.

Es führt für die USA und den Westen kein Weg mehr daran vorbei, sich dem schwelenden Konflikt zwischen Israel, der Welt und dem Iran deutlicher zu stellen. Und sich in Windeseile darüber im Klaren zu werden, was man mit der ein oder anderen Positionierung bewirkt. Mit Sprüchen jedenfalls ist in diesem Konflikt nichts zu gewinnen. Weder mit Sprüchen aus dem Hause Trump noch mit hemdsärmeligen Bemerkungen aus dem deutschen Kanzleramt. Hier wird nicht irgendwelche „Drecksarbeit“ erledigt, hier läuft, wer internationaler Player sein will, Gefahr, zu eskalieren. Oder er wählt einen Weg, das Schlimmste zu verhindern. Wenn das überhaupt noch möglich ist. Man sollte unbedingt Vorsicht wahren, sich nicht zum Büttel fadenscheiniger und das Völkerrecht verletzender Omnipotenz im Nahen Osten zu machen. Und sie als notwendige „Drecksarbeit“ abtun.

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