Im Oktober 2023 habe ich in meinem Blog vom Vorläufer des BSW geschrieben. Der konstituierte sich damals medial begleitet – als Verein. Ich nannte die spätere Partei BSW, das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ eine „linke AfD“. Denn wie sich die Neugeburt politisch aufstellen würde, war von Beginn an nicht schwer zu erkennen. Populistisch. Eine Melange aus anbiedernd sozialer und migrationsfeindlicher Agenda! Gegen „das System“. Die vermeintlich linke Blaupause der Weidel-Chrupalla-Partei. Nun ist es soweit, dass zusammenwächst, was zusammengehört. Die Avancen von Wagenknecht Richtung AfD bestätigen, was seit jeher klar war, womit sich Die Linke freilich viel zu lange rumgeschlagen hat: Sahra Wagenknecht sieht nur ein bisschen aus wie Rosa Luxemburg. Das viel geübte Bemühen halbwegs kongruenter historischer Figuren führt(e) schnurstracks in die politische Irre.
Und so verläuft das Warming-up in Sachen populistischer Kooperation: Der thüringische BSW-Landesfraktionschef Frank Augsten trifft sich mit seinem AfD-„Amts“kollegen Björn Höcke. Fazit: „Konstruktiv diskutiert“. AfD-Chef Tino Chrupalla zur politischen Liebelei: Sie sei „im Bürgerinteresse“. Wagenknecht zu Chrupalla: Gespräche auch mit der AfD sollten „normal sein in einer Demokratie“. Brandmauer? Brandmauer ist für das BSW ein Begriff allenfalls aus der Welt gegnerischer Provokation. Zynisch würde ich sagen: Dass nun von Ostdeutschland aus zum zweiten Mal eine Mauer eingerissen wird, war absehbar. War da was mit demokratisch-weltoffener Revolution? In Thüringen werden erste Schritte zu einem bundesweiten rechtspopulistischen Pas de deux geübt, Nirgendwo könnte ein Bündnis Wagenknecht/Weidel besser Probegefahren werden als im Osten der Republik.
Ich höre die Einwände schon (wieder) gegen ein plumpes West-Ost-Hausdrauf. Dass der Osten freilich erneut, wie schon zu Anfängen des „Pegida“-Systembashings, eine Art Testballon, nun für ein erweitertes und nach Regierungsfähigkeit hechelndes populistisches Lager ist, lässt sich auch daran festmachen, dass das BSW-Führungsduo mit gespaltener Zunge spricht. Während die gebürtige Ost-Frau Wagenknecht offen einem Schulterschluss mit der AfD das Wort redet, will die Co-Vorsitzende und West-Frau Amira Mohamed Ali zunächst nichts von Tuchfühlung wissen. Das kann gewiefter Taktik geschuldet sein. Weil das BSW im Westen noch mit offener Rechtsbündigkeit hadert. Der Machthunger von Wagenknecht wird allerdings auf Dauer derlei Ressentiments, soweit sie bestehen, aufweichen. Mal „anzukommen“, ist nach wie vor Wagenknechts Obsession.
Wer glaubte, das BSW würde nach seinem Scheitern bei der Bundestagswahl resignieren oder sich gänzlich auflösen, hat sich geirrt und muss die Biografie von Sahra Wagenknecht aus dem Auge verloren haben. Sie, die noch kurz vor der Wende dem Altherren-Diktatur-Verein SED beitrat und den ersten Mauerfall als Konterrevolution geißelte, ist mehr denn je drauf scharf, dem Establishment zu Leibe zu rücken. Ihre nach außen gekehrte links-revolutionär anmutende Grundhaltung war in der DDR und später in der BRD seit jeher fragwürdig. Sie verknüpfte sich im Laufe der Zeit und mit abnehmender Hoffähigkeit in der heutigen Partei Die Linke sukzessive mit dem, was die AfD seit deren Gründung ausmacht: Der unverbrüchlichen Koppelung sozialer Ansprüche mit national(istisch)em Pathos. Deutschland den Deutschen, Flüchtlinge raus ist schon lange auch eine Wagenknecht-Parole.
Die-Linke-„Silberlocke“ Gregor Gysi hatte früh und beständig die krude Polit-Mixtur von Sahra Wagenknecht im Auge. Sie wolle, so ließ er einst kritisch vernehmen, „das Alte wiederhaben“. Und sperre sich gegen eine Reform der damals noch PDS. Was sie, weil Gysi mit Rückzug drohte, denn ihren Posten im Vorstand kostete. Doch Wagenknecht blieb hartnäckig, kehrte zurück und blieb auch nach der Umbenennung der PDS in Die Linke Führungsfrau – aber deswegen nicht weniger unbequem. Wegen ihrer Kreml-freundlichen Position zum Russland-Ukraine-Krieg wuchs der Widerstand gegen sie. Und auch ihr Buch „Die Selbstgerechten“, in dem sie Front gegen Bewegungen wie „Fridays for Future“ machte, brachte Parteimitglieder gegen sie auf. Man konnte zusehen, wie sie sich auch in der Corona- und Migrationsfrage ganz unverblümt ins Feld rechtspopulistischer Haltungen schlug.
