In meinem jüngsten Wochenrückblick bin ich nur kurz auf die „Störaktion“ des „Zentrum für Politische Schönheit“ (ZPS) während des ARD-Sommerinterviews mit der AfD-Chefin Alice Weidel eingegangen. Die vielfachen Kommentare in deutschen Medien drängen geradezu dazu, näher auf die Frage einzugehen: Was darf Kunst können sollen, vor allem, wenn es darum geht, dem Rechtsextremismus im Land entgegenzuwirken? Muss nicht insbesondere (oder wenigstens) die Kunst jene Mittel mobilisieren, die der Nichtkunst verwehrt scheinen? Wenn Kommentatoren meinen, mit der „Störaktion“ habe das ZPS der AfD erst Recht (unverdiente) Aufmerksamkeit verschafft, dann ist das mehr als absurd. Die AfD liegt aktuell bei 25 %. Und bestimmt die politische Landschaft wesentlich mit. Bis hinein in die Politik der vermeintlichen Mitte. Da ist keine Zeit mehr für vornehme Zurückhaltung.
Im „Deutschlandfunk Kultur“ hat ein Kommentator gesagt, was zu der Aktion, die nun auch polizeilich verfolgt wird, zu sagen ist: Dass es durchaus Wesen der Kunst ist, zu provozieren. Und, in diesem Fall, einer Haltung Rechnung zu tragen, die eine unter etlichen legitimen Haltungen ist. Nämlich der, dass man mit Rechten nicht redet.
Derlei Sicht auch auf den Protest der ZPS in Berlin ist insbesondere nötig, da derzeit die Kunst, eigentlich das wichtigste Aushängeschild einer freien Gesellschaft, beargwöhnt und gegängelt wird, wie lange nicht mehr. Jeder Künstler, welchen Genres auch immer, wird nicht zuerst an der Kraft der Provokation gemessen, die Debatten befördern kann. Sondern daran, wie gut er es schafft, eben genau dies zu vermeiden. Das „enfant terrible“ soll sich benehmen, so ist es vermehrt abzulesen. Und die Spielregeln der Demokratie einhalten. Aber welche Spielregeln sind das? Schon Ende der 1960er Jahre wurden die Regeln des deutschen Spießertums aufgemischt. Und das nicht zum Nachteil einer progressiven Gesellschaft. Nun, so sieht es aus, sollen die Errungenschaften wieder eingemottet werden. Das stinkt ganz gewaltig nach kunstvoll abgeschüttelt geglaubter Restauration.
Die Kunst, das lässt sich an vielerlei Ressentiments ablesen, wird in voller Absicht zum Spielball der Politik gemacht. Dass die Politik selbst hier auf ihre Art und Weise in Aktion tritt, mag man unter deren ohnehin oft fragwürdiger Programmatik abhaken. Ihr ist es ja unbenommen, durchaus auch in bisweilen zensorischer Manier Auskunft darüber zu geben, wie sie es mit der Kunst hält. Oder wahlweise mit Spielräumen und der Freiheit in der Kultur. Dass allerdings auch die so genannte vierte Macht im Staat, Medien, sich im Zweifel eher dem Beugen und Diskreditieren im wahren Wortsinn verschreiben, ist bemerkenswert respektive bedenklich. Und nimmt zugleich die Öffentlichkeit in Sippenhaft, sofern sie der Kultur nicht grundsätzlich eine Vermeidungsrolle gibt. Auf diese Weise entsteht eine furchterregende Komplizenschaft. Man kann es auch Mainstream nennen.
Genau an dieser Stelle mag der Einwand der Rechten kommen, den sie stets für sich ins Feld führt. Dass man eben in Freiheit doch noch sagen können müsse, was man denke. Und dass Freiheit in Wort und Aktion auch denen gewährt werden müsse, die das Ende der Freiheit wollen. Nichts Anderes hat das ZPS im Grunde getan. Frau Weidel wurde ja nicht der Gang aufs „Podium“ der Öffentlichkeit, hier des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens, verwehrt. Es wurde nur ein Kräftemessen in Szene gesetzt. Wenn auch eines, dass nicht der Tragfähigkeit der Inhalte galt, sondern der Tragfähigkeit der jeweiligen Dezibel-Werte. Gepaart mit der gewünschten Botschaft, dass rechtes Gefasel durchaus im Lärm von Protest untergehen kann. Der Untergang der Rechten ist dabei gewollte Vision. Neben der Ansicht, dass Interviews dabei nicht helfen. Was nicht unbedingt so weit hergeholt ist.
Wenn schon Politik nicht in der Lage (oder gar gewillt) ist, der von vielen befürchteten Trumpisierung der politischen Landschaft entgegen zu arbeiten, dann sollten es Medien geradezu mittragen, dass die Kunst nach Kräften versucht, dies zu übernehmen. Trumpisierung? Es gibt nicht gerade wenige Hinweise darauf, dass sie auch hierzulande für Politiker offenbar erstrebenswert ist. Ob die Attacken gegen NGOs, also Nicht-Regierungs-Organisationen, ob Fahnen-Ukas oder der staatliche Kleidungs-„Knigge“ von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner: Es sieht nicht gerade danach aus, als würde derzeit, gerade vor dem Hintergrund einer erstarkenden AfD, besonders viel Freiheit proklamiert. Umso nötiger ist es, dass Künstler*innen diesen elementar wichtigen „Job“ übernehmen. An dieser Stelle mit der Plattitüde zu kommen, damit würde die Rechte gestärkt, lässt tief blicken.

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