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Warum Kein Häuserkampf?

Geschichte wiederholt sich – bisweilen leider, wie wir an der AfD ablesen können. Bisweilen könnte dies aber auch ein kleiner Segen sein. Wenn es etwa um die Adresse „Oranienstraße 169“ geht. Um das Haus, das im Berliner Kultviertel SO36, tiefstes Kreuzberg also, steht, rankt sich seit Jahren eine Story, die das Zeug zur Verfilmung hat. Denn, und das ist das Pikante an ihr: Verwickelt sind in die, manche sagen durchaus mafiosen Machenschaften nicht etwa geldgeile Immobilienhaie im klassischen Sinn. Sondern Protagonisten, die – bevor alles ruchbar wurde – gemeinhin als Verfechter linker Haltungen gelten konnten. Unter ihnen vor allem Journalist*innen. Die ihr Handwerk beispielsweise bei der „taz“ oder dem SPIEGEL begannen, dann zur „Zeit“ oder zur „SZ“ gingen. Und sich über wenige Jahre zu streitbaren Gentrifizisten entwickelten. Und besagten Haien in nichts nachstehen.

Und das ging nach im Sinn übereinstimmenden Medienberichten so: Die Gruppe kaufte das Haus unter besagter Adresse, ein offenbar dringend überarbeitungsbedürftiger Altbau, Anfang der 1990er Jahre für nach heutiger Währung 600.000 Euro. Für die Sanierung bekamen sie aus dem damaligen Modernisierungs- und Instandsetzungsprogramm des Berliner Senats, so ist zu lesen, in damaliger Währung 3,4 Millionen Mark, aktuell umgerechnet 1,7 Millionen Euro. Mit der Zusage, dort Umsicht walten zu lassen. Sprich: Keine Verdrängung der Altmieter, Wohnungs-Vermietung auch an Bedürftige, Eigennutzung der Käufer als Selbsthelfer, Deckelung der Mieten und Gemeinschaftsräume für soziale Projekte (so „taz“ und „Tagesspiegel“). Ein Vorhaben der eigens gegründeten GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) ohne, so schien es, Fehl und Tadel.Doch wahr wurde davon – nichts!, wie es heißt.

An die Oberfläche geriet, dass die großzügigen Zusagen wohl leere Versprechen waren, als die GbR das Haus 2022, so die „taz“, meistbietend verkaufen wollten. Besorgte Mieter*innen packten aus – und erzählten „plötzlich“, wie geschrieben steht, von „irregulären Mietzuschlägen oder Namen an den Klingeln von Personen, die dort schon lange nicht mehr lebten“. Ergebnis, so die „taz“: Der Verkauf platzte. 2022, das war das Jahr, als der Fördervertrag mit dem Berliner Senat auslief. Ein Investor sollte, so schreibt der „Tagesspiegel“, gefunden, das Haus, das einst mit wohlwollender Unterstützung des Landes Berlins aufgepäppelt wurde, nun mit Gewinn für seine Besitzer veräußert werden. Der Senat wachte endlich auf. Fordert nun, weil Zusagen nicht eingehalten wurden, den Förderbetrag zuzüglich Zinsen für das „besondere wohnungspolitische Projekt“ (im Tagesspiegel) zurück.

Der Vorwurf kurz gefasst: Linke Journalisten haben den Schwung der Gentrifizierung nutzen und sich mit Hilfe von Landes-, also Steuergeldern am Ende bereichern wollen. Dass ein Rettungsversuch, vom Baustadtrat des Bezirks „einfädelt“ (die „taz“) scheiterte, wirft zusätzlich einen Schatten auf das mit fetten Fragezeichen zu versehende Gebaren der GbR. Eine Genossenschaft wollte das Haus übernehmen, doch „die GbR hat sich nicht mehr bei uns gemeldet“, so der Genossenschafts-Chef. Man kann sich seinen Teil denken, auch der dürfte nicht auf Integrität der Haus-Besitzer schließen. Dass ausgerechnet die „taz“, aus deren Beritt GbR-Vertreter stammen, die Geschichte mit dem Hinweis verziert, auch „anderswo“ gäbe es „Verstöße gegen Förderauflagen“, lässt, nun ja, die zum Himmel stinkende Nummer nicht besser riechen. Eher wird sie dadurch noch verruchter.

Wer Namen lesen will, den muss ich hier enttäuschen. Aber es gibt sie. Auf Anhieb sind sie allerdings nur auf Portalen zu finden, die eh immer gern mit der „linksversiften“ Welt abrechnen. Blöd dann allerdings, wenn den Portalen derartig reichhaltiges Futter geliefert wird. Gut zu machen ist das Image der Oranienstraße 169 eigentlich nur, wenn man nochmal einen ganz und gar sentimentalen Blick auf den Häuserkampf der 1970er Jahre und später wirft. Als in Frankfurt und in anderen deutschen Städten dem Heer an Immobilienspekulanten ein Heer von Besetzern zur reinen Geldvermehrung aufgekaufter Grundstücke und Gebäude gegenüber stand, das dem tatenreich einen Riegel vorzuschieben suchte. So leicht wollte man damals miese Geschäften, denen Staatsträger oft freundlich zusahen, nicht durchgehen lassen. Und nahm diesbezüglich selbst über Nacht von Häusern Besitzt.

Ein anderer Gedanken wäre, dass die GbR besagter Adresse aus Scham vor der eigenen „Fehlbarkeit“ alte Versprechen wahr macht und eins drauf setzt. Nämlich einer Genossenschaft das schicke Areal unentgeltlich zu übereignen. Das wäre dann zwar keine per se ideelle Gutmachung begangener Ungereimtheiten. Die bleiben. Doch würde man auf dem Rücken eigener Unzulänglichkeiten nicht auch noch ordentlich Reibach machen. Und nicht nur das eigene, sondern das ohnehin angekratzte Image einer ganzen Zunft weiter in den Schmutz ziehen. Dass unter den GbR-Protagonisten auch solche sind, die früher einmal das Geschachere auf dem Wohnungsmarkt geißelten, ist schlimmer als bittere Ironie. Dass ein „taz“-Autor, der grob der Generation einiger GbR-Menschen nah sein dürfte, in diesem Fall auf viele andere Fälle verweist, hat, was man im Südwesten der Republik ein „Geschmäckle“ nennt.

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