Hinweis: In einer ersten Fassung gab es noch nicht das Statement von Stefan Weber zu den Plagiatsvorwürfen gegen Frauke Brosius-Gersdorf. Das ist inzwischen hier eingefügt. Es lässt aber weiter mehr Fragen offen, als dass es Dinge klärt.
Vielleicht hat sein Namen ja mit seiner „Berufung“ zu tun. Stefan Weber hat, mal wieder, im „richtigen“ Moment, ein Bömbchen gezündet. In dem Moment nämlich, da über die von der SPD als Bundesverfassungsrichterin nominierte Frauke Brosius-Gersdorf im Bundestag abgestimmt werden sollte. Weber, der stets immer dann auffallend auf der Matte steht, wenn es darum geht, gezielt anderen unliebsame Menschen, etwa Journalist*Innen oder Politiker*Innen, mit Plagiatsvorwürfen aus der Bahn zu werfen, versucht sich erneut an seiner durchaus populistischen Profession. Dem fleißigen Weben von Mutmaßungen. Das verhagelt nicht Wenigen Pläne und Karrieren. Unabhängig davon, inwieweit am Ende etwas von öffentlich gemachten Mutmaßungen übrig bleibt.
Diesmal, wie gesagt, trifft es Frauke Brosius-Gersdorf. Sie ist seit Längerem als neue Richterin am Bundesverfassungsgericht im Gespräch. Da sammelte, wenn man der „Frankfurter Rundschau“ folgt, Weber Material. Sein Fundstück: Angebliche Textparallelen zwischen der Dissertation von Brosius-Gersdorf und der Habilitationsschrift von Ehemann Hubertus Gersdorf. 23 Verdachtsstellen, so heißt es, wolle der „Plagiatsjäger“ heraus gearbeitet haben. Die Dissertation freilich wurde, wie der Kommunikantions- und Politikberater Johannes Hillje auf der Plattform „X“ habe wissen lassen, 1997 fertig, die Arbeit ihres Mannes erst 1998. Nur nebenbei: Weber wurde schonmal wegen übler Nachrede in zweiter Instanz verurteilt, aber das nur am Rande.
Doch was heißt das schon, wenn, ich nenne es mal: Kreise daran interessiert sind, eine missliebige potenzielle Verfassungsrichterin aus der Fassung zu bringen. Wer solche „Kreise“ sein könnten? Nun, es gib da eine Menge Protagonisten aus der Ecke „Fies“, die daran Gefallen finden könnten. Etwa all die lieben Unions-Abgeordneten, denen Frauke Brosius-Gersdorf seit ihrer Nominierung für den Richterinposten ein Dorn im Auge ist. Wegen ihrer liberalen Haltung zu Abtreibungen beispielsweise. Oder wegen ihres Einsatzes für eine Corona-Impfpflicht. „Nicht wählbar“ stempelten deswegen Abgeordnete (50 oder mehr sollen es sein) aus der CDU/CSU-Fraktion des in der Masken-Affäre unter Druck stehenden Jens Spahn die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf ab.
Nur ganz Verschlafene kommen damit, dass Alles ein Zufall sein muss. Eher liegt es nah, dass die, die Frauke Brosius-Gersdorf verhindern woll(t)en, alle, aber auch wirklich alle einem Hinterhalt angemessenen Mittel in Stellung bringen wollten und brachten. Ein Mittel, und es ist weder eines der intelligenteren, noch eines der aufwändigeren, liegt in Stefan Weber verborgen. Verborgen? Nicht doch. Wer bei Stefan Weber bestellt, wird auch beliefert. Erst einmal mit, wenn fündig, so viel Material, dass es reicht, zumindest akut Personen anzuzählen. Denn Vorwürfe, das wissen wir aus anderen Zusammenhängen, sind, das ist ihnen immanent, geeignet, andere mit soviel Dreck zu beschmeißen, dass auch etwas davon hängen bleibt. Das hat schon Viele ausgebremst.
Weber selbst, der seine Erkenisse zu Brosius-Gersdorf donnerstagabend veröffentlicht hatte, sagte (auf Nachfrage!), er habe die Prüfung ohne Auftraggeber vorgenommen. Mag sein, aber wer will das überprüfen können? Wenn alle zusammenhalten. Eine Software, so Weber bei ntv, habe Übereinstimmungen bei der Dissertation von Brosius-Gersdorf und der Arbeit ihres Mannes entdeckt. Es sei unwahrscheinlich, dass sich ein Habiltant bei einer Dissertation bedient, aber möglich. Also, so die unausgesprochene Conclusio, könne es nur umgekehrt gewesen sein. Dunkel bleibt’s. Am Freitag postete dann Weber auf „X“, die Sichtweise der CDU sei falsch, dass „Plagiatsvorwürfe“ gegen „#FraukeGersdorf“ erhoben wurden. Semantik? Ein juristisch bedachter Rückzug?
Auch wenn sich alles am Ende als wenig belastbar herausstellte. Der Vorwurf und mit ihm Urheber Stefan Weber haben in sofern ganze Arbeit geleistet, als dass aus Sicht Interessierter das „Schlimmste“ verhindert oder beschmutzt wurde. Die Grünen sehen jedenfalls in dem Ganzen keinen Zufall. Und sie haben auch schon jemanden aus- und verantwortlich gemacht, dessen Figur eine nicht unwesentliche Rolle spielen könnte: Eben Jens Spahn. Der ramponierte ehemalige Gesundheitsminister und nun auch in der Masken-Causa angeschlagene Fraktionschef der Union könnte gut und gerne hinter der Weber’schen Veröffentlichung stehen. Er ist rechtskonservativ und es würde nicht wundern, wenn er Antreiber des Anti-Brosius-Gersdorf-Lagers wäre.
Die Grünen gehen sogar soweit, dass sie sagen: Wenn es der schwarz-roten Koalition nicht gelinge, ohne Chaos Nachbesetzungen des höchsten deutschen Gerichts zu ermöglichen, dann sei das Regierungsbündnis „an dieser Stelle gescheitert“ (die Grünen-Fraktionsvorsitzende Dröge laut „FR“). Dem kann man nur beipflichten. Wenn man noch andere Friktionen hinzunimmt und sie mit dem schwachen und im eigenen Beritt wackeligen SPD-Vize-Kanzler Lars Klinbeil mixt, dann sieht das nicht nach sonderlich großer Stabilität aus. Nur wenige Monate, gefühlt Tage, nach der Regierungsbildung, tappen Friedrich Merz und seine Regierungsentourage (samt dazugehörigen Fraktionen) von einem fetten Napf in den nächsten. Und drohen im Morast zu versinken.

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