Ich stelle mir das so vor: Josef Schuster und Volker Beck haben bei ihrem Handy stets eine Alarmfunktion scharf geschaltet. Die immer, wenn aus ihrer Sicht „Antisemitismus“ am Werk zu sein scheint, unüberhörbare Töne von sich gibt. In dieser Woche war es mal wieder so weit. Diesmal traf es sogar „unseren“ Bundeskanzler Friedrich Merz. Der sich doch tatsächlich erdreistet hat, für einen Teil deutscher Waffen ein Export-Verbot Richtung Israel auszusprechen. Nämlich für all die Waffen, mit denen der israelische Ministerpräsident Netanyahu sein verbrecherisches Vorgehen in Gaza fortführen kann (oder könnte). Ohlala, da vibrierten die Handys beim Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland und seines Mitstreiters von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) aber, was das Zeug hielt. Und schon kamen die Statements, in voller Schärfe. Sinngemäß und im Sinne von Netanyahu: Deutschland belohne palästinensische Terroristen. „Punktsieg der Hamas“, so die DIG in erwartbarem Sprech.
Die Begründung für den Exportstopp gehen, wenn Volker Beck und Josef Schuster aufwachen, erstmal unter. Ist ja auch nicht so einfach, neben dem abrupten Adrenalinstoß die Contenance zu bewahren. Die Entscheidung des Bundeskabinetts, nicht mitzuhelfen, in Gaza weiter Öl ins Feuer zu gießen, hört sich nämlich ganz und gar nicht wie ein „Punktsieg der Hamas“ an. Israel habe „das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen“, so Merz. Und: Die Hamas dürfe in Zukunft keine Rolle in Gaza spielen. Doch „das noch härtere militärische Vorgehen der Armee im Gazastreifen lässt (…) immer weniger erkennen, „wie dieses Ziel erreicht werden soll“. Eine Frage, die immer stärker auch die israelische Öffentlichkeit, auch Jüdinnen und Juden, umtreibt. Entgegen der ewigen Litanei Netanyahus, er wolle ja nur „eine friedliche Regierung in Gaza“ ermöglichen. Netanyahu hat sich mit seinem palästinenserfeindlichen Kurs längst weit vom Frieden auch für die vielen Millionen Menschen in seinem Land entfernt.
In etwa so weit wie Kulturstaatsminister Wolfram Weimer von Sprach-Wirklichkeiten. Nachdem er den Mitarbeiter*innen (!!!) in seinem eigenen politischen Haus untersagt hat, in welcher Form auch immer zu gendern, legt er diese Konsequenz seines Kulturkampfes von rechts-konservativ auch anderen öffentlichen Institutionen nahe. Etwa den öffentlich-rechtlichen Medien. Aber auch beispielsweise Museen. Der Cicero des restaurativen Worts bringt dies, um dem Nachdruck zu verleihen, freilich gleich mit der öffentlichen Förderung in Verbindung. Alles nur im Dienst „sprachlicher Klarheit, rechtlicher Eindeutigkeit und allgemeiner Verständlichkeit“, klar doch. Wer im öffentlichen Auftrag spreche, sollte eine Sprache wählen, die „breite Akzeptanz“ finde. Was breit bedeutet, bestimmt natürlich der Wolf-ram. Gegen eine Spaltung der Gesellschaft. Gegen eine „bevormundende Spracherziehung“. Jetzt frage ich mich allerdings, wer da gerade drauf und dran ist, zu bevormunden? Klingelt’s?
Und so nehmen die Dinge, ganz im Sinne deutscher Selbstherrlichkeit und, wie nicht schwer zu schlussfolgern sein dürfte, ganz im Sinne der um strengnationaler „Standards“ bemühten AfD ihren Lauf. Weimer, der Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn: Mehr schwarz-blaue Lust an der Demontage gesellschaftlicher Friedfertigkeit, gepaart mit Offenheit und Entspanntheit gegenüber Sprache und ihrer, nicht selten emanzipatorisch konnotierten, Dynamik, geht nicht. Hier sei, apropos Spahn und Anhängerschaft, noch angefügt, dass es selbstverständlich nicht dabei bleibt, dass man die SPD-Verfassungsgerichts-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zur Strecke gebracht hat. Die AfD versucht, wie nicht anders vorhersehbar, nun auch die zweite SPD-Kandidatin, Ann-Katrin Kaufhold, aus dem Weg zu räumen. Mal sehen, ob sie auch da auf gewichtige Teile der Unionsfraktion setzen kann. Und mal sehen, ob die SPD jetzt endlich offensiv und gut hörbar über ein Ende der unsäglichen Koalition nachdenkt.
