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Klöckner, Notre Dame?

Julia Klöckner, Notre Dame? Von wegen. Grässlicher als die Bundestagspräsidentin von der CDU kann man sich gar nicht über liberale Politik und Politikeinstellungen hermachen. Eigentlich sollte die Dame einen guten Eindruck in die Öffentlichkeit tragen. Und im Sinne aller demokratischen Parteien ihren Job verrichten. Doch irgendwie versteht sie ihr Amt reichlich miss. Das fängt bei ihrem streng spießigen Parlaments-Knigge-Kontroll-Ehrgeiz an. Und hört vermutlich nicht dort auf, wo sie der queeren Gruppe der Bundestagsverwaltung die geschlossene Teilnahme am diesjährigen Christopher Street Day in Berlin sowie das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude untersagt. Das ist eine offen rechtskonservative Einengung von Spielräumen und das Negativ von ihres Amtes würdig. Eine „Miss Bundestag“ ist und wird sie, so möchte man meinen, derart jedenfalls nimmer.

Es ist, das muss man ihr lassen, Amtspraxis aus einem Guss. Und es gibt, so geht es mir, Momente, da denkt man: Hatte sich das Parlament nicht dazu durchgerungen, an seiner Spitze so etwas wie ein AfD-Feeling zu verhindern? Statt dessen wird leider auch auf dem Platz hinter oder über dem Stehpult fürs Abgeordneten-Sprech der Anspruch einer offenen Gesellschaft (soweit sie sich im Rahmen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, also dem Grundgesetz bewegt) gebeugt, wie es ultra-konservativ nicht tiefer ginge. Alles, natürlich, mit den Regeln des Bundestags vereinbar. Wenn man sie denn so auslegt, wie Julia Klöckner sich das traut. Da ist die Kappe auf dem Kopf und ein Schriftzug „Palestine“ auf dem T-Shirt in jedem Fall rügensbilliger als die reihenweise starrköpfigen Statements von rechtsaußen. Es zählt mehr, was man sieht, als was so in Reden zu hören ist.

Dass das Äußere mehr zählt, als das Innere, gehört zum Besteck deutscher Biederkeit. Auch insofern ist es konsequent, wie Julia Klöckner ihr Amt ausübt. Da kann man tief drinnen in der Seele noch so sehr Demokrat sein, wenn nach außen nicht das – wie sie meint – Neutralitätsgebot sichtbar wird, dann ist Schluss mit lustig. Als würde sie, stets adrett gekleidet, das Neutralitätsgebot mit ihren – nun: ziemlich einseitigen Auslegungen der Regeln mit aller Kraft und Schärfe verteidigen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie macht sich, aber das ist im Lager der Christdemokraten täglich geübtes spezielles Understatement, ihren eigenen Reim auf die reichstagsgebäudemäßigen Umgangsformen. Danach darf man scharf rechts und im Fokus des Verfassungsschutzes stehen, wenn die Krawatte im Parlament richtig sitzt. Aber nicht etwa rumlümmeln, wenn man von links aufrecht die Demokratie verteidigt.

Ich mach’s kurz: Julia Klöckner will es nicht Allen recht machen, was man noch verstehen könnte, sondern eher alles rechts machen. Das ist eine Schlagseite, in der sich viele in der Union üben. Und nicht neu. Merz macht die „Drecksarbeit“ vor – alle turnen hinterher. Oder drumherum. So auch die Christdemokraten im EU-Parlament, die einen Ball, den die CDU schon national spielt, aufgenommen haben. Sie haben im Kampf gegen alles, was nicht so tickt wie sie, jetzt eine europäische Breitseite im Streit um die Finanzierung von Nichtsregierungsorganisationen (NGOs) gefahren. Und ein Kontrollgremium eingeführt. Zusammen mit der Fraktion der EKR, in der die polnische PiS-Partei und die italienischen Faschisten sitzen, und den so genannten „Patrioten für Europa“, dort sitzt Ungarns rechte Fidesz, und dem französischen „Ressemblement Nationale“ von Marie Le Pen.

Dieses Kontrollgremium soll vor allem solche NGOs, die sich für Umwelt- und Menschenrechte einsetzen und EU-Gelder erhalten, auf ihre Integrität abklopfen. Vorwurf: Die EU-Kommission würde die NGOs finanzieren, damit diese im Sinne der Brüsseler Bürokratiezentrale Lobbyarbeit betreiben und Unternehmen verklagen. Das soll gar dezidiert in Verträgen vereinbart worden sein. Liberale und Linke im EU-Parlament halten das für kompletten Unsinn. Schließlich habe Brüssel bislang vornehmlich im Interesse finanzstarker Konzerne gehandelt. Es gehe bei dem Geld für NGOs um die Frage gewisser Balance, mehr nicht. Gewittert wird hinter der Einrichtung des Kontrollgremiums nach Ansicht seiner Kritiker eher der Versuch, unliebsame NGOs gänzlich auszutrocknen. Statt, wie abstrakt nach außen argumentiert wird, einfach nur mehr Transparenz zu schaffen.

Kontrolle zum mehr oder weniger offenen Zweck politischer Gängelung ist mittlerweile so etwas wie rechtskonservatives Gemeingut. Das ist schon als parteipolitisches Instrument nicht sonderlich ansehnlich. Als Volte, die von einer Präsidentin des deutschen Bundestags ausgeht, ist derlei Indieschrankenweisen allerdings unerträglich. In der Vergangenheit haben es Bundestagspräsident:Innen aller Parteien immer geschafft, dem Amt tatsächlich so etwas zu verleihen, was Julia Klöckner einfordert: ein nötiges Maß an Überparteilichkeit, selbstverständlich mit demokratischer Intension. Nur die Amtsinhaberin selbst nimmt es damit nicht so sonderlich genau. Ihr Ordnungsbestreben richtet sich auffällig gegen solche Menschen in ihrem professionellen Einzugsgebiet, die ihr – da braucht es nicht viel Fantasie – auf der politisch linken Seite nicht sonderlich nahestehen.

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