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Trump Trumpissimo Freitag

Was muss sich die journalistisch-publizistische Phalanx eigentlich reingepfiffen haben, die sich derzeit im „Freitag“ austobt. So bekifft, dass sie in US-Präsident Donald Trump einen, ja wahren!, Friedensstifter sieht. Einen, der sie alle zähmt. Wladimir Putin, dann – im Handumdrehen – Wolodymyr Selenskyi. Die Europa-Granden von Merz bis Macron sowieso. Der große Realist Trump. Der Diplomat a la Reußen. Der das Militär in seinem Land am Liebsten gegen Falschparker auffahren lassen würde. Der Migranten in „Alcatraz“ entsorgen möchte. Der unabhängige Gerichte beugt. Der freier Kultur den Atem nimmt. Den Rechtsstaat für einen Dummenjungenstreich hält. Der anweist, die Geschichte der Vereinigten Staaten umzuschreiben. Der sich als Meinungsfreiheits-Diktator geriert. Der die Welt als eine Ansammlung neuer US-Bundesstaaten betrachtet. Der, machen wir es kurz, einen Knall hat. Aber einen gefährlichen. Einen Weltmachtsknall. Einen Wumm-Aus-die-Maus-Schatten.

Dieser Mann, mit der geföhnten Mähne einer lächerlichen Comic-Figur, der seine politischen Strategien wechselt wie andere (wirklich integre Menschen) ihre Unterhosen, soll ein ernstzunehmender Friedensschaffer sein? Das können nur solche glauben, die dermaßen ideologieignorant sind und sich dermaßen viel Puderzucker in die Augen streuen lassen, dass sich dieser ohne Unterlass in ihre Synapsen frisst. Kaum dass sie glaubten, in Alaska das Eise schmelzen zu sehen, hat Donald, der II., schon wieder alle Zuversicht, die hier manche veranlasst sehen mochten, über den Haufen geschmissen. Er werde, so sagte er, nachdem die „Freitag“-Schreiber und Gesprächspartner schon drauf und dran waren, sich selbst den allseits ersehnten Friedensnobelpreis zuzusprechen, in zwei Wochen kundtun, was die Hoffnung wert war, die Verirrte in ihn gesetzt hatten: Selbst im geringsten Zweifel nichts. Niente. Die Trump-Aktie befindet sich im freien Fall. Getäuschte Anleger. Wie im richtigen Leben.

Zwei Autokraten sitzen in Alaska an einem Tisch. Und schon gehen die Pferde mit „Freitag“-Schreibern durch. Dabei dient ein Narrativ immer wieder als ein nachgearbeiterer Beweis friedenspolitischer Rechtschaffenheit und westlicher Kriegstreiberei. Der 29. März 2022, so erzählt es uns auch der Weißmacher und inzwischen BSW-Parteigänger Michael von der Schulenburg, sei der Tag gewesen, an dem ein Frieden zwischen Russland und der Ukraine greifbar nahe gelegen habe. Denn an diesem Tag hätte ein von beiden Seiten „ausgehandelter“ Kompromiss auf dem Tisch gelegen, der dann allerdings von westlicher Seite torpediert worden sei. Die Interesse daran gehabt hätte, am Russland-Ukraine-Konflikt ihr Mütchen über vorangegangene Putin-Ergebenheit zu kühlen. Wer ein bisschen, es braucht gar nicht viel zu sein, durch Berichte über dieses Wunder von Istanbul scrollt, wird schnell auf gänzlich andere Sichtweisen zu diesem Tag stoßen. Und es sind nicht nur wenige.

