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Klöckner Ist Zurückgetreten

Die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) ist von ihrem Amt zurückgetreten. Eine Wunschvorstellung. Schön wär’s. Aber Julia Klöckner, so ist zu befürchten, wird auch weiterhin Hausherrin im deutschen Parlament sein. Was immer sie auch abseits ihrer ureigenen Aufgaben politisch anstellt: Es wird ihr nicht zum Verhängnis. Das ist einerseits politisch tragisch. Andererseits auch in der Sache ein Unding. Denn Julia Klöckner, deutsche Ex-Weinkönigin, hat offenbar nicht ihre Jobbeschreibung gelesen. Oder sie hat sie nicht verstanden. Oder sie hat sie verstanden und agiert bewusst an ihr vorbei. Alle drei „Spielarten“ können am Ende nur eines bedeuten: Sie ist ihrer Aufgabe nicht gewachsen und sollte zurück an die Nahe. Zur Weinlese. Aber bitte nicht mehr das Glöckchen schwenken. Das die Abgeordneten im Zweifel zur Ordnung ruft. Denn Ordnung, will hier heißen: das ordentliche Wahrnehmen ihres Amtes; ist aber nicht ihre Stärke. Das haben Andere auf diesem Posten besser gekonnt.

Unter http://www.bundestag.de ist (für Frau Klöckner: wäre) nachzulesen, welches genau die Aufgaben einer Bundestagspräsidentin oder eines Bundstagspräsidenten sind. Ich könnte jetzt alles kopieren, was dort geschrieben steht. Das würde freilich hier den Rahmen sprengen. Also sei „nur“ das Wichtigste zusammengefasst. Demnach repräsentiert „der Bundestagspräsident (…) den Bundestag und damit die Legislative. (…) Seine Aufgaben beschreibt die Geschäftsordnung des Bundestages: ‚Der Präsident vertritt den Bundestag und regelt seine Geschäfte. Er wahrt die Würde und die Rechte des Bundestages, fördert seine Arbeiten, leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch und wahrt die Ordnung im Hause‘.“ Und weiter: „Als Repräsentant des ganzen Hauses vertritt er den Bundestag auch nach außen. Er wird zu Staatsempfängen eingeladen, hält Reden bei wichtigen politischen und gesellschaftlichen Anlässen und wahrt die Würde des Bundestages und die Rechte seiner Mitglieder.“

Darüber hinaus steht die/der Bundestagspräsident*in auch der Verwaltung des Parlaments vor. „Er ist der oberste Dienstherr der rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundestages und übt die Polizeigewalt und das Hausrecht in den Gebäuden des Parlaments aus. Zudem setzt der Präsident jährlich die Höhe der staatlichen Mittel zur Parteienfinanzierung fest. Das Parteiengesetz hat ihm diese Exekutivaufgabe übertragen.“ Das wär’s dann schon im Wesentlichen. Von ihrem Hausrecht hat Julia Klöckner schon fleißig Gebrauch gemacht. In streitbarer Weise. So hat sie ein bisschen in der Kleiderordnung rumgewühlt und t-shirts mit ihr nicht genehmen Botschaften verboten. Was ihr bestenfalls zustand, aber durchaus als kleinlich gelten könnte. Weniger kleinlich freilich war ihr Verbot, zum Christopher Street Day die Progress-Pride-Fahne auf dem Bundestag zu hissen. Oder dass sie der queeren Gruppe der Verwaltung untersagte, als Gruppe am diesjährigen CSD teilzunehmen.

Mit Blick auf ihr jüngstes Engagement wirkt es im Nachhin dann schon richtig „putzig“, dass sie dabei auf die Neutralitätspflicht der Verwaltung hinwies. Denn ihr Auftritt beim Sommerfest der CDU Koblenz machte nicht gerade den Eindruck, als würde sie der Neutralitätspflicht, die nicht nur der Verwaltung, sondern auch dem Amt der Bundestagschefin nahegelegt wird, wirklich große Bedeutung beimessen. Denn das Fest fand nicht etwa in den Parteiräumen statt. Sondern auf dem Gelände des Unternehmens „CompuGroup Medical“. Welches einem Herrn Frank Gotthardt gehört. Der bekanntermaßen das Medienportal „Nius“ nach Kräften finanziell pudert. „Nius“ gilt als mindestens rechtspopulistisch, wenn nicht rechtsradikal. Chef ist Julian Reichelt, Ex-Bild-Boss. „Nius“ werden unter anderem diverse Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht vorgeworfen. Kritiker halten es für ein rechtes Hetzportal. Für ein Propagandaportal der AfD. Wofür vieles spricht.

Schon die Anwesenheit Julia Klöckners hätte sich, Stichwort Neutralität, im Grunde verboten. Auch wenn die CDU Koblenz ja „nur“ der Firma an sich und ihren Mitarbeiter*innen zugewandt sein will. Aber die Bundestagspräsidentin, die hier sicher nicht in ihrer Rolle als frühere Weinkönigin geladen war, hielt eine kleine Rede. Und die wurde dem, was aus ihrem Munde sonst so spricht, durchaus gerecht. Denn mehrere Journalisten berichten übereinstimmend, dass Klöckner „Nius“ mit der linksliberalen, von mir aus auch linken Berliner „taz“ (tageszeitung) verglichen habe. Gotthardt investiere in ein Medium „genau auf der anderen Seite“ der „taz“, sagte Klöckner laut „t-online“. „Aber in den Methoden sind sich beide nicht so sehr unähnlich, in ihren Vorgehensweisen“. Das ist, selbst wenn man die „taz“ überhaupt nicht politisch leiden kann, zumindest dümmlich. Mir dünkt allerdings, dass Klöckner es bewusst so formulierte. Um „Nius“ zu verharmlosen. Der „Hufeisen“-Trick.

Der Protest folgte auf dem Fuße. Die „taz“, ein angesehenes und mit Preisen ausgezeichnetes Medium, mit „Nius“ quasi auf eine Stufe zu stellen, das ging vielen SPDlern, Grünen und der Linken unerträglich zu weit. In seinem Wesen stehe „Nius“ auf der extrem rechten Seite. Verbreite deren Narrative und Falschmeldungen. „Nius“ habe, anders als die „taz“, nichts, aber auch rein gar nichts mit einem auch nur annähernd seriösen Journalismus zu tun. „Wer beides gleichsetzt, schwächt das Vertrauen in unabhängige Medien und verkennt die Unterschiede zwischen kritischem Journalismus und Meinungsmache“, so eine SPD-Politikerin. Dem ist nichts Gegenteiliges hinzuzufügen. Julia Klöckner freilich sonnte sich in buntem Kleidchen sichtlich im Licht der Gotthardt-Gesellschaft. Und fand, so unterstelle ich mal, nichts Schlimmes dabei. Das muss sie auch nicht, der nachgesagt wird, im Schlepptau der Unions-Fraktionschef Jens Spahn durchaus etwas für einen Brückenschlag CDU-AfD übrig zu haben.

Das kann sie ja, sag ich mal. Als CDU-Abgeordnete stehen ihr derartige Ambitionen frei. Auch wenn sie die Union nicht gerade als Verfechterin einer noch tragfähigen politischen „Mitte“ dastehen lassen. Ob solche Auftritte, schon des Ortes wegen, auch ihrem Amt als Bundestagspräsidentin würdig sind, ist allerdings mehr als fraglich. Und ob sie mit derartig verirrten Statements wie dem zu „Nius“ und der „taz“ ihrem eigenen Anspruch auf Neutralitätspflicht nachkommt, ist nicht nur fraglich, sondern muss als Antwort ein klares „Nein“ kassieren. Und wenn dies so ist, dann gibt es keinen Grund mehr, weswegen sie dem Parlament vorstehen oder gar Verwaltung und Abgeordnete rügen dürfen sollte. Dann wäre es das Mindeste, sie würde schleunigst einem anderen Menschen auf dem auch topografisch höheren Posten im Bundestag Platz machen. Und dann wäre es nur gut und richtig, wenn es alsbald hieße: Julia Klöckner ist als Bundestagspräsidentin zurückgetreten! Wohlan.

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