by

Für Die Gerechtigkeit

Ungerechtigkeit. Ich habe in jüngster Zeit viel darüber nachgedacht, was mich seit meiner Jugend immer und immer wieder umgetrieben hat. Privat und politisch (obschon ja das Private, wie es ehedem in der Linken hieß, stets auch politisch, also Alles eins ist). Es ist dieses eine Wort: Ungerechtigkeit. Das nunmehr, ich würde sagen: seit rund 60 Jahren meine Seele, meinen Geist bewegt. Nie habe ich die Welt und in der Welt viele Menschen und Vieles, was in dieser ungerechten Welt den Menschen widerfährt, so ungerecht empfunden wie heute. Politiker sonnen sich im Ungerechten. Andere geben ohne nennenswerten Widerstand die Opfer. Und Menschen, die tief in meinem Herzen sind, müssen sehen, wie sie mit dieser Ungerechtigkeit fertig werden.

Insbesondere dies macht mich gegenwärtig traurig. Bisweilen auch unmutsbeladen. Weil ich nicht mal theoretisch eine Idee habe, was ich tun könnte, um über Worte hinaus zu helfen. Mag sein, dass es schon vermessen ist, darüber nachzudenken. Weil diese Ungerechtigkeit wie gottgewollt scheint. Nur glaube ich nicht an Gott. Und wenn ich es täte, wäre dieser Gott für mich auch ein Ungerechter. Nein, es gibt keinen Gott. Nein, es gibt für Ungerechtigkeit keine diesbezüglich gut zu nennenden Gründe. Nicht für politische Ungerechtigkeit, die etwa dazu führt, dass Menschen hungern müssen. Und nicht für persönliche Ungerechtigkeit, etwa eine Krankheit, die dem Menschen das Äußerste an notwendiger Kraft, aber auch allemal Energie spendende Zuversicht abverlangt.

Bestenfalls gelingt es, sich erfolgreich gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Indem man sie nicht als schicksalhaft betrachtet. Sondern die Chance nutzt, ihr die sanft Stirn zu bieten. Das gelingt, wenn man sich anschaut, wie viele es geschafft haben und schaffen, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wenden. Daraus Energie zu gewinnen – und aus der Energie neue Energie. Menschen halten sich bei den Händen und spüren, wie sehr man in Gemeinsamkeit der Ungerechtigkeit ein Schnippchen schlagen kann. Ungerechtigkeit, ob politische oder persönlich-private, schreit geradezu danach, sie in Gerechtigkeit zu transformieren! Sie nicht hinzunehmen, ihr mit Liebe, auch zu sich selbst, und mit anderen gemeinsam entschlossen und zuversichtlich zu begegnen.

Nein, ich bin nicht einverstanden mit der Ungerechtigkeit, die ich erlebe. Ich bin nicht einverstanden mit der politischen Ungerechtigkeit grossmäuliger vermeintlicher Helden. Und ich bin nicht einverstanden mit der Ungerechtigkeit, die sich mit Worten wie „Schicksal“ camoufliert. Im Grunde ist Ungerechtigkeit immer ein Ausdruck von Feigheit. Von Schwäche. Und dies: die Feigheit und Schwäche von Ungerechtigkeit ist, im Umkehrschluss, unsere Stärke. Wir lassen es nicht zu, dass uns die profane Ungerechtigkeit einfach so kapert. Wir hissen die Flagge der Empathie. Und setzen die Segel unseres Gerechtigkeitsempfindens. Gerecht ist, was für den Menschen spricht. Sein Wohlergehen und seine Unversehrtheit. Seine Integrität und seine Souveränität.

Ich knüpfe also, worum es immer geht, stets an meine frühen Vorbehalte an. Das mag penetrant wirken. Es braucht aber, so mein Eindruck, diese Penetranz. Die Welt ist voller Biegsamkeiten, die einem als Einsichten verkauft werden. Ich sehe aber nicht ein, weswegen ich mich und andere sich den ungerechten Dingen der Zeit beugen sollten, solange da ein Willen und eine Hoffnung sind. Die Ungerechtigkeit ist nicht die Schwester der Resignation, sondern der Wink, sich mehr denn je der Gerechtigkeit zuzuwenden. Tun wir es unablässig, besteht berechtigte Aussicht darauf, ihr ihren würdevollen Stellenwert zu geben. Wir sind für die Gerechtigkeit geboren und für sie zuständig. Und es ist unser gutes Recht, für sie zu trommeln! Wo und wann auch immer.

Hinterlasse einen Kommentar