So, wie es sich immer wieder lohnt über ein Ende des Russland-Ukraine-Kriegs nachzudenken. Schon wird angesichts eines, bislang jedenfalls, ohne Gegenrede verabredeten Treffens Trump-Putin ein Friedensschluss in greifbare Nähe gerückt. Vor allem von den USA, deren Präsident sein 24-Stunden-Versprechen zumindest rund 24 Wochen nach seinem Amtsantritt wahrmachen möchte. Allerdings dürfte da noch eine Menge Arbeit zu verrichten sein. Spekulationen wabern durch die Welt und ihre Medien, wonach Trump einen Gebietstausch ins Gespräch bringen will. Vermutlich ist das ein Grund, warum man den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi im kalten Alaska (dort soll das Treffen über die Bühne gehen) nicht dabei haben möchte. Der streut nämlich vorab schon unmissverständlichen Sand ins Getriebe. Die Ukraine werde einen Teufel tun, ihr Staatsterritorium auch nur am Rande zu verhökern. Ob die Ukrainer*innen das ähnlich sehen, sei dahingestellt.
Und damit zum Sport – und erneut zum Thema Antisemitismus. Mit dem es der Zweitligist Fortuna Düsseldorf dieser Tage zu tun bekam. Konkret mit der angedachten Verpflichtung des israelischen Fußballers Shon Weissmann. Der hatte, so geht die Kunde, angeblich Social-Media-Beiträge geliked, die die Auslöschung Gazas forderten. Was in Fan-Foren und Netzwerken Widerstand gegen den Transfer des 29jährigen auslöste. Der Verein besprach sich mit der Jüdischen Gemeinde und auch mit dem Antisemitismus-Beauftragten der Stadt. Und kam dann zu dem Schluss, dass die Haltung Weissmanns Polarisierung bedeuten und „kein guter Wegbegleiter für eine erfolgreiche Saison“ sein würden. Weissmann selbst sagte, Äußerungen von ihm seien aus dem Kontext gerissen worden. Die Jüdische Gemeinde grummelt was von unglücklichem Vorgehen. Fortuna fragt sich indessen, wer sich hier eigentlich unglücklich verhalten hat. Und lässt sich die Dinge nicht von den Füßen auf den Kopf stellen.
Das Erfreuliche in dieser Woche: Eine Dokumentation über das legendäre Jazz-Festival von Montreux. Und seinen Urheber und langjährigen Mentor Claude Snobs. Ich habe selten einen solch berührenden und zugleich für den Jazz brennenden Film gesehen. Dank der Initiative Snobs und seinem unentwegten Engagement für die Musik gehört Montreux heute für viele Protagonisten der Jazz- und Pop-Szene zum Muss. Und bis heute strömen Enthusiasten trotz horrender Preise in den pittoresken Ort am Genfer See. In diesem Sommer, nach Jahren eigen gewählter Hinhaltung, auch ich. Ich fand es grandios, aber nicht mehr das, was es mal war. Die Doku zeigte Wiesen voller klangdürstender Hippies. In Zelten und Flatterklamotten. Die Abends zur Musik geschichteschreibender Gruppen wie Deep Purple abrauschten. Oder andächtig der vertonten Lyrik von Leonard Cohen huldigten. „Make Love, not war“ hing in der Luft. Der Wunsch hat sich nicht erfüllt. So bleiben einem ewige Träume, immerhin.
Seit dieser Doku (aber auch schon vorher) frage ich mich immer wieder, wie ich das eigentlich geschafft habe, dass ich in der Adoleszenz diese glückliche Melange von klarer politisch linker Haltung und entspannt-verträumter Kleiderordnung hinbekam. Ich denke, es war, im Aufbruch der End-60er Jahre, die Zuversicht, dass trotz Vietnam-Kriegs und (in Auflösung befindlicher) Rest-Faschismen (auch in Europa) sich allmählich die Synapsen weithin auf Seiten demokratischen, friedlichen Fortschritts einpendeln würden. Welch eine trügerische Hoffnung. Heute haben wir die scheiß Faschisten der AfD, die einem täglich die Freude am Leben versauen mögen (und wollen). Doch eingedenk der überlieferten Atmo von Montreux schwöre ich hiermit hoch und heilig: Auch heute werden mir derartige restaurative Monster den Humor nicht nehmen. Und sei es, dass er ein bisschen bitter schmeckt. Wäre doch gelacht, wenn wir die rechten Scheusale nicht irgendwie kleinkriegen würden. In diesem Sinne…

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