Von der vermeintlich linken Kämpferin Sahra Wagenknecht blieb und bleibt wenig übrig. Im Sinne einer aufgeklärten Demokratie-Verfechtung eigentlich nichts. Beobachter gehen entgegen aller Annäherungsaktivitäten allerdings davon aus, dass auch dem BSW am Ende der Phase der Tuchfühlung zur AfD eher Bedeutungslosigkeit droht. Für die AfD seien die Avancen „ein Geschenk“, das BSW bringe sich dagegen damit „selbst unter die Erde“, meinte etwa der Politikwissenschaftler Constantin Wurthmann in diesen Tagen in der „Frankfurter Rundschau“. Seine Annahme: Die AfD nutze die prominenten Offerten aus dem BSW zur Eigenstärkung, während die Wagenknecht-Partei selbst nichts Wählerschöpfendes davon hat. Alles Rechte, so befürchtet, gehe durch das BSW-Agieren am Ende in der AfD auf. Wer gegen die Etablierten sei, müsse am Ende Weidel/Chrupalla/Höcke zusprechen.
Andere Beobachter verweisen auf eine mögliche Mehrgleisigkeit des BSW. In den Ländern schauen, was geht – wie in Thüringen und Brandenburg, wo die Wagenknecht-Partei ja bereits Koalitionspartner ist. Aber noch mit etablierten Kräften regiert (in Erfurt mit CDU und SPD, in Potsdam mit der SPD). Da könnte das BSW schon mal ein Auge drauf werfen, wie man weiter mitmischen könnte, wenn die AfD bei nächsten Wahlen das Ruder bis hin zum Regieren nach rechts schwenkt. Hier wäre ein gegenseitiges Salonfähig-Machen von eigenem Vorteil. Auf Bundesebene ist zwar längst noch nicht ausgemacht, inwieweit die AfD künftig reüssiert. Aber auch dort könnte das BSW mit seinen Kontakten vorbauen. Zumal schwarz-rot derzeit nicht besonders überzeugend agiert. Schon gar nicht mit Blick auf Sozialpolitik. Und was, wenn das Alles dem BSW und Wagenknecht nicht hilft?
Da gibt es Äußerungen von Sahra Wagenknecht, die auf eine noch andere Fährte führen. Wagenknecht nämlich schlägt der CDU vor, es doch ihrerseits mit der AfD zu versuchen. Sofern die AfD eines nahen Tages überhaupt noch einen Koalitionspartner brauche. Die bisherige Strategie, die AfD von der Macht fernzuhalten, ist aus Wagenknechts Sicht jedenfalls gescheitert. Und: Mehrparteienkoalitionen der gewohnten Farbenspiele, „profillos“, weil man „nichts miteinander gemein hat“ (Zitat Die Welt), hätten die AfD „nur stärker gemacht“. Was immer man hinsichtlich des BSW denkt, ist auch in diesen Aussagen erkennbar, wie sehr Wagenknecht mit der AfD rechnet – oder sogar auf sie baut. Nimmt man das mit der CDU ernst, stellt sich bloß die Frage, welche Rolle Wagenknecht in diesem Setting spielen mag. Eine Randfigur mochte sie bislang nicht sein, worauf schielt sie dann?
Vielleicht wird Wagenknecht, das ist eine natürlich eine vorerst einigermaßen kühne Betrachtung, zumindest mit einem nicht irrelevanten Teil ihres BSW irgendwo andocken. An die AfD? Und den westlichen Part ihrer Partei, die unabdingbar mit ihrem Namen verbunden ist, abstreifen? Weil der auf dem rechtsaußen liegenden Flügel nicht mitfliegen will? Politisch zutrauen könnte man Wagenknecht ein solche Volte allemal. Auch mit der Profilsucht, die sie umtreibt, wäre das vereinbar. Wenn, zudem, Weidel&Co hier eine zusätzliche Promi-Konkurrenz verkraften möchten. Der AfD würde ein derartiges, haltungsmäßiges ja nicht wirkliches Konvertieren auf dem Weg zu angestrebter Machtergreifung durchaus gefallen können. Rechts würde noch mehr Kraft und Klarheit entstehen. Wäre das nicht im tieferen Sinne von Wagenknecht? Im Interesse der AfD wäre das wohl allemal.

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