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Groß Größer Größenwahn

Was unterscheidet Trump, Putin und Netanyahu? In ihren politischen Wesenzügen: Nichts! Alle drei haben eine ausgeprägt nationalistische und expansionistische Politik zum Kern ihrer Umtriebe gemacht. Sie erheben Ansprüche auf fremde Territorien, ihnen ist das Völkerrecht egal. Sie drohen mit Krieg, führen ihn oder besetzen Land, das ihnen nicht gehört. Sie berufen sich auf Geschichte oder Geschichten. Sie nehmen ihre Völker als Geiseln. Und werden nicht müde, ihre geostrategischen Ziele immer wieder aufs Neue anzufeuern. Sie wollen ihre Einfluss-Sphären mit allen Mitteln erweitern. Und dann festigen. Make america great again. Post-stalinistische Visionen. Nach außen hin biblisch unterfütterte Grenz- Überschreitungen. Nichts ist den Präsidenten und Regierungen so heilig, als dass es nicht für ihre Beutezüge herhalten könnte. Die Weltgemeinschaft? Soll zuschauen. Und sich ja nicht rühren. Schon gar nicht beschweren. Oder gar den Internationalen Strafgerichtshof auf sie hetzen.

Der US-Präsident sagt vermeintlichen Extremisten den Kampf an. Und ist doch selbst Extremist. Er diktiert, untersagt, verfolgt. Wer immer ihm im Weg steht, der wird ausgeschaltet. Richter, die ihm das verbieten wollen, werden beschimpft und notfalls ignoriert. Die Ökonomie wird nach Gusto zurechtgebogen. Währungshüter werden diskreditiert, so lange, bis sie ihren Sessel räumen. Verbündete werden diffamiert, sie würden nicht wissen, was Meinungsfreiheit ist. Im gleichen Atemzug werden Betriebe der Wissenschaft, die auf Meinungsfreiheit hinweisen, mit massivem Druck an die Kandarre genommen. Europäer, die Kritik wagen, werden ausgelacht und mit Liebesentzug bedroht. Schlimmstenfalls wird der NATO-Beistand ausgehebelt. Gleichzeitig werden sie gezwungen, ihre Waffenarsenale aufzurüsten und dies via Bestellung in Übersee. Donald Trump verbindet Autokratie und persönliche Geschäfte wie es ihm beliebt. Selbst Opportunisten lernen das Zittern.

Der Präsident Russlands schaut sich das ganz im Sinne der Kameradschaft unter Größenwahnsinnigen lächelnd an. Kommt ihm der US-Amtskollege zu nah, geht er auf Distanz. Von Anfang an machte Wladimir Putin klar, wohin für ihn die Reise geht. Richtung Großrussland. Oder, wie es sein Außenamtsknecht Lawrow mit T-shirt-Aufdruck signalisierte: Richtung UdSSR. Der Altkommunist im Kreml bestimmt, wie einst Peiniger im „Hotel Lux“, wer Gegner ist, wer nicht. Die Ukraine ist Gegner – und zwar einer vom Nazi-Schlage. Also: Überfall rechtens und im Duktus antifaschistischen Kampfs. Der Faschist Putin als Antifaschist. Mehr Auf-den-Kopf-stellen geht nicht. Jeder Anfall von Korruption in der Ukraine gilt dem korrupten Kreml als Beweis seiner Rechtschaffenheit. Jede Waffenhilfe für Kiew als Antrieb für neue territoriale Machenschaften. Sollten ihm NATO und EU noch dichter auf die Pelle rücken, der rote Knopf ist in Reichweite. Besten-, nicht schlimmstenfalls gilt wieder Kalter Krieg.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und seine rechte Regierung sind ebenfalls auf Beutezug. Und nehmen dabei unverfroren in Anspruch, die Rechte von Jüdinnen und Juden zu verteidigen. Landraub, Mord, Zerstörung, Vertreibung: In Gaza und im Westjordanland. Syrien, Jordanien, Ägypten werden ins Visier genommen. „Groß-Israel“ ist die Parole. Ein ultra-nationalistisches Konzept. Favorisiert von Finanzminister Bezalel Smotrich, in Eintracht mit Netanyahu. Was gerade Staatsdoktrin zu werden droht, empört auch jüdische Israelis, die derartige Visionen für revanchistisch halten. Und sich in ihrem jüdischen Sein für politische Zwecke missbraucht fühlen. Netanyahu, der vermeintliche Gegner von Antisemitimus als Antisemit. So laut kann propalästinensischer Protest in Berlin-Neukölln gar nicht sein, wie Netanyahu die Integrität des Judentums hintergeht. Auch er vom IStGH mit Haftbefehl bedacht, der Welt fehlt der Mut, ihn auch zu vollstrecken.

Nur langsam wacht Europa auf. Auch das kennt man. Bei Trump wollte man nicht glauben, dass er seine Gegnerin von den Demokraten in die Tasche stecken würde. Dann meinte man, nichts werde so heißt gegessen, wie es gekocht werde. Jetzt klammern sich die EU und nahe Verbündete an einen Restzipfel des Friedenskämpfers Trump. Auch diese Hoffnung wird reißen. Bei Putin die gleichen Fehler. Von der Perestroika noch ganz beseelt, wollte man nicht wahrhaben, dass in kürzester Zeit ein Boss im Kreml alles wieder über den Haufen schmeißen würde. Man versuchte, ihn mit Handelsgeschäften bei Laune zu halten. Vergeblich. Der Handel beförderte quasi den Krieg. Die Ukraine dankt. Und nun Netanyahu. Auch hier allmählich Einsicht, dass mit kriegerischen Beute-Zügen alles Gerede vom Frieden zwischen Israelis und Palästinenser*innen für lange Zeit zerbröselt. Netanyahu schwätzt von Sicherheit Israels und macht eine ganze Region unsicher. Der Hamas-Feind, ein Terror-Herrscher.

Wer wach wird, sollte sich nicht allzu sehr damit aufhalten, sich die Augen zu reiben. Und neu zu überlegen, mit welcher Mixtur aus Kritik und Anbiederung man irgendwie durch das Tal der Grauen kommt. In Europa sieht es bislang danach aus, als ginge es darum, den wachsenden Größenwahn noch besänftigen zu können. Dieser Glaube freilich wäre eine Fortsetzung der Fehler, die den Größenwahn mit angekurbelt haben. Zoll-Gegenwehr und Sanktionen gegen Russland sind Wegweiser, wie zumindest ein Anfang von Einsicht deutlich wird. Waffenembargos gegen Israel und die Isolierung der rechten Politik Netanyahus und seiner ultra-nationalistischen Regierung sind ausbaufähig. Es darf nicht sein, dass sich Europa durch Wirtschaftsknebelei (USA), Angriffsangst (Russland) oder verlogene Ideologie-verbrämende Narrative (Israel) täuschen lässt. Die Vorhänge müssen weit aufgerissen, das Elend von Politik sichtbar und einer aufgeklärten Welt eine Bresche geschlagen werden.

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