Das eigentliche Wunder, das gegenwärtige, ist, so erscheint es mir jedenfalls, wie gestandene Autoren darauf kommen, dass ein US-Präsident, der sonst nicht mehr alle demokratischen, völker- und menschenrechtlichen Tassen im Schrank hat, der sein Land und die Welt mit furiosen Volten drangsaliert und den Erdball jeden Tag mit neuem Irrsinn konfrontiert, ausgerechnet mit Blick auf Putin und die Ukraine von dem getragen würde, was ich einen aufrechten, integren und soliden Verstand nennen würde. Man kann sich, zugegeben, alle möglichen Konstruktionen zurechtlegen, die dem entgegenkommen. Und die ja vielleicht auch funktionieren würden, würden sie sich nicht schon am nächsten Tag aufgrund neuer Lageberichte erledigen. Zwei Autokraten, die ihre Köpfe, jeder auf seine Weise bislang eher als verbohrt bekannt, zusammenstecken, schon als ernstzunehmende Diplomatie zu labeln – das verlangt eine Menge Idealismus. Realismus ist das deswegen längst nicht.

Trump, der kurz nach dem Treffen von neuen Treffen, zu zweit, zu dritt, wie auch immer, schwafelte, gab und gibt sich kurz nach seinen selbstverliebten Perspektiven, wieder ausgesprochen unverbindlich. Und auch Putin verweist auf doch eher lange Wege, die zurückgelegt werden müssten, wenn auch nur ein kleiner Silberstreif am Horizont sichtbar werden sollte. Selenskyi selbst, der bislang nicht gerade realitätsnah und eher unbeweglich, was Diplomatie betrifft, aufgetreten ist, tut nach dem Alaska-Stelldichein auch eher das, was er am besten kann: die Kriegstrommel schlagen und auf Offensive setzen. Während Europa weiter puddinghaft nach einer eigenen Einschätzung und Strategie sucht, den Konflikt auszutragen, von Befriedungswillen dabei keine Spur. So kochen, das scheint mir die wirklichkeitsnaheste Sicht, alle nach wie vor ihr eigenes Süppchen. Und wählen die Zutaten je nach Blickwinkel aus. Ein Rezept, das als Erfolg serviert werden könnte, ist weit und breit nicht zu erkennen.

Ist ja verständlich, wenn Journalisten und Autoren, so genannte Fachleute und jene, die sich dazu aufschwingen, gern an einer Lösung teilhaben möchten. Jede und jeder steht am Ende auf der Wir-haben-es-ja-immer-schon-gesagt-Seite. Die Interpretationen, die dort hinführen könnten, sind allerdings einigermaßen abenteuerlich. Am ehesten von meiner Warte aus die, die zunehmend im „Freitag“ ihren Platz finden. Dort dürfen die vortreten, die, a la BSW, jetzt einen neuen Putin-geneigten Gesprächspartner feiern, der dazu noch mit ernstzunehmender Herrschaft ausgestattet ist: Donald Trump. Diesem furchterregenden Kuriosum der Weltmachtsszenerie auch nur einen Deut Friedenswillen, geschweige denn Friedensstrategie zuzusprechen, ist freilich mehr als kühn. In diesem Sommer haben wieder etliche Bergwanderer vor lauter Glückshormonen den Abgrund nicht gesehen, an dem sie langliefen. Reihenweise Abstürze. Entlang dieser Routen etwa sehe ich auch die „Freitag“-Wanderschar.

Als Hauptschöpfer des „Absurden Theaters“ werden etwa die Dramatiker Samuel Beckett, Eugène Jonesco und Jean Genet genannt Der Kritiker Martin Esslin fand in dem Begriff den Ausdruck, der die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz und die Orientierungslosigkeit des Menschen im Weltgeschehen widerspiegelt. Dass die Politik derzeit mit verheerendem „absurdem Theater“ glänzt, ist schlimm genug. Dass sich Begleiter des Geschehens wie Journalisten und Autoren mit in die Kulisse stellen, macht es nicht besser. Die Kostümierung ist, angelehnt an die Hauptdarsteller (wie Trump, Putin, Selenskyi, Merz), jeweils so schrill wie fragwürdig. Was sie auf den Brettern, die die Welt bedeuten, so von sich geben, klingt weniger nach geistig ausgeklügelten Texten. Sondern nach Lyrik a la Reim-dich-oder-ich-fress-dich. So eben, wie man sich auf die Protagonisten der Konfliktparteien seinen Reim machen kann,. Ich bin auch und mehr denn je für Frieden und Verhandlungen. Aber auf tragfähigem Fundament.


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