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Der „Kühle Kopf“

Es wird ja viel geschrieben, gestritten, gewogen – was dienlich wäre oder sein könnte, rechten Umtrieben, speziell dem Erstarken der AfD entgegenzuwirken. Velten Schäfer hat jetzt im „Freitag“ sein Spezialrezept empfohlen: einen „kühlen Kopf“ bewahren, so der Teaser. Unter der Überschrift „Gefühlspolitik: Warum die linke Wut gegen Rechts nichts bringt“ wird auseinanderklamüsiert, wie falsch ein emotional aufgeladener Kampf gegen etwa die Weidel-Partei sei. Oder gegen Autokraten wie US-Präsident Donald Trump. „Igitt Trump, pfui Trump“ bringe nichts. Eine „Skandalisierungskritik“ wie sie die US-Demokraten betrieben, laufe ins Leere. Bogen nach Deutschland: „Es ist dies eine Haltung moralischer Abgrenzung, die Radikalität an der Wildheit von Demos misst oder an der Schärfe der Worte, mit denen man wirft. Mit Blick auf jene junge Politikerin, die sich jüngst in den Untergrund gegen ein AfD-Regime fantasierte, kann man das Jette-Nietzard-Radikalismus nennen“.  

So weit ein – vielleicht – hilfreicher Beitrag. Der sich allerdings nur in Einem erschöpft: der Linken in Deutschland eine Art romantisierenden Widerstand vorzuwerfen. Die Frage zu stellen, ob es den Rechten denn wirklich schade, wenn man sie „Faschisten“ nenne. Das „wütendende ‚Anti‘ ist kein Programm“, so Schäfer in seinem Artikel. Und klinge schnell nach einer Verteidigung des Status quo, der freilich „das Problem (der Rechten, der Autor dieses Blogs) erst geboren hat“. Man falle auf die Rechten rein, so Schäfer sinngemäß, wenn man „Wut“ zum Mittel gegen sie einsetzen würde. Und „Kulturkampf-Provokationen“ nehme, um zu polarisieren. Man würde die Rechte auf diese Weise, die der eigenen Stabilisierung gelten möge, gleich mit stabilisieren. Statt in einen schulhofartigen „Infight“ zu gehen, sollte man die Rechte abblitzen lassen und sich auf „die Umstehenden“ konzentrieren. Eventuell brauche „die Linke“ ja einen „kollektiven Zen-Wirkshop“. Aber „anders wird es nicht gehen“.

Ach, Velten Schäfer! Da sattelst du auf ein Pferd auf, das auch von Anderen gerade fleißig geritten wird. Und deswegen schon durchhängt und reichlich müde vor sich hintrotte(l)t. Und das auch nicht mehr wirklich über Gräben springen kann. Denn einerseits mag die Kritik an einem nur emotionalen Kampf gegen rechts richtig sein. Aber wird er tatsächlich nur emotional geführt? Ohne ihn inhaltlich zu unterfüttern? Und was heißt es, wenn man rät, „die Umstehenden anzusprechen“? Da bleibst du eine Antwort schuldig – das unterscheidet dich dann am Ende kaum von den Vermeintlichen, die du angreifst. Dass plumpes auf „anti“ setzendes Polarisieren nicht der Weisheit letzter Schluss im Abwehren von AfD&Co ist, geschenkt. Aber wer tut das? Ja, es gibt sie, die aus einer romantischen Vorstellung heraus auf die Straße gehen. Aber genauso gibt es Die Linke, die durchaus programmatisch gegen die Rechte hält. Es müsste darum gehen, beides zu vereinen. „Kühler Kopf“, was ist das?

Wer derart vom Leder zieht wie Velten Schäfer, dann aber konkrete Art und Weisen von Politik gegen rechts schuldig bleibt, eignet sich damit nur die Emotionalität derer an, die er attackiert. Das ist, sorry, billig! Und zeigt bestenfalls, wie Debatten auf die Hilflosigkeit deuten, die sich angesichts einer erstarkenden AfD breitmacht. Den Status quo verteidigen, mag zwar zweifelhaft sein. Aber der Zeitpunkt, zu dem man hätte stärker als geschehen, eingreifen müssen, um zu zeigen, wie sehr dieser Status den Rechten hilft, ist vermutlich verstrichen. Noch immer erkennt je die SPD in Regierungsverantwortung nur vage, wie sehr sich die Union in Richtung rechts bewegt. Und glaubt, im Bündnis mit Merz und Anhang retten zu können, was zu retten ist. Aber es ist nicht mehr viel zu retten. Schon gar nicht sozialpolitisch. Da kann man nachvollziehen, wenn es Menschen gibt, die wenigstens den Ist-Zustand verteidigen wollen. Die Alternative ist ein gesellschaftlich deutlich größeres Desaster.

Insofern wäre ich nachsichtiger mit linken Romantikern. Und denen, die vor „Faschisten“ warnen. Auf die politische „Mitte“ war und ist kein Verlass. Auf die SPD auch längst nicht mehr. Die Grünen haben sich vom Kern ihrer Politik verabschiedet und stattdessen Anbiederung an Fragwürdigkeiten zum Programm gemacht. Da kann ich jene gut verstehen, die durchaus sehen, was auf unser Land zukommt. Wenn nicht noch irgendein „Wunder“ geschieht. Wer in dieser Situation einen „kühlen Kopf“ einfordert und großartig davon schreibt, man müsse auf die „Umstehenden“ zugehen und dürfe nicht polarisieren, der muss, das ist das Mindeste, erklären, wie das „Zugehen“ aussehen soll. Das Moppern gegen linke Romantiker und Kulturkämpfer ist für sich auch noch kein Zeichen, dass man verstanden hat, worum es jetzt gehen muss. Um ein greifbares, klares und inhaltlich belastbares Angehen gegen das AfD-Lager. Sonst vergräbt man sich selbst im Status quo. Das wäre mehr als tragisch.

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