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Was Ich Befürchte

Der Russland-Ukraine-Krieg geht unvermindert weiter. Auch nach dem Alaska-Gipfel mit den Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump. Nebst einer europäischen Abordnung, zu der auch der deutsche Kanzler Friedrich Merz gehörte. Und dem ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyi, der, zwar einer der Haupt-Player in dem Konflikt, in der Eselsecke Platz nehmen durfte. Und, immer wieder, darauf starrt, was sich den die USA und die Europäer so Neues ausgedacht haben oder ausdenken mögen. Richtung Krieg oder Richtung Friedensverhandlungen. Und was Putin so im Schilde führt. Ob jemand noch Waffen an Kiew liefert. Oder Lieferungen versiegen. Ob es Sinn macht, weiter auf Sieg zu setzen. Oder welche Zugeständnisse die Ukraine machen müsste, wenn der Krieg beendet werden soll. Und wie Sprücheklopfer Trump so drauf ist.

Die Euphorie vieler Diplomatie-Freunde vor Alaska war groß. Jetzt ist das Lager der suggestiv Hoffenden zwar nicht verstummt, aber doch, nur gerade noch hörbar, deutlich leiser geworden ist. Bundeskanzler Merz, der auf der Klassenreise nach Alaska noch aufgeregt zuversichtlich wirkte, räumte dieser Tage ein, dass er nicht mehr von einem direkten Treffen Putin-Selensyki ausgehe. Das Trump, unablässig auf den Friedensnobelpreis schielend, in greifbarer Nähe sah. Ebenso wie ein Dreier-Treffen mit ihm am Tisch, dem Erlöser von allen Weltübeln. „Es ist anders, als es zwischen Präsident Trump und Präsident Putin in der letzten Woche verabredet war“, ließ Merz wissen. Als Putin laut Trump einem Treffen mit Selenskyi zugestimmt habe. Und auch Bundesaußenminister Wadephul, ohnehin zurückhaltender, sieht einen solchen vermeintlichen Friedensweg eher skeptisch.

Wer sich von Trump nicht blenden lässt, wie es westliche Regierungen, die ihn eigentlich langsam besser kennen müssten, immer noch tun, hätte ahnen können, ja müssen, dass in Alaska eher große Augenwischerei betrieben würde. Und dass Trump und Putin sich vor allem trafen, um der Welt nachdrücklich zu zeigen, wie mächtig sie seien. Medien, immer wieder bemüht, etwas von dem täuschenden Sonnenschein für sich einzufangen, ließen sich reihenweise vom Trump’schen Großsprech beseelen. Dumm nur, dass Putin zur gleichen Zeit neue schwere Angriffe gegen die Ukraine in Szene setzte – und das gewohnte Spielchen des Autokraten in Washington jäh durchkreuzte. Trump ruderte zurück. Die Europäer stehen belämmert da. Wieder mal kein Verlass auf die USA. Die politische Dummheit nimmt ihren Lauf. Mr President ist derweil auf neu-alten Missionen unterwegs.

Vielleicht, so meine Befürchtung, hat Trump, der nach eigener Lesart in seiner kurzen Amtszeit schon sieben Kriege befriedet hat, nur leider den für Europa bedeutendsten nicht, bei aller nach außen getragenen Friedensdiplomatie etwas ganz Anderes im Sinn. Mittweile oder aber es war von Anfang an sein Plan. Was nämlich nahezu unterging im Blitzlichtgewitter des Alaska-Treffens: Dass hinter den Kulissen noch über etwas gesprochen wurde, das neben vermeintlichen Bemühungen um ein Kriegsende offenbar wichtig war. Nämlich das Reden über Öl-Deals und Milliarden-Gas-Handel. Also das Reden darüber, wie und in welcher Form die USA und Russland in dem Konflikt Profit schlagen könnten. Laut „Wall Street Journal“ ging es um eine Rückkehr des Exxon-Konzern ins Russland-Geschäft und um einen russischen Zugang zu amerikanischen LNG-Projekten.

Wie es heißt, wollte Trump über derartige Perspektiven Putin dazu bewegen, sich auch ernsthaft Friedensgesprächen zu öffnen. Nur weiß man von seinem Vorgehen gegenüber der Ukraine, dass Trump – völlig unabhängig vom Stand des Konflikts – gerne Dinge vorzeigt, die ihn, wenn schon nicht als den großen Friedensstifter, in seiner Heimat (und weltweit) wenigstens als den großen Deal-Maker in Sachen Wirtschaft, Reichtum und Bereicherung ins Bild rücken. „Das Weisse Haus wollte nach dem Alaska-Gipfel unbedingt eine Schlagzeile präsentieren, die ein grosses Geschäft verkündet. So hat Trump das Gefühl, etwas erreicht zu haben“, ließ eine vermeintlich mit Details vertraute Quelle gegenüber dem „WSJ“ wissen. Mit Milliarden-Geschäften, so das Kalkül, würde man Putin vielleicht friedensweich klopfen. Wenn nicht das, so realistisch war man, blieben immerhin die Milliarden.

Nun, wie die Welt jetzt sieht, ist es um Friedensverhandlungen nach Alaska in etwa so bestellt wie vor Alaska. Nicht nur, dass Russland weiter gegen die Ukraine bombt – oder schlimmer als zuvor. Auch die USA haben sich unterdessen wieder besonnen, Präsident Selensyi mit der Lieferung neuer Waffen zu beglücken. Um die „außenpolitischen und nationalen Sicherheitsziele“ der USA zu unterstützen, so zitiert n-tv die Beweggründe im Weißen Haus. Im Falle Sicherheit, da ist der Einfallsreichtum Trumps so unerbittlich wie ausschweifend. Mal ist es Sicherheit im engeren Sinne – wie an dem Aufmarsch der US-Nationalgarde gegen Gewalt-Kriminalität in Chicago und Washington deutlich wird. Mal ist es Sicherheit im Sinne wirtschaftlichen Wohlergehens. Entweder des Staates – oder aber des privaten Wohlergehens des Präsidenten. Frieden kann, muss aber im Zweifel nicht Voraussetzung sein.

Trump ist, Weltmacht und Weltmächtiger hin oder her, im Grunde eher das, was man in der Theater-Welt eine Tingel-Gruppe nennt. Und geht dementsprechend auf Tingel-Touren. Wer in ihm einen berechenbaren Politiker, und sei es einen berechenbaren Autokraten sehen möchte, wird enttäuscht. Putin hat das von Beginn der Trump-Amtszeit erkannt. Und spielt das Spielchen soweit mit, als es nicht seine eigenen Ambitionen konterkriert – allem voran die Ambition, nach der Auflösung der Sowjetunion wieder so etwas wie ein großrussisches Reich zu installieren. Von wegen Friedensverhandlungen und Kompromisse. Letztere werden am Ende besonders der Ukraine abverlangt werden. Und damit auch den Europäern (der EU). Das ist nunmal Teil des Realismus, den akzeptieren muss, wer Tod und Zerstörung beenden will. Dabei auf Trump zu setzen, ist freilich fatal irrtümlich.

Europa hat noch immer nicht begriffen, dass man, wie Donald Trump, sein eigenes Ding machen muss. Erst recht friedenspolitisch. Und dass man, gemeinsam mit Selenskyi, aber auch mit Putin einen Weg finden muss, aus der Kriegsspirale zu finden. Sich immer wieder mit Handgepäck an Orte trügerischen Geschehens zu begeben, ist das Kerosin nicht wert, das diese Reisen kosten. Insofern braucht es auch eigene Diplomatie Richtung Kreml. Eine, die eben nicht in wohlfeiler Weigerung besteht, mit Putin auch nur den Hauch einer Kompromisslinie zu erörtern. Und auch Selenskyi mehr als bisher von der Notwendigkeit von Kompromissen zu überzeugen. Vielleicht bedarf es sogar der Trickkiste der Ökonomie, Russland an den Verhandlungstisch zu bewegen. In keinem Fall hat es Zweck, sich weiter auf Trump zu stützen. Er hat keine Friedensstrategie, seine Strategie heißt Eigennutz.

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