Schon wenn man die Medien durchstreift zum Desaster der verhinderten Wahl neuer Richter für das höchste deutsche Gericht, bekommt man stante pede Zweifel, dass die Demokratie unseres Landes noch zu retten ist. Die Kommentare üben mal mehr, mal weniger Kritik an Unionsfraktionschef Jens Spahn. Wenn sie ihn kritisieren, dann fernab des Kerns seiner Gesinnung. Ist das gewollte Verweigerung von Analyse? Oder ist es, das wäre ja noch verständlich, Angst? Angst, die Augen vor der Realität zu öffnen? Die Republik, vorneweg rechte Portale und Bewegungen wie „Nius“, BDM-Nachfolge“feministinnen“ sowie eine schamlos nach rechts driftende Union, macht einen bange. Es ist, mit Verlaub, richtig schlimm! Und wird zusehends von Tag zu Tag bedrohlicher.
Kommentare in Medien, rechte Hetze gegen eine liberale Juristin in den „sozialen“ Netzwerken und Drohgebärden zeigen, wie es um unsere Republik bestellt ist. Unionsfraktionschef Jens Spahn und eine wüste Schar von Abgeordneten seines Lagers sind nichts weiter mehr als der verlängerte Arm von AfD & Co. Es wird immer deutlicher, was wir unter einer schwarz-blauen Regierung zu erwarten hätten. Nichts Geringeres als die Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat. Die hat jetzt im Bundestag begonnen. Getrieben von Rechtspopulisten und einem rechten Mob. Zu dem dürfen auch so manche Journalisten gezählt werden, deren selbstgewählter Job die nur wenig versteckte Anfeindung derer ist, die sich für eine denk- und weltoffene Gesellschaft einsetzen.
Um die Juristin wird in den Medien ein komplexes Netz aus Einsicht in ihre Haltungen geknüpft. Doch was so aussieht, als würde man um Zustimmung für sie und ihre Wahl zur Verfassungsrichterin werben, ist auf perfide Weise eine weitere Demontage ihrer Person. So wenig, wie es loyale Solidarität von Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seinem Vize Lars Klingbeil (SPD) gibt, so wenig loyal springen Medien demokratischen Gepflogenheiten bei. In dem Punkt für Punkt erklärt wird, warum die angegriffene Juristin ja gar nicht so fern dem Grundgesetzgedanken in ihren Positionen steht, wird auf die Dreckschleudern auf der Rechten eingegangen. Statt sich auf die Rechte und ihre Strategie zu konzentrieren. Nicht die Täter sind das große Thema, sondern das Opfer ist Thema.
Genau damit erfüllt nicht nur Jens Spahn, was sich die Rechte im Land nicht besser ausmalen kann. Sondern auch die Medien machen das Spiel auf ihre Art und Weise mit. Sie klingen, wenn man nicht genau hinschaut, wahnsinnig integer. Weil man vorgibt, die Juristin in Schutz zu nehmen. Ihr Überlegen freilich, ob sie das Amt der Verfassungsrichterin nach all dem, was passiert ist und passiert, überhaupt noch persönlich für erstrebenswert hält, zeigt, wie sehr hier alle, auch Journalisten, ganze Arbeit geleistet haben. Der Zweifel nämlich und das Abklopfen seiner Tragfähigkeit, ist schon Öl ins Feuer. Weil man den Zweifel ernst nimmt. Loyal wäre einzig gewesen, Spahn umgehend aus dem Fraktionssessel zu fegen. Und die Juristin ohne Zeitverzug ins Amt zu wählen.
Die so genannte politische Mitte und ihre medialen Handlanger sind, ohne es vielleicht zu erkennen, auf bestem Wege, die republikgefährdenden Geschäfte der Rechten zu erledigen. Was mit dem sukzessiven Einschwenken auf den migrationspolitischen Kurs von AfD, aber auch des BSW begonnen hat, bricht sich jetzt auch mit Blick auf den bedrohlichen Kurs der Rechten gegenüber unseren verfassungsrechtlichen Grundpfeilern Bahn. Wehret den Anfängen, das ist ein Spruch, der längst in den Wind geschlagen wurde. Es gibt diese so genannte Mitte nicht mehr, auf die man sich als Demokrat törichterweise verlassen hat. Jens Spahn und seine Entourage haben diese Mitte längst willentlich aufgegeben. Dennoch wird ihnen Schonung gewährt, im Vertrauen auf was, bitte schön?
Wir sind mit dem Scheitern der Richter*Innenwahl an einem Punkt angelangt, an dem es um nichts Geringeres als die Sicherheit und den Fortbestand unserer unabhängigen Gerichtsbarkeit geht. Wenn Bundeskanzler und Vize in dieser Situation nichts besseres zu tun haben, als die politische Zerreißprobe kleinzureden, dann beweist das einen Abgrund, aus dem kaum mehr herauszufinden sein dürfte. Sie – nicht die Juristin – beschädigen damit unsere Kultur zutiefst. Und nichts deutet auf eine konsequente Abkehr hin. Es passt zu dem Bild, das man sich derzeit in der Welt machen kann. Eine Melange aus Machtgier und Kleinmut. Eine explosive Mixtur, ein Angriff auf die Grundfesten dessen, was uns bislang zusammenhielt und Hoffnung gab, zumindest aber nicht hoffnungslos machte.
Was Rechtspopulisten, Spahn und teile der Union vorgeführt haben, ist kein politischer Fauxpas. Es ist eine weitreichende Erschütterung liberaler Traditionen. Ja, die gibt es in diesem Land. Andere pflegen aber offenbar lieber den Rückgriff auf finstere Zeiten deutscher Geschichte. Es ist nicht angemessen mehr, dies als Übertreibung abzutun. Und in billigen Talkshows hin und her zu wenden. Wir befinden uns an einem Scheidepunkt. Entweder wir opfern unseren aufgeklärten Geist Weidel&Konsorten. Oder wir stehen auf und demonstrieren für den Erhalt demokratischer Regeln und Gepflogenheiten. Der Bundestag scheint uns die nicht zu garantieren. Obschon das sein verfassungsrechtlicher Auftrag ist. Auch Medien haben hier eine Verantwortung.
Artikel 20, Absatz 4 unserer Grundgesetzes gewährt allen Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht ist. Und andere Abhilfe nicht möglich. Dieses Widerstandsrecht ist ein Notwehrrecht und soll den Bestand der Verfassung sichern. Widerstand, das muss in diesen Tagen bedeuten, mehr denn je „Alarm-Antifaschismus“ in die Spur zu setzen – und der AfD, aber auch einer sich rechtsfärbenden Mitte deutlich zu machen, dass mit dem aufgeklärten Teil unserer Gesellschaft eine derartige Politik, wie wir sie gerade erleben, nicht zu machen ist. Ansonsten werden wir zusehen können, wie sich das Land weiter vor den Pflug der Rechten spannen lässt. Es ist höchste Zeit, den Ernst der demokratiefeindlichen Lage zu erkennen.

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