Mit Freundinnen und Freunden wälze ich derzeit Dieses hin und her: Mal angenommen, das Land wird von schwarz-blau regiert. Wohin steuere ich? Zeige ich dem rechtspopulistischen Lager den nackten Arsch? Oder trete ich in den Ihrigen hinein? Wende ich mich ab und suche meine Seelenruhe in der Ignoranz und in Zuwendungen abseits des politischen Betriebs? Oder mische ich mich um so mehr ein, desto plumper die Demokratie gegen die Wand gefahren wird? Es ist beim Allem ja nicht nur die Frage nach der Verteidigung der eigenen Haltung, die sich stellt. Es ist auch die Frage nach den psycho-somatischen Auswirkungen, die zu beantworten ist. Wie jede Beziehung unterliegt auch die zur Politik einer gründlichen Einschätzung, was aushaltbar ist. Und was die Grenzen des Erträglichen überschreitet. So dass man ernsthaft um sein Leben fürchten muss. Trotz allen Widerstandsgeistes.
Der Autor und Journalist Ole Nymoen hat dies in Bezug auf die Frage nach seiner eigenen „Kriegstüchtigkeit“ und dem Willen, „kriegstüchtig“ zu werden, so wie es sich derzeit Bundesregierung und darin insbesondere der zur militaristischen Innen-, vor allem aber Außenpolitik neigende Minister der Verteidigung, Boris Pistorius, vorstellt, klar beantwortet. Er für sich lehne jeden Dienst an der Waffe ab. Er sehe auch nicht ein, ein Land auf Befehl gegen Feinde jenseits der deutschen Grenze verteidigen zu müssen. Er brachte es dem Sinn nach auf die Formel: Lieber unter einer aufgezwungenen Diktatur leben, als für einen – ja bisweilen fragwürdigen – demokratischen Staat sterben. Denn wer soll darin leben, wenn alle tot sind? Wer bleibt physisch am Ende übrig, um das Verteidigte mit Leben zu füllen? Ist Widerstand mit der Waffe, wenn es hart auf hart kommt, ernsthaft „der Sache“ dienlich?
Das ist, zugegeben, eine ziemlich radikale Ansicht. Sie könnte als eine besonders üble Art von Resignation gewertet werden, zumal mit Blick auf deutsche Geschichte. Andererseits ist diese Sichtweise konsequent. Zumal dann, wenn es dafür, dass es sich lohnt, sich für die Demokratie im Zweifel den Arsch aufreißen zu lassen, keine echte Garantie gibt. Für Bedrohungen von außen könnte ja noch gelten, so ein Einwand, dass man das, angenommen, demokratische Innere wenigstens im Zusammenhalt mit anderen im eigenen Land verteidigt. Für Bedrohungen von innen ließe sich sagen: Wenn die Mehrheit eines Volkes beschlossen hat, sich von rechten Demokratiefeinden demütigen zu lassen, dann soll es doch die Folgen tragen. Aber ich muss da nicht mitmachen. Und meinen Kopf für eine dumme Majorität hinhalten. Nur die dümmsten Kälber wählen, wie es sprichwörtlich heißt, ihre Metzger selber.
Beantwortet ist damit möglicherweise die Frage nach dem eigenen Überlebenswunsch. Nicht aber die Frage der Würde. Was stellen wir mit unserer Würde an? Mit unserer Integrität? Im Dasein ist, mag sein, die Würde Antriebskraft für seelische Unversehrtheit. Die freilich gegen die umfassende Versehrtheit gerechnet werden muss, die einem „blüht“, wenn man unter das Joch einer rechten Regierung fällt. Oder gar unter das Joch gewählter Faschisten, denn die wenigsten Rechten sind von dieser äußersten Form menschenverachtenden Zustands noch entfernt. Schon der Blick ins Jenseits freilich lässt ahnen, dass würdevoller Widerstand nicht belohnt werden könnte. Dass die Wehrhaftigkeit bald in Vergessenheit gerät. Und dass die Würde nicht nachhaltig ist. Sondern von Geschichtsklitterern alsdann mit Füßen getreten wird. Dann gerät auch alle Würde zum politischen Spielball.
Genau darauf heben Kritiker der Einstellung, wir hätten uns für unser Land in jedem Fall, auch in Zweifelsfällen, ins Gefecht zu schmeißen, ab. Vielleicht ist es, so könnte man meinen, würdevoller, sich, vor allem, wenn Widerstand eher aussichtslos erscheint, nicht in das chauvinistische Kräftemessen mit der Banalität des Bösen zu begeben. Sich nicht auf die Kampfansage der Rechten einzulassen, die sich mit ihrem Kurs gegen die Verfechter von Demokratie und Rechtsstaat richtet. Dann ist es, das hat etwas Biblisches, vielleicht widerständiger, Rechte und Faschisten in die Leere laufen zu lassen. Ihnen, wie oben angedeutet, den nackten Arsch zuzudrehen. Ihnen zu zeigen, dass man sich nicht auf ihr unterirdisches irdisches Niveau herunter begibt. Selbst dann nicht, wenn sie vor einem stehen und einem die Hölle heiß machen wollen. Leckt mich, ihr Deppen inklusive Kälbern.
Rechtspopulisten und Faschisten leben von der Zufuhr von Widerstand. Sie spiegeln ihre Niedertracht am liebsten in der Integrität von Demokratie, Rechtsstaat, Liberalismus und Weltoffenheit. Sie brauchen Opfer. Sie laben sich an den Niederlagen ihrer Gegner. Erst diese Niederlangen lassen ihre Macht vollkommen erscheinen. Eine gewagte These, wenn Widerstand nicht so groß ist, dass er absehbar mit Erfolg verbunden werden kann, wäre, zu meinen, Ignoranz wäre ein adäquates wirkungsvolles Gegengift. Sich dem Diktat einfach zu entziehen, könnte das geeignete Mittel der Gegenwehr sein. Andere Theorien gehen davon aus, dass Ignoranz wütend macht. Und auch das rechte Lager mehr anstachelt als in die Knie zwingt. So bleibt das Hin- und Herwälzen. Für eine Seite aber werden sich die, die es gut meinen mit der Republik, schnell entscheiden müssen. Der Mob steht vor der Tür.

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