Ich würde so wahnsinnig gerne was über Die Linke schreiben, was mir so richtig Freude bereitet. Aber ich fühle mich nicht danach. Die jüngste Umfrage macht mir wenig Hoffnung. Und die braucht es auf dem Weg zum Mut. Vielleicht ist es auch umgekehrt. Aber wieder mal 25 % für die AfD, und die stets stabil von 24 % aus. Für Die Linke dagegen nach einem Aufwärtsschimmer „nur“ 10 %. Das nimmt mir wahrlich den politischen Drive. Auch der neueste SPIEGEL-Beitrag über die Partei von Reichinnek & Co gibt mir keinen seelischen Auftrieb. Alles, was ich lese, ist das Gegenteil von dem, was ich mir gegenwärtig an dringlicher linker Politik vorstelle. Oder zumindest kommt es dem nicht sonderlich nah. Ja, auf TikTok, da ist Heidi Reichinnek weiter eine ziemlich große Gemeinde sicher. Aber ich bin mir sicher, dass das nicht reichen wird, um den gefährlichen Rechtsdrall in unserem Land aufzuhalten.
Ich bleibe dabei, was ich schon früher schrieb. Und was linken Visionen von einer linken oder wenigstens linksliberal-getragenen Bewegung gegen rechts, nicht entgegensteht, aber auch nicht zuträglich ist. Die Gefahr, dass man Politik mit „lustigen“ Politik-Video-Schnipseln auf TikTok auf die Dauer eher infantilisiert, ist nicht gering. Mag sein, dass der SPIEGEL seine Story absichtlich unter anderem damit geschwerpunktet hat, die Linken-Fraktions-CoChefin Reichinnek bei der Auswahl ihrer Werbesticker zu porträtieren. Wonach die „Hoffnungsträgerin“ der Linkspartei, als die sie unablässig gelabelt wird, ein Faible für Nacktmull-Tierchen hat. „Politik als Pop“, nennt das Magazin das, mit der auf „Bodypositivy“ gemacht werden soll. Nach dem Motto „jede und jeder ist schön“. In ihrem Büro sollen sich eine Menge Insignien der Kuschelwelt sammeln. Post von empathischen Fans. Wie zu „Bravo“-Zeiten.
Ob das auch hilft, die stoischen Herzen, ich würde sagen: der Mehrzahl der Unionsabgeordneten im Bundestag, zu erweichen? Bisher hält die CDU, die CSU sowieso, am strikten „Nein“ zu einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit mit der Reichinnek-Partei fest. Unter Rechtsausleger Jens Spahn, dem immer lauter nachgesagt wird, dass er eher ein Auge auf rechts-konservativen Schulterschluss legt, wird sich das nicht ändern. Die Frage ist, ob Reichinnek, die sich laut SPIEGEL eher als linke Reformerin sieht, denn als rote Barrikaden-Kämpferin, überhaupt auf Reputation im Unionslager schielt. Andereseits: Ihr Kurs zwischen Provokationen im Bundestag und kritisch-lustigen Anhänger-Werbe-Filmchen lässt nicht immer so klar erkennen, inwieweit die junge Mutmacher-Strategie in eine konsequente, ernsthafte Kampagne gegen rechts und rechte Konservative münden könnte.
Derzeit kommen mir da eher dichter werdende Zweifel. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich Die Linke zu sehr selbst gefällt – statt mehr zu schauen, ob sie auch anderen gefällt. Denen, die eher abseits allzu bunter TikTok-tiraden ängstigt, dass, wenn man nicht Himmel und Hölle in Bewegung setzt, die AfD spätestens 2029 zur Teil-Macht greifen könnte. Wenn man die Lage in Europa betrachtet, ist das nicht weit hergeholt. Rechts der Linkspartei scheint man das (noch) nicht sonderlich bedrohlich zu finden. Sondern arbeitet sich statt an notwendig ambitionierten Sozialprogrammen lieber an den Untiefen der Außenpolitik ab. Dass die AfD genau in diese Kerbe – verknüpft mit nationalistischem Pathos und Weltverschlossenheit – schlägt, müsste Die Linke mahnen: Faschisten ihre Verlogenheit um die Ohren zu hauen. Und dies politisch so breit wie möglich zu orchestrieren.
An Bemühungen in diese Richtung ist freilich weiterhin nichts wirklich erkennbar. Nicht an Ideen, den oder die politischen Gegner öffentlichkeitswirksam zu stellen. Statt dessen ist im „Freitag“ ein Artikel zu lesen, der auf die ambivalenten Positionen der Gewerkschaften verweist. Etwa auf die, aus Arbeitsplatzerwägungen der prosperierenden Rüstungsindustrie zu huldigen. Und sich weniger darum zu scheren, wie etwa Sozialpolitik mit Friedensperspektiven verknüpft werden könnte. Hier gäbe es für Die Linke ausreichend zu tun. Um Protest gegen einen Ausverkauf der Sozialpolitik auf die Straße zu tragen. Voraussetzung ist, auf die Gewerkschaften zuzugehen. Die Sozialverbände einzubinden. Linke Kräfte aus SPD und Grünen an Bord zu holen. TikTok-Stimmen sind per se keine lautstarke Kraft. Hier werden Haltungen deutlich. Doch sie versickern peu a peu im Millionen-User-Nirwana.
Der SPIEGEL gibt eindrucksvoll wieder, wie vergleichsweise läppisch Die Linke ihren selbstgestellten Kampfauftrag versteht. So sei Reichinnek im Juni beim Landesparteitag in Hannover mit „Aufklebern im Gepäck“ angerückt, die, wie besagt, zuvor in Berlin erdacht worden seien. Der Nacktmull eben, mit „Glitzersternchen“ versehen und dem Spruch „You are beauti-mull“. Das mag die Stimmung gehoben haben, ist aber ein Einfältigkeit in Sachen Mobilisierung für eine ernstzunehmende Abwehr der Merz-Klingbeil-Politik kaum zu überbieten. Die Zeiten neigen sich dem Ende, da es auch nur einen Funken Hoffnung gab, mit gewohnter Fraktionsarbeit neben Aufmerksamkeit auch effektiven Einfluss auf Regierende nehmen zu können. Es bedarf origineller Aktionen, einer sozialpolitisch drängenden Phalanx. Da war das „Zentrum für Politische Schönheit“ mit seinem AfD-ARD-Störmanöver deutlich weiter.
Die Regierenden dürfen sich nicht vom Protest begleitet fühlen, sie müssen erleben, wie ihnen Steine in den Weg gelegt werden. Von Menschen, die sich nicht mehr länger hinters Licht führen lassen. Freilich auch nicht von einer AfD und ihrer rechten Anhängerschaft, die versucht, ihre rechten Vorstellungen von einem autoritär-nationalen Staat auf dem Rücken einer ohnehin arg gebeutelten Bevölkerung in Realitäten zu transformieren. Es muss mehr als in luftigen PR-Nummern deutlich werden, dass der massive Sozialabbau im Land nicht mehr hingenommen wird. Und dass „Reformen“ oder „Reform“ideen, die die Lage weiter verschärfen, nicht länger zugeschaut wird. Um dann per Wahldemokratie erneut unser Kreuzchen vor leeren Versprechungen abzuringen. Wer dem derzeitigen schwarz-roten Kurs zuschaut, schaut auch dem Erstarken der AfD zu. Das kann und das darf nicht sein.

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