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Woche 35/2025

Fangen wir mit „schwarz-rot-gold“ an. Bundestags-Vizepräsident Bodo Ramelow hat sich erdreistet, den Vorschlag zu machen: Andere Flagge, und, wenn man schon mal dabei ist, andere Nationalhymne. Wie nicht anders zu erwarten, hagelte es scharfe Kritik. „Verletzung der Neutralitätspflicht“. Schallt es ausgerechnet aus dem Unions-Lager. Wahrlich mutig. Ramelow-„Chefin“ Julia Klöckner? Wenn ich mir zu Gemüte führe, wer so alles die Deutschland-Fahne über Campingplätzen und german Kleingartenvereinen hisst, finde ich Ramelows Idee irgendwie sympathisch. Sehr viel sympathischer jedenfalls als Julia Klöckners ja nicht nur Ideen, sondern dreiste Ordnungsrufe und Verbote. Samt Gastfreundschaft mit Rechtsauslegern. Ich verrate an dieser Stelle mal nicht, welche Hymne ich rein musikalisch und vom Text her sowieso besser finde. Für die müsste allerdings erst ein Staat geschaffen werden.

Deutschtümelei und Prominenz: Wenn gar nichts mehr geht, dann sind da schon fast vergorene Sänger, die auf ihre Art Nationalismus pflegen. Heino etwa. Zusammen mit seinem Manager Bruno Werner ließ er beim Brunsbüttler Unternehmen „Wagner Pralinen“ seine Deutschland-Schokolade produzieren. Schokolade, tatsächlich in den Nationalfarben (aus Zartbitter, Amber und weißer Schokolade mit Fruchtpulverzusatz, so die „Bild“). Heino wundert, dass diesmal kaum jemand sein Produkt in die Regale stellen will. Für seinen „Heino-Kaiserschmarrn“ bekam er ehedem noch den „Goldenen Schneebesen“. Zum Glück findet halt nicht alles, was Revanchisten auf der Zunge zergeht, in die Geschäfte. Weshalb die EU „digitale Prozesse“ bei „Wagner“ fördert (Eigenwerbung: „Zukunft beginnt im echten Norden“)? Intelligente Anpassung an Kundenwünsche, sagt „Wagner“. Echt jetzt?

Mit der Anpassung an Kundenwünsche hat es bekanntlich auch bei dem Grünen-Shooting-Star a.D. Robert Habeck nicht so ganz funktioniert. Weswegen seine Partei bei den Bundestagswahlen abgewatscht wurde und er nun dem Partei-Polit-Zirkus den Rücken kehrt. Ich war kein Fan seines anbiedernden Politik-Stils, der hin und wieder dazu führte, dass er die grüne Basis vergas und sich via Küchen-Philosophie an die fragwürdige Mitte des Berliner Politik-Betriebs heranrobbte. Beim Thema Migration teils auch unangenehm populistisch. Schaut man sich freilich die gegenwärtige Garde unter Friedrich Merz und Lars Klingbeil an, dann wünscht man sich die doch bisweilen aufschimmernde Bedachtheit Habecks zurück. So wie die mutig-empathische Flüchtlingspolitik einer Kanzlerin Merkel. Selbst wenn zu ihrer Zeit schon sozialpolitisch der Segen dramatisch schief hing.

Schief hängt auch die deutsche Außenpolitik – nicht nur mit ihrer Servilität gegenüber dem US-Präsidenten und Autokraten Donald Trump. Auch mit Blick auf das Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza übt sich Berlin im Eiertanz. Insgesamt verheißt dies nichts Neues. Aber das Alte wird umso umstrittener, je mehr man versucht, Verbrechen und Völkerrechtsbruch unter Hinweis auf die eigene Historie zu deckeln. Warum Kanzler Merz ein, wenn auch begrenztes Waffenembargo gegen Israel verhängt, bei weiteren Sanktionen aber kneift, ist vielen Politiker*innen, auch in der EU, ein Rätsel. Zumal die Lage in Gaza und im Westjordanland täglich dramatischer wird. Und Israels Ministerpräsident Netanyahu immer unerbittlicher gegenüber den Palästinenser*innen und dem Existenzrecht, das auch sie haben. Universelle Verantwortung ist nicht teilbar, bei Merz offenbar schon.

Beim US-Präsidenten sowieso. Nicht nur, dass der mäandernde personifizierte politische Sprengsatz das eigene Land zunehmend entrechtsstaatlicht (FAZ: „Beginnt so einen Diktatur?“). Auch in Hinblick auf Gaza werden bekannte Pläne immer kurder neu aufgelegt. Ebenfalls u.a. die FAZ berichtet aktuell darüber, dass Papiere in der Trump-Regierung kursieren, wonach ein „Nachrkriegsplan“ immer konkretere Züge annimmt. Auf dem Weg zur „Gaza-Riviera“ sollen die zwei Mio Palästinenser*innen freiwillig in ein anderes Land ausreisen – oder in Sperrgebiete „umziehen“. Belohnung: ein „digitaler Token“, 5000 Dollar in bar, Mietzuschüsse für vier Jahre, Lebensmittel für ein Jahr. Ausgearbeitet worden sei das mit Hilfe der „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF), echter Menschen-Freunde, wie die Welt inzwischen weiß. Mit Blick auf „best profit“ für die amerikanische Wirtschaft.

Im einem der vorigen Beiträge schrieb ich von der auffallender Flucht deutscher Politiker*innen ins Ausland. Um dem inländischen Desaster zu entfliehen. Just jetzt sind die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, Spahn und Miersch, zu einem Solidaritätsbesuch in die Ukraine gereist. Das hat nicht etwa damit zu tun, dass das Koalitionstreffen in Würzburg nach Meinung vieler Medien insgesamt eher ein Schuss in den Ofen war. Wenn, dann schon eher mit der Frage, ob sich durch allerlei Wehrdienst-Neulinge, die Verteidigungsminister Pistorius in Uniformen zwängen will, die Aussichten auf deutsche Sicherheitsgarantien – natürlich in internationalem Zusammenspiel – konkretisieren ließen. Nur halt!!!: Es ist ja noch nicht mal ein Ansatz von Frieden in Osteuropa zu erkennen. Macht nix, wir tun mal so wie Trump, als Läge Frieden 24/7 in Reichweite.

Aber, was soll’s. Die deutsche Regierung nimmt, so erscheint es einem, sollte es irgendwo klemmen, gern Anleihen beim Vorzeigeunternehmen Deutsche Bahn. Die hat, in extra-orbitantem Einfallsreichtum eines ihrer Mega-Kaninchen aus dem Hut gezaubert. Als ein ICE auf dem Abschnitt Würzburg-Fulda wg Defekts der Klimaanlage auf freier Strecke liegenblieb, wurde was gemacht? Kurzerhand ein ICE in Würzburg, in dem schon Leute Platz genommen hatten, evakuiert und dem schwächelnden „Kumpel“ zur Hilfe geschickt. „Zugtausch“ nennt das die Deutsche Bahn. Despektierlicher könnte man es auch umschichten nennen. Damit würde denn auch die Parallele zur Politik deutlicher werden. Die nur allzu gerne umschichtet, etwa, wenn irgendwo Geld fehlt. Am Liebste zu Lasten des Sozialsystems. Das wird dann auch ganz schnell und ohne wen zu fragen evakuiert.

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