Zölle, Aufrüstungs-Hallali, Sozialdemontage, Kulturkampf: Darauf lässt sich aus meiner Sicht derzeit die tägliche Dosis an mehr oder weniger offener Rambomania herunterdeklinieren. Ich stehe auf, schaue kurz in die Nachrichtenportale – und schon wird mir eine multiple Infusion an toxischen internationalen und nationalen Stoffen verabreicht. Trump, Putin, Netanyahu, neuerdings auch verstärkt Selenskyi, hin und wieder Erdogan und Xi…hierzulande AfD, dicht gefolgt von Spahn, Merz und Köhler, an der Seitenlinien Klingbeil: Um 7 Uhr ist man wach, spätestens um 9 Uhr erschöpft. Ich bin Rentner und kann mich nochmal auf die Seite drehen und träumen. Von dem, was ich an Visionen als junger Mensch hatte. Das hilft, den Blutdruck im Zaum zu halten. Generell aber fürchte ich nicht nur psychischen, sondern auch physischen Schaden. Das hat das Zeug für Klagen wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Nehmen wir allein den Zoll- und im Schlepptau den Sanktionskurs von US-Präsident Trump. Gestern wollte er noch die Daumenschrauben zum 1. August andrehen. Heute ist es der 7. August. Selbst die rechtsextreme italienische Ministerpräsidentin Meloni, die nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen vor Donald Trump zu Kreuze kriecht: Vergebens. Wer glaubt, dem Mann ist per vorauseilendem Gehorsam ein wenig seiner neuro-gefährlichen Hybris zu nehmem, erkennt: der Mann hat einen Sprung in der Schüssel. Gepaart mit einer Agenda der Selbstüberschätzung, der Ignoranz auch dem Zustand seines eigenen Landes gegenüber, plus rechten Einflüsterern und Realitätsverweigerung, lässt sich eigentlich nur sagen: Verigss den Deppen. Aber so einfach ist das nicht. Irgendwie kleben wir weiter an den USA. Freilich ist aus der Partnerschaft inzwischen eine beispiellose Gaga-Nummer geworden.
Während alle wie gebannt auf die nächsten Stunden warten, um zu schauen, ob sie unter den nächsten Trump-Opfern sind – oder erstmal für maximal 24 Stunden aufatmen können, scheinen allein die Regierenden der Volksrepublik China entspannt. Sie konzentrieren sich, wenn auch mit ständigem Seitenblick auf die Vereinigten Staaten, darauf, was sie bisher am Besten können: Sich einen Teil der Weltherrschaft mit den Mitteln übergriffiger Ökonomie zu sichern. Gestern die Bodenschätze Afrikas, heute der deutsche Mediamarkt. Wo immer unter dem Vorwand, helfen zu wollen, das eigene Geld vermehrt werden kann, wird per Avancen zugeschlagen. Manche stehen derweil derart in der Schuld Pekings, dass jedwedes Aufmucken stante pede die Insolvenz nach sich zöge. Im Ringen nennt sich das Klammern, und je wilder die Befreiungsversuche, desto zunehmender bleibt dem Gegner die Luft aus.
Klammern, das findet auch die bald ehemalige Chefin der Grünen Jugend, nicht fair. Jette Nietzard wirft deswegen das Handtuch. Sie hat sich mit ihren provokanten Aktionen, auch im Bundestag, nicht gerade beliebt gemacht. Dass sie sich den Unmut der politischen Konkurrenz einhandeln würde, war ihr bewusst. Dass ihr aber auch aus der Mutter-Partei scharfer Wind entgegenweht(e), war nicht gerade Ansporn, weiterzumachen. Ja, ja, die Grünen. Lassen sich von der öffentlichen Debatte mittlerweile mehr einschüchtern, als dass sie Mut zu linksgestrickter Offensive hätten. Vorbei die Zeiten, als sie dem etablierten Lager einheizten. Heute ist bei ihnen ein eigenes fragwürdiges Establishment im Sattel. Eines, dem Teilhabe an Macht wichtiger ist als politische Integrität. Nur zaghaft weht noch ein Hauch von Joschka Fischer, der sich nie derart preisgab. Und Integrität und Machtstreben auszubalancieren wusste.
Bloß nicht zu den eigenen Leuten halten – wenn sie denn, so eingeräumt, wie Jette Nietzard nicht den vornehmsten Ton treffen. Was sind schon die Botschaften dahinter?! Der „Kulturkampf“ der Rechten (schlimmstenfalls) und der Spießer (auch die zum Kotzen!) sucht sich seine Opfer. Und die, die sie schützen sollten, spielen das miese Spiel mit. Das Vorsitzenden-Duo der Grünen ist da inzwischen schmerzfrei. Früher schützte man jeden Baum, jetzt nicht mal die eigenen Mitstreiter. Nichtmal vor BILD und der AfD. Das ist wie bei Facebook. Dort hatte mir neulich ein Roger Widmer den Kommentar „Ein Kondom hätte Sie verhindert“ zu einem meiner Blogbeiträge hinterlassen. Meine Bitte, diesen schäbigen Vogel zur Räson zu bringen, blieb, erhört, dann unerfüllt. Ich könnte mich ja via Gericht wehren. So weit kommt’s noch: dass ich über eine Bitte hinaus meine Zeit mit derartigem Schmutz vergeude!
Jetzt fehlt mir eine elegante Überleitung. Jedenfalls komme ich nochmal auf den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ zu sprechen. Und den Preisträger Karl Schlögel. Dem ich den Preis nicht gönne, weil ihm, dem Russlandkenner und Osteuropa-Experten, zum Russland-Ukraine-Konflikt nurmehr einfällt, dem Krieg das Wort zu reden. Allein „Die Zeit“ hatte den Mumm, hier nicht ohne jede Anmerkung dem Waffennarrentum zu folgen. Und ein pro und Contra zu der Preiswahl der Jury zu veröffentlichen. Das, so finde ich, wäre ja nun mindestens angebracht gewesen. Gerade weil es um einen Friedenspreis geht und nicht um die Heldennadel am Revers. Aber auch da ist selbst die sonst scharf denkende „TAZ“ in den Strom derer eingeschwenkt, die glauben, Krieg wäre der beste Weg zum Frieden. Und der Russe stünde vor der Tür – und zwar nicht in Form des Bolschoi-Balletts.
Ich habe es mehrfach angemerkt: Nein, ich bin kein Putin-Versteher. Und: Ja, ich halte den Überfall auf die Ukraine ohne Wenn und Aber für völkerrechtswidrig. Ich bin für die Ukraine, wenn auch nicht unbedingt ein Freund ihres Präsidenten. Aber ich bin auch dafür, sich von Putin nicht die Sondervermögen für Waffen diktieren zu lassen; denn auch solche Ansinnen sind Teil seiner Diktatur. Es gilt für mich weiterhin, mir seine Strategie genau anzuschauen und nicht durch die Brille von Rheinmetall oder Verteidigungsminister Pistorius. Dass ich mit dieser Meinung in die Ecke naiver friedensbewegter BSWler gestellt werde, juckt mich nicht. Genauso wenig, wie es mich juckt, mit meiner allerschärfsten Kritik am Vorgehen Netanyahus in Gaza von der „Jüdischen Allgemeine“ als Antisemit „entlarvt“ zu werden. Noch bin ich nicht bescheuert, gebe aber rechtzeitig Bescheid, versprochen!
Zum Schluss möchte ich, den Bergen nicht unzugewandt, etwas zu dem Sagen, was mich abseits der Politik diese Woche bewegt hat: Der Tod von Laura Dahlmeier. An ihrem, wenn ich den Stimmen anderer Glauben schenke, Lieblingsberg, dem „Laila Peak“ in Pakistan. Es ist schmerzhaft, zu realisieren, wie Liebe von einem auf den anderen Moment den Tod bedeuten kann. Und ein Lachen über die Schönheit der Welt durch einen Steinschlag erlischt. Die, die sie gekannt und erlebt haben, werden Laura Dahlmeier allerdings mit ihrer fröhlichen Seite in Erinnerung behalten, die stärker ist, als die Folgen des Permafrosts. Ich wünsche freilich allen, die die steilsten, wenngleich schönsten Gipfel der Welt erklimmen wollen, dass sie eingedenk der Ignoranz gegenüber dem Klimawandel deren Gefahren im Blick behalten. Jedes Opfer am Berg war und ist eines zuviel